Pascal Schürmann
· 11.09.2018
Longue-Route-Segler Georg Schimmelpfennig hat nach seinem Re-Start zwei erste Teilstücke auf dem Weg um die Welt geschafft. Derzeit segelt er auf Höhe Lissabons
Der Düsseldorfer Einhandsegler, der sich im Rahmen der Longue Route 2018 aufgemacht hat, wie einst Wilfried Erdmann die Welt allein und ohne Zwischenstopp zu umsegeln, ist nach eigenen Angaben relativ entspannt durch den Ärmelkanal und auch über die Biskaya gekommen. Nachdem er nach seinem eigentlichen ersten Start in Bremerhaven schon in Zeebrügge einen Reparaturstopp hatte einlegen müssen, war er den Longue-Route-Regeln gemäß am vergangenen Donnerstag auf der Höhe von Brest offiziell zur Weltumsegelung gestartet.
Auf YACHT online berichtet Schimmelpfennig fortan wöchentlich über sein Vorankommen. Hier sein aktueller Bericht:
Am Sonntag, den 2. September, lege ich in Zeebrügge ab, um nach den unbedingt nötigen Reparaturen zum zweiten Mal zur Longue Route zu starten. Nach anfänglich schwachen Winden schaffe ich es in der Nacht, noch an Calais vorbei in den Englischen Kanal einzulaufen. Der Schiffsverkehr ist moderat, die Fährwege Calais–Dover erfordern dennoch meine ganze Aufmerksamkeit. Später ist dann südlich der Verkehrstrennungsgebiete entlang der französischen Küste bis auf ein paar Fischer alles ruhig.
Einer der Fischer kommt sogar ganz nahe an mir vorbei. Ein Mann auf dem Achterdeck hält einen Plattfisch in die Höhe, der die Größe eines Handtuchs hat. Der Fischer ist sichtlich stolz, der Fisch tot. Nun ja.
Der Windgenerator liefert jetzt bei mittlerem Wind ein wenig Strom. Ich bin aber froh, dass überhaupt was kommt. Bei mehr Wind soll er es wohl richten. Neben den noch akribischer abgedichteten Luken und Lüftern ist die Pumpe mit einem neuem Impeller versehen worden. Außerdem musste noch eine neue Reffleine her. Die alte hatte ich mir bei dem wilden Ritt über die Nordsee ruiniert. Jetzt aber funktioniert alles.
Besuch habe ich auch bekommen – von einer Fledermaus. Im Englischen Kanal habe ich das Tier zu Gast. Am Abend umkreist mich die Fledermaus, sie sucht offenbar Schutz. Dann ist sie plötzlich weg. Als ich am nächsten Morgen das Groß setze, sitzt sie in Höhe der ersten Reffbahn. Sie hatte sich wohl im aufgetuchten Segel zur Rast niedergelassen. Wenig später ist sie verschwunden. Ich hoffe, sie hat den Weg nach Hause wiedergefunden.
Meine Entscheidung, südlich der Verkehrstrennungsgebiete an der französischen Seite zu bleiben, hat sich bewährt: ganz wenig Schiffsverkehr. Das ist mit AIS und Buzzer in der Kajüte gut zu überschauen. Da fällt sogar hier und dort eine Stunde Schlaf ab. Überhaupt bin ich und war ich auch schon auf der Nordsee erstaunt, dass ich ganz gut mit dem wenigen Schlaf auskomme. Keine wie aus vorangegangenen Törns bekannten Wahrnehmungsschwierigkeiten festgestellt.
Die Biskaya hat es mir dann gleichfalls leicht gemacht. Am Morgen des 6. September passiere ich die Ile de Ouessant bei frischen Wind und kabbeliger See. Allerdings ist dort dann doch sehr viel Schiffsverkehr, und keine Minute Unaufmerksamkeit ist erlaubt. Danach Kurs Kap Finisterre. Der Nordwind hilft. Einen ganzen Tag kann ich sogar den Parasailor einsetzen. Das Segel ist allerdings einhand eine komplexe Aufgabe, und ich überlege mir immer sehr genau, ob ich es setze oder nicht.
Letztlich brauche ich wegen der vor allem nachts schwachen Winde vier Tage für die große Bucht und liege in der Nacht zum 9. September vor dem Kap Finisterre. Als ich danach Kurs Richtung Madeira setze, taucht in etwa 200 Meter Entfernung zu meiner großen Überraschung ein Wal auf. Durch seinen lauten und langen Blas bin ich auf ihn aufmerksam geworden. Er ist deutlich größer als mein Schiff, hat einen glänzend glatten bläulichen Rücken und eine auffallend kleine Rückenflosse. Ein Blauwal?
Ich habe mir so gewünscht, wenigstens eines dieser großen Tiere während meines Törns live zu erleben. Dass mir das schon an der Nordspitze Spaniens gelingt, überrascht mich. Ich hoffe, es war nicht die letzte Begegnung.
Zurzeit genieße ich Easygoing im Nordostpassat vor der Westküste Portugals. Am gestrigen Dienstag stand "Hekla" etwas südwestlich der Höhe Lissabon. Der Wind ist unterschiedlich stark, kommt aber im Großen und Ganzen immer aus der gleichen Richtung: Nordnordost. Mal segele ich mit Reffs im Groß, mal Schmetterling, mal mit Kutterfock oder Genua, aber immer in strahlendem Sonnenschein.
So geht es weiter gen Süden. Und irgendwann dann links ab. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Während Georg Schimmelpfennig auf seiner "Hekla" nach anfänglichen Schwierigkeiten nun also offenbar guter Dinge ist, herrscht über einen anderen deutschen Einhandsegler weiterhin Unklarheit: Peter Conrad. Er war zunächst in Eckernförde zur Nonstop-Weltumsegelung gestartet. Dann, nach Wassereinbruch in der dänischen Südsee und anschließender Reparatur an Land, machte er sich ein zweites Mal von Cuxhaven aus auf den Weg.
Bei diesem zweiten Versuch kam er nur bis Borkum, da ihn ein Bandscheibenvorfall nahezu bewegungsunfähig machte. Inzwischen hat er sein Boot bis IJmuiden verholt. Zwischendurch ließ er verlauten, dass er sich bis nach England vortasten wolle, um von dort einen dritten Versuch zu starten – falls sein Rücken dies zulassen sollte.
Dies scheint aktuell der Fall zu sein. Jedenfalls hat Conrad nach mehrtägigem Stopp heute morgen IJmuiden für einen Probeschlag verlassen. Bis Ende des Monats will er sich Zeit für eine Entscheidung nehmen. Sollte er sich dann fit genug fühlen, geht er den dritten Versuch an; danach werde es zu spät. In diesem Fall will er seine "Timshal" voraussichtlich in Holland überwintern lassen und erst 2019 einen neuen Anlauf wagen.
Währenddessen führt Susanne Huber-Curphey weiterhin das Feld der Longue-Route-Segler an. Sie hat vor einigen Tagen Kapstadt passiert und segelt nun gen Australien. Mit inzwischen schon recht großem Abstand folgt der deutschen Einhandseglerin und deren "Nehaj" ebenfalls wie gehabt ihr Mann Tony Curphey auf seiner "Nicolas Deux". Weitere Longue-Route-Skipper, von denen allerdings einige schon Zwischenstopps eingelegt haben, stehen ebenfalls vor Kapstadt, andere befinden sich noch im Nord- und Südatlantik.
Dieses uneinheitliche Feld ist den Regularien dieser Veranstaltung geschuldet, die zu Ehren Bernhard Moitessiers und dessen Teilnahme am ersten Golden Globe Race vor 50 Jahren ins Leben gerufen worden war. Die Longue Route ist kein Rennen, alle Teilnehmer können ihren Startort selbst bestimmen. Er muss lediglich oberhalb einer bestimmten Breite liegen. Auch den Starttermin durfte jeder individuell für sich festlegen. Die Longue-Route-Skipper sind lediglich aufgerufen, "im Geiste Moitessiers" die Welt zu umsegeln.
Anders die Teilnehmer des parallel laufenden Golden Globe Race 2018, das Don McIntyre initiiert hat. Die Segler dieser Veranstatlung tragen eine richtige Einhand-Nonstop-Regatta um die Welt aus, mit Booten, die sich allesamt ähneln, und mit Navigationsmitteln, wie sie den Teilnehmern vor 50 Jahren zur Verfügung standen. Sie müssen also ohne elektronische Hilfsmittel auskommen.
Die Ausfallquote ist entsprechend hoch. Von den 17 Skippern, die gemeinsam in Les Sables d'Olonne gestartet waren, sind inzwischen nur noch zehn im Rennen. Weit in Führung liegt der französische Segelprofi Jean Luc Van den Heede. Er hat bereits etwa die Hälfte der Strecke über den Indischen Ozean Richtung Australien geschafft. Auf Position zwei liegt der Brite Mark Slats – auf nahezu gleicher Höhe und Breite wie Longue-Route-Seglerin Susanne Huber-Curphey!
Der Veranstalter des diesjährigen Golden Globe Race Don McIntyre hat sich gestern insbesondere zu den sich häufenden Ausfällen geäußert. Er schreibt, dass neben vielerlei technischen Problemen an einzelnen Teilnehmerschiffen insbesondere die Belastung, gänzlich ohne Kontakt zur Außenwelt um die Welt zu segeln, von einigen der Skippern doch offenbar unterschätzt worden sei. Dies will er aus seinen wöchentlichen Telefonaten, die er mit den Seglern via Satellit führt, herausgehört haben.
McIntyre sagt: "Die Segler, die an der Vendée Globe oder am Volvo Ocean Race teilnehmen, können 24 Stunden am Tag das Telefon in die Hand nehmen und ihre Mammi oder ihren Ingenieur um Unterstützung bitten. Das können die Golden-Globe-Segler nicht."
Und überhaupt, er selbst habe nie daran geglaubt, dass es wirklich viele, schon gar nicht alle der Teilnehmer um die Welt schaffen werden.
Hier die aktuellen Positionen der Longue-Route- und der Golden-Globe-Segler: