Lars Bolle
· 11.07.2012
Torsten Michelmann, Eigner der Yacht "Kallisto", schildert den Untergang des 50-Fußers bei der Langstreckenregatta Rund Bornholm
Die "Kallisto" ist ein 50-Fuß-Performance-Cruiser mit 130 bis 200 Quadratmetern Segelfläche. Sie wurde vor vier Jahren von der sächsischen Werft Race2Win gebaut und seit dieser Saison von ihren neuen Eignern, Torsten und Andrea Michelmann, für Incentives verchartert. Torsten Michelmann nahm mit einer Crew an der Langstreckenregatta Rund Bornholm an der Warnemünder Woche teil, als seine Yacht nördlich von Bornholm sank. Gegenüber YACHT online berichtet er vom Untergang.
Herr Michelmann, bitte schildern Sie uns, was passiert ist.
Wir waren zu neunt an Bord, vier Leute mit Skipper-Erfahrung, der Rest Freunde von mir. Auf dem Hinweg nach Bornholm hatten wir so 15 bis 18 Knoten Wind, nicht viel mehr, und segelten unter Gennaker. Merkwürdigerweise haben ja wohl einige Yachten nördlich von Darßer Ort ein Unwetter abgekriegt und Schäden erlitten, aber das haben wir völlig umfahren. Wir sind nach Klintholm hoch, haben gehalst und sind dann raumschots mit einem Strich auf die Südspitze von Bornholm runter. Es gab zu keinem Zeitpunkt irgendeine Situation mit zu viel Wind oder so etwas. Alle hatten nur ein Grinsen im Gesicht.
Es waren also keine harten Bedingungen?
Auf der Ostseite Bornholms konnten wir bis zur Mitte wegen einer Winddrehung sogar noch mit Gennaker fahren, mussten dann hoch an den Wind. Bis zur Nordspitze Bornholms, Hammerodde, hatten wir nur etwa 20 Knoten Wind, refften dann aber vorsorglich das Groß einmal, weil einer meiner Mitsegler, der schon öfter rund Bornholm gesegelt ist, meinte, dass es an dieser Ecke wegen eines Kapeffektes oft stärker weht und wir die Ungeübten an Bord auch nicht überfordern wollten.
Also nahm der Wind zu?
Es wurde mehr Wind, etwa 25 bis 26 Knoten, mehr Welle, etwa drei Meter. Aber das sind ja für eine 50-Fuß-Regattayacht keine harten Bedingungen. Fünf Seemeilen von Bornholm entfernt gab es dann plötzlich eine komische Seitwärtsbewegung, wie ein Ruck, aber irgendwie schwammig, nicht so, als wenn man auf eine Sandbank fährt, wo man ja richtig abgebremst wird. Unter Deck muss es allerdings ziemlich heftig gewesen sein, einen lauten Schlag gegeben haben. Da hat ein Crewmitglied geschlafen, der wusste gar nicht, wie ihm geschah.
Wo befanden Sie sich?
Ich war am Ruder, noch zwei andere waren mit im Cockpit. Ich habe erstmal gar nicht viel gedacht, nur so: Was war das jetzt? Auch einer meiner Mitsegler hat es gemerkt und auch gefragt, was das war.
Wissen Sie jetzt mehr?
Nicht wirklich. Wir meinten, in der ablaufenden Welle einen Schatten gesehen zu haben, vielleicht ein Baumstamm oder ein Fass, sicher sind wir aber nicht.
Gab es eine Veränderung am Boot?
Die Steuerung war plötzlich etwas wabbelig, zuvor hatte das Boot noch super auf dem Ruder gelegen. Ich dachte, vielleicht wäre ein Steuerseil gerissen. Mein Mitsegler sagte, er schaut sich das an, und meinte anschließend: "Das willst du nicht wissen."
Welchen Schaden haben Sie festgestellt?
Der Ruderkoker war unten kreisförmig aus dem Rumpf gerissen. In den Wellenbewegungen klaffte immer wieder ein etwa 30 Zentimeter großes Loch auf, aufgehebelt vom Ruder, das ja noch dranhing, das durch das ständige Hin und Her immer größer wurde. Da schoss das Wasser nur so hinein.
Warum haben Sie das Leck nicht abgedichtet?
Wir kamen nicht heran, der Quadrant verdeckte die Schadenstelle, sodass wir da kein Polster oder einen Fender zwischen bekamen. Außerdem pendelte das ganze Ruder ständig von links nach rechts, ein riesiges Metallteil. Wenn da einer reingegangen wäre, hätte er sich alle Arme und Beine gebrochen.
Haben Sie sonst etwas unternommen?
Wir haben alle Pumpen eingeschaltet, die anderen sechs aus der Koje geholt und denen Rettungswesten angezogen. Dann eine Eimerkette gebildet und wie blöd gepützt. Nach einer halben Stunde stand das Wasser aber schon einen Meter hoch.
Das muss kein gutes Gefühl gewesen sein.
Von Anfang an nicht. Sofort, nachdem ich das Loch gesehen hatte und wie das Wasser da reinschoss, habe ich ein Crewmitglied nach unten geschickt, und der hat einen Notruf abgesetzt. Wir haben auch zweimal rot geschossen. Ich denke, aus seemannschaftlicher Sicht haben wir uns nichts vorzuwerfen. Das ist auch alles ganz ruhig abgelaufen, hinterher hat niemand gesagt, dass er irgendwann das Gefühl hatte, in Lebensgefahr zu schweben.
Wann haben Sie die Yacht aufgegeben?
In der Plicht stand das Wasser kniehoch, und als die ersten größeren Wellen bis in den Niedergang durchliefen, haben wir uns angeschaut und gesagt: "So, jetzt Rettungsinseln klarieren und raus." Nicht dass uns das Schiff noch unter den Füßen wegsackt. Wir hatten auch auf den Rettungskreuzer gewartet. Eigentlich sollte der in 40 Minuten da sein, als er aber nach 50 Minuten noch nicht da war, mussten wir etwas unternehmen.
Sie sind zu neunt in die Insel?
Nein, wir hatten zwei dabei. Weil das Schiff ja auch gewerblich betrieben wurde, war es von der See-Berufsgenossenschaft abgenommen, und zwei Inseln waren bei zehn Mann Maximalbesatzung Pflicht. Wir hatten auch die ganze andere Sicherheitsausrüstung, wie ausreichend Rettungswesten oder Epirb, an Bord.
Eine Fähre war bereits am Unglücksort, außerdem war der Wettfahrtteilnehmer "All4One" schnell zur Stelle und in der Nähe. Warum wurde Sie nicht von dieser Yacht abgeborgen?
Das war bei drei Metern Seegang nicht möglich, die hätten sich das Boot zerschlagen. Außerdem tauchte gerade in dem Moment, als wir die zweite Insel losmachten, der Rettungskreuzer auf.
Was geht im Kopf vor, wenn man sein eigenes Schiff sinken sieht?
Richtig realisiert habe ich das noch nicht. Klar war ich geschockt, der Schock sitzt immer noch tief, aber einer der ersten Gedanken war, dass zum Glück niemandem etwas passiert ist. Aber es war ein Ttaumboot, es ist traumhaft gesegelt, hat allen, die mitgesegelt sind, ein Grinsen ins Gesicht gezaubert. Außerdem hatte das Geschäftsmodell sehr gut funktioniert. Da ist ein Traum versunken.
Wie geht es weiter? War die Yacht versichert, wird sie geborgen?
Das Schiff war vollkaskoversichert mit allem drum herum, was so denkbar ist, deshalb mache ich mir da jetzt erst einmal keine Sorgen. Es liegt auf etwa 50 Meter Tiefe, nicht in einem Fahrwasser. Ob es geborgen wird, weiß ich derzeit noch nicht.