Tatjana Pokorny
· 14.12.2025
Schweres Los für Seglerinnen auf “Idec Sport”: Ihr Großsegel ist nach dem Bruch des Großfallschlosses beim zweiten Reff blockiert. Etwas jenseits vom 35. Breitengrad Süd im Südatlantik unterwegs, galt es für Skipperin Alexia Barrier und ihre rein weibliche Crew seit dem Bruch am Freitag, übers Wochenende ihre Optionen zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen.
Kapstadt liegt voraus (siehe Tracker hier), käme für einen Reparaturstopp in Frage. Der aber würde den Traum der Frauen im The Famous Project CIC von der Nonstop-Weltumseglung platzen lassen. Ein Reparaturstopp würde das Team direkt die erhoffte Jules Verne Trophy kosten, die ohnehin von Beginn an in schwerer Erreichbarkeit lag. Vor allem aber würde der Traum vorerst sterben, die erste weibliche Crew zu werden, die eine nonstop und ohne Hilfe von außen durchgeführte Weltumsegelung auf einem Maxi-Multihull absolviert.
An diesem Adventssonntag, dem fünfzehnten Tag des Abenteuers, war noch keine der acht Seglerinnen bereit, diesen Traum aufzugeben. Einstimmig fiel gut zwei Wochen nach dem Start am 29. November die Entscheidung bei der laufenden Herausforderung um die Jules Verne Trophy, das Abenteuer einstweilen fortzusetzen. Zwar flossen an Bord in diesen Tagen auch ein paar Tränen, doch Alexia Barrier, Dee Caffari, Annemieke Bes, Rebecca Gmür Hornell, Deborah Blair, Molly LaPointe, Támara Echegoyen und Stacey Jackson sahen sich schließlich in die Augen und beschlossen: “Wir machen weiter!”
Die acht Seglerinnen wollen ihre Runde um die Welt durchziehen. Sechs Stunden lang hatte die gesamte Crew von The Famous Project CIC bereits am vergangenen Freitag gemeinsam an Deck des Maxi-Trimarans geschuftet und nach Lösungen gesucht, während sie sich im Herzen des Südatlantiks langsam nach Süden bewegten. Der Grund für ihre Probleme ist das Großsegel-Fallenschloss, das feststeckt und blockiert. Reihenweise Reparaturversuche mehrerer Seglerinnen, die dafür in den Mast gingen, sind aber bislang erfolglos geblieben.
„Bex, als Erste“, hatte Alexia Barrier erklärt. „Sie hat eine unglaubliche Willenskraft, ist ein echtes Talent. Sie kletterte bei rauer See in den mehr als fünfzehn Meter hohen Mast, um das Teil zu überprüfen, an dem das Fallenschloss befestigt ist. Wir konnten sie über die Headsets hören. Bei jedem Ruck ein Stöhnen. Es ist heftig dort oben. Und wir unten hatten Mitleid mit ihr. Molly, immer bereit zu basteln. Debs und Annemieke, die suchten, stöberten und die richtige Ausrüstung fanden. Stacey mit ihren Ideen, ihrer Erfahrung, ihrer guten Übersicht.”
Weiter berichtete Alexia Barrier: “Währenddessen stand Olympiasiegerin Tamara Echegoyen am Ruder. Dee hörte zu, koordinierte und behielt den Überblick. Und ich stand in ständigem Kontakt mit dem Team an Land, um Informationen zu empfangen, zu überprüfen und weiterzugeben.” Doch alle Mühe blieb bislang vergeblich. Das Großsegel blieb hartnäckig am zweiten Reff hängen.
Die Seglerinnen hatten schon angefangen, über die bevorstehende Aufgabe nachzudenken, als Alexia Barrier den an Land befindlichen Router Christian Dumard bat, “Routings mit 70 % unseres Potenzials zu berechnen, um unsere Fähigkeit zu beurteilen, mit einer angemessenen Geschwindigkeit weiterzusegeln”. Alexia Barrier erklärte: “Wir mussten akzeptieren, in unserer aktuellen Konfiguration zu segeln, mit der enormen Einschränkung, dass wir das Boot jedes Mal für mehrere Stunden anhalten müssen, wenn wir die Reffs wechselten. Wir befinden uns am Tor zum Südlichen Ozean und haben beschlossen, dass es sich lohnt, weiterzumachen. Wir waren uns in dieser Perspektive einig und sind wieder losgefahren!”
Damit geht das Abenteuer des Famous Project CIC vorerst weiter. Alexia und ihre sieben Mitstreiterinnen müssen nun eine andere Art des Segelns erfinden, manchmal unter Segeln, mit unterschiedlichen Windwinkeln und alternativen Konzepten, ihre Vorsegel zu nutzen. Damit sind zur ohnehin großen Aufgabe der Weltumseglung weitere Hürden hinzugekommen. Das Team bemüht sich um eine positive Sicht auf die gewachsene Herausforderung, vemeldete zusätzliche “Tiefe, Würze und Wert” für ihren Versuch, die Jules Verne Trophy zu gewinnen, die mit dem Bruch in unerreichbare Ferne gerückt ist.
Nach der Entscheidung zum Weitermachen sagte Alexia Barrier: “Ihr werdet mir vielleicht nicht glauben, aber wir hätten uns fast entschlossen, aufzuhören. Wir haben zwei Tage lang darüber nachgedacht. Zwei Tage lang haben wir an nichts anderes gedacht. Wir haben abgewogen. Wir haben nalysiert. Und die Frage immer wieder in unseren Köpfen hin- und herbewegt.”
Bei einem so großen Abenteuer ist die schwierigste Entscheidung nicht, die Segel zu setzen. Sondern aufzugeben”, sagte Alexia Barrier. Und dann dies: “Der mechanische Deffekt, den wir erlitten haben, ist nicht trivial”, so Alexia Barrier. “Er ist schwerwiegend, aber er gefährdet nicht unsere Sicherheit. Er gefährdet unsere Geschwindigkeit. Den Rekord. Die Zahlen. Er gefährdet nicht unsere Geschichte. Oder unseren Traum. Oder unseren Ehrgeiz, ein neues Kapitel in unserem Sport zu schreiben, indem wir als erste weibliche Crew eine nonstop und ohne Hilfe durchgeführte Weltumseglung auf einem Maxi-Mehrrumpfboot absolvieren.”
Alexia Barrier erzählt vom Weg zur Entscheidung und auch von den Gesprächen, die sie mit dem Team an Land geführt und dabei “die Kraft ihrer Unterstützung gespührt” habe. Technisch wie menschlich, wie die Französin versicherte. Dann habe ihr Team einen klaren Blick nach vorne gerichtet. Alle wissen, was Alexia Barrier ausspricht: “Es wird nicht einfach werden. Wir müssen weiter basteln. Uns anpassen. Uns zusammenreißen. Aber wir fahren weiter.”
Ein Antrieb für die Seglerinnen liefert eine weitere Erkenntnis, die Alexia Barrier mit Team und Fans teilt: “Niemand wird sich an eine Zahl erinnern. Aber jeder wird sich an eine Leistung erinnern. Weil wir, egal was passiert, etwas erleben, was nur sehr wenige Menschen jemals erleben werden. Weil man das Passieren von Kap Hoorn mit einer rein weiblichen Crew auf einem Trimaran nie vergisst. Und weil wir, wenn wir eines Tages aufhören müssen, wissen werden, wie wir das mit gutem Gewissen tun können. Aber nicht jetzt. Nicht hier.”