Die Entscheidung war erst am letzten Tag gefallen: Im argentinischen WM-Revier von Buenos Aires waren 71 Crews aus 16 Ländern angetreten, ihre Champions zu ermitteln. Laura Grondin hatte schon zu Beginn der Woche im Gespräch mit der Klassenvereinigung gesagt: “Ich bin hier um zu gewinnen. Jemand hat mich mal gefragt, ob es mein Ziel ist, die anderen Frauen zu schlagen. Ich habe gesagt: ‘Ich will sie alle schlagen!’. Genauso ist es.”
Einfach aber war es nicht. Die Beweise für das hohe Niveau des Wettbewerbs lieferten die zehn Rennen, die jedes Mal von einem anderen Team gewonnen wurden. Nicht einer Mannschaft gelang mehr als ein Rennsieg. Auch der Blick auf die Crew-Listen war verheißungsvoll: ob olympische Medaillengewinner, Olympiateilnehmer, ehemalige J/70-Weltmeister, America's Cup-Legenden, SailGP-Athleten, TP52-Champions oder auch eine ganze Reihe starker Corinthian-Akteure bildeten die starke wie sehr diverse Flotte.
Die qualifizierten Teams kamen aus Argentinien, Australien, Bermuda, Brasilien, Chile, China, Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei, Uruguay und den Vereinigten Staaten angereist. Mit Kai-Uwe Hollweg (SKWB), Magnus Simon, Tom Heinrich und Albert Gerstmair war auch ein ehrgeiziges deutsches Quartett am Start, das sich aber bei diesem Gipfeltreffen in der Endabrechnung auf Platz 44 einreihen musste.
Um den Titel rang Laura Grondin mit ihrem Taktiker und SailGP-Steuermann Taylor Canfield, dem nun erfolgreichen australischen Titelverteidiger Edward Hackney, Coach Robby Bisi und Ehemann Rick Grondin. Sie stellte bei der Siegehrung jedes Crew-Mitglied ausführlich vor und bedankte sich bei Taylor Canfield dafür, “dass er fünf Jahre an mich geglaubt hat und mir alles beigebracht hat”.
Damit war Canfield als J/70-Coach sehr viel erfolgreicher als in dieser nicht ganz glücklichen SailGP-Saison als Steuermann des US-Teams. Die Amerikaner werden die Saison nach Crahes und Rückschlägen in Serie sicher als Letzte und möglicherweise sogar mit Minuspunkten beenden. Vier davon müssen sie beim Finale Ende November in Abu Dhabi noch loswerden, um aus dem Minus herauszukommen.
Da mag der am zurückliegenden Wochenende gewonnene WM-Titel für Taylor Canfield als Balsam auf die Wunden gerade recht gekommen sein. Bei der J/70-WM fiel die Entscheidung erst im letzten Rennen. Da konnte TP52-Weltmeister Guille Parada, der die britische “Gladiator” zum WM-Sieg gesteuert hatte und in diesem Jahr die Taktik auf der von Eigner Tony Langley selbst gesteuerten TP52 verantwortete, und sein argentinisches Team auch der finale Rennsieg nicht mehr Laura Grondin vorbeikatapultieren, die als Vierte ins Ziel kamen.
Mit 88 Nettopunkten setzten sich Laura Grondin und ihre Crew auf “Dark Energy” gegen das Parada-Team auf “Nildo” (92 Punkte) durch. WM-Bronze ging an die Brasilianer um Bruno Bethlem auf “Areté” (94 Punkte). Neben Grondin waren nicht viele Steuerfrauen, dafür aber sehr spannende am Start: Womens-America’s-Cup-Siegerin Giulia Conti befügelte Mauro Reversis italienisches Team auf “Jourve” – die Azzurri segelten auf Platz 16.
Die in Shanghai geborene zweimalige olympische Medaillengewinnerin Lijia Xu erreichte mit ihrem Team Platz 59. Die 38 Jahre alte Olympiasiegerin von 2012 im Laser Radial hat Journalistik studiert und ist immer wieder auch als Kommentatorin bei großen Segel-Events im Einsatz.
Auch der zweimalige J/70-Weltmeister Peter Duncan blies vor Buenos Aires wieder zum Angriff, kam aber in diesem Jahr bei der ersten in Südamerika ausgetragenen J/70-WM mit Top-Crew nicht über Platz zehn hinaus. Hier geht es zu den Ergebnissen der J/70-Weltmeisterschaft 2025.
Die glückliche Laura Grondin sagte nach dem Finale: “Ich bin total begeistert, die erste Frau zu sein, die diesen Titel gewonnen hat. Und ich wünsche mir, dass noch viele weitere folgen werden. Ich hoffe, dass dies nur der Anfang ist. Bei dieser Veranstaltung gab es fünf Steuerfrauen, was bemerkenswert ist – aber wir brauchen noch mehr.”
An alle Frauen, die auf einem Boot angetreten sind: Ich ziehe meinen Hut vor euch. Macht weiter so!“ Laura Grondin
Für eine besonders schöne Familiengeschichte sorgten bei dieser J/70-WM die neuen Weltmeister in der Corinthian-Division aus Chile: Andrés Ducasse segelte mit seinen vier Söhnen mit Platz 21 zur Corinthian-WM-Krone. Der fünfte Sohn coachte. „Als Vater dieser Kinder bin ich Gott dankbar, dankbar für das Segeln und dankbar dafür, dass ich meinen Kindern das Segeln beigebracht habe und miterleben durfte, wie sie zu so hervorragenden Seglern geworden sind. Vor allem danke ich meinen Söhnen für die Möglichkeit, an ihrer Seite anzutreten“, sagte der stolze Vater Ducasse. „Wir haben fünf Weltmeisterschaften und viele südamerikanische Meisterschaften bestritten, und diese war die am besten organisierte von allen.“