Max Gasser
· 03.08.2022
Felix Oberle segelt bei der ersten Etappe des Azorenrennens auf Platz 4 – von den Qualen der Flaute und seinem Ziel für die morgen startende Rücketappe
Über drei Tage lang mühten sich die Miniisten vor den Azoren in quälender Flaute nur äußerst langsam voran. Sofort kommen Erinnerungen an das Mini-Fastnet vor wenigen Wochen auf, bei dem das Szenario kurz vor Schluss beinahe identisch war: Bei Bootsgeschwindigkeiten unter einem Knoten wollte das Ziel einfach nicht näherkommen.
Nach insgesamt 10 Tagen, 19 Stunden und 15 Sekunden ist es dann so weit. Der Mini mit der orangefarbenen Bugnummer 1028 quert die Ziellinie. Pure Erleichterung und auch große Erlösung für den Schweizer Felix Oberle. Er krönt damit ein sowieso schon starkes und konstantes Rennen mit einem fantastischen Finish und muss sich nur dem ausschließlich französisch besetzten Podium geschlagen geben.
Nach dieser nervenaufreibenden ersten Etappe beim Mini-Klassiker soll morgen der Startschuss für die zweite Etappe ertönen. Was sich der Solosegler aus dem Alpenland für den Rückweg nach Les Sables-d’Olonne vornimmt, wie er überhaupt zum Solosegeln kam und wie er sich seine seglerische Zukunft vorstellt, verrät er im Interview.
Gratulation zu dieser Top-Platzierung! Morgen geht es schon wieder weiter, konntest du deinen Erfolg überhaupt richtig genießen und feiern?
Felix Oberle: Wir haben tatsächlich relativ gut gefeiert, die Stimmung ist wirklich super zwischen den Teilnehmern. Erholung war ebenfalls möglich, von der Organisation wurde uns die Insel gezeigt, es war schön. Das Boot ist auch schon fast wieder ready, ich fühle mich gut und bin zufrieden mit meinem Timing.
Du bist knapp am Podest vorbeigesegelt. Bist du zufrieden oder ärgert dich das?
Ich bin zufrieden. Eine Woche vorher lag ich noch krank im Bett. Das war natürlich nicht die optimale Vorbereitung. Das Ergebnis ist cool, die ersten drei sind wirklich sehr gut. Jean Marre und Julie Simon haben die Transat schon mal bestritten, das sind 8.000 Meilen Vorsprung (lacht). Von daher bin ich schon zufrieden. Dazu kommt noch, dass man in diesen Bedingungen auch ein bisschen Glück haben muss.
Es war ein Rennen mit vielen Aufs und Abs in schwierigen Bedingungen. Kannst du uns kurz mitnehmen? Wie ist es für dich verlaufen?
Ich bin nicht der Stärkste in Küstennähe und hatte Probleme wegzukommen. Dann ging es darum, in Richtung Finistère zu gehen. Taktisch wäre es besser gewesen, am Verkehrstrennungsgebiet in Richtung Süden abzubiegen. Weil ich krank und relativ müde war, habe ich mir das jedoch nicht zugetraut. Der Druck von den benötigten Meilen ist ziemlich hoch, daher war es das Ziel Nummer eins, diese Etappe zu überstehen. Deshalb habe ich entschieden, im Norden durchzufahren, dabei habe ich aber eben einiges verloren.
Der nächste wichtige Punkt war die Durchquerung der Rückseite des Hochs. Da unsere Gruppe im Norden war, haben wir diesen zu früh, also zu weit östlich gekreuzt. Wir hatten dann echt Pech und keinen Wind mehr, als wir da rauskamen. Ich hatte dann schon 50 Seemeilen Rückstand und bewegte mich zwischen den Plätzen 10 und 20. Das Hauptproblem war, dass wir bei der Ausfahrt aus dem Hoch keinen Wind mehr hatten, während die anderen noch mit vier bis sechs Knoten und besserem Winkel weiterfahren konnten.
Ich war dann zu zweit mit Julie Simon, und wir motivierten uns gegenseitig weiterzufahren und erwischten die darauffolgenden zwei Fronten auch gut. Bei der letzten konnten wir auf raumem Kurs gut Speed in Richtung Graciosa machen, während die anderen langsam am Wind unterwegs waren. 48 Stunden lang waren wir beide vielleicht hundert Meter voneinander entfernt. Das hilft schon, so kann man sich dauernd vergleichen.
Was sich wirklich auszahlte, war, dass wir die Insel relativ risikoreich im Westen passierten. Die anderen hatten zeitgleich im Norden von Sao Jorge keinen Wind und Gegenströmung.
Wie hast du die lange Flautenzeit am Ende erlebt? Wird man nervös oder langweilt man sich eher?
Am Anfang war es für mich frustrierend. Schon beim Mini-Fastnet war es so, das war hart zu akzeptieren. Wir wissen ja nicht, wo die anderen sind. Zwar bekommen wir alle 24 Stunden ein Klassement, das sagt aber nichts darüber aus, wie die Positionen lateral verteilt sind. Ich habe Flaute eigentlich ganz gern, aber so eine habe ich noch nie erlebt (lacht). 50 Stunden lang haben wir nie mehr als drei Knoten Wind gesehen und einmal kurz sieben, das war schon sehr heftig.
Hast du für solche Fälle eine Beschäftigung oder bleibst du voll im Fokus?
Für mich war es dennoch ziemlich intensiv, ich habe schon hauptsächlich versucht, das Boot vorwärtszubringen. Ansonsten ab und zu etwas Musik und, wenn es geht, schlafen. Das Ziel war, jeden Zentimeter voranzukommen. Man sah die Insel und wollte ankommen, aber dann dauerte es noch drei Tage für die letzten 50 Meilen.
Wie fühlt man sich, wenn man nach so einem Rennen unter den ersten fünf über die Ziellinie fährt?
Als wir uns dem Ziel genähert haben und ich all die Leute auf dem AIS sah, die normalerweise vor mir waren, wusste ich schon, um was geht. Aber dann im Ziel ist es einfach so eine große Erleichterung. Für mich ist es die erste so große Überquerung gewesen. Die Ankunft ist dann schon ein echt cooler Moment, auch unabhängig vom Rennen.
Ich bin jetzt hoch motiviert. Ich habe durch diese 1.200 Meilen viel gelernt, das direkt anzuwenden wäre optimal. Ansonsten würde man natürlich immer gern mehr ausruhen. Nach zehn Tagen mit so wenig Schlaf braucht es schon etwas mehr Erholung, aber das ist für alle so, da sitzen wir im gleichen Boot (lacht).
Wie bist du zum Einhandsegeln gekommen?
Ich bin mehr oder weniger auf dem Schiff meiner Eltern aufgewachsen, es gibt Bilder von mir auf dem Boot, bevor ich überhaupt laufen konnte. Das waren aber immer eher regelmäßige Wochenendausflüge auf dem See. Bis zum Studium bin ich auch nie Regatten gesegelt, aber ich kannte das Mini-Transat.
Meine Eltern machten auch Abenteuer zu zweit oder allein, ich lernte früh mit kleiner Crew zu segeln. Frisch nach der Schule absolvierte ich dann gemeinsam mit einem Freund für ungefähr fünf Monate einen Törn rund um Irland bis zu den Shetland-Inseln und zurück. Dabei war ich über eineinhalb Monate ganz allein, was mich zum Einhandsegeln brachte.
Dann begann ich im Segelteam der Universität Lausanne zu regattieren. Ich kam schnell in Teams rein und war in den letzten drei Jahren dort auf einem M2-Katamaran unterwegs. Seit der Uni habe ich viel gespart, und jetzt haben sich die Sterne für die Mini-Transat zusammengetan (lacht).
Hast du für diese Regatta, die kommendes Jahr startet, ein bestimmtes Ziel?
Ich habe kein Ziel, was die Platzierung angeht. Meine Motivation ist es, das Projekt auf professioneller Basis zu gestalten und herauszufinden, wozu ich fähig bin. Je weiter vorn, desto besser, aber ich setze mir mehr ein Ziel, wie ich das Projekt manage, wie ich lerne und weiterkomme.
Gibt es schon Pläne oder Träume für die Zukunft danach?
Ich konzentriere mich im Moment auf dieses Boot und dieses Projekt, was danach ist, weiß ich nicht. Wenn man in Lorient ist, träumt man schon von den größeren Booten (lacht).
Aber ich will gar nicht so weit schauen. Für neue Möglichkeiten bin ich offen, aber das jetzt zu viel zu projizieren kann auch enttäuschend sein. Ich bin mit dem aktuellen Projekt sehr zufrieden. Ich lerne viel, die Umgebung und die Leute sind noch besser, als ich es mir erhofft hatte. Darum gehe ich bis zur Mini-Transat, gebe mein Bestes, und was dann folgt, werden wir sehen.
Was hast du heute noch erledigt, bevor es morgen wieder aufs Wasser geht?
Ich war unterwegs, um Essen einzukaufen, und danach musste ich noch zwei, drei Dinge auf dem Boot fertigmachen. Dann nur noch das Wetter ein bisschen genauer beobachten, bevor ich schlafen gehe.
Hast du ein bestimmtes Ziel für die zweite Etappe?
Das Ziel ist sicher wieder in erster Linie, die Meilen hinter sich zu bringen. Mein aktueller Platz ist großartig, auch wenn die Bedingungen am Schluss viel mit Glück zu tun hatten. Ich werde nichts gratis hergeben, wenn wir an einem Rennen teilnehmen, geht es eben schon auch um das Resultat. Einen genauen Rang peile ich trotzdem nicht an. Es ist das zweite Mal, das ich das mache, es kann wieder viel passieren. Ich bin gern da draußen, und wenn ich das gut schaffe, kommt das Ergebnis von selbst.
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