Am Samstag könnte der Globe40-Krimi der zweiten Etappe für die Top-Drei zu Ende gehen. Nur: wie? An der Spitze des Feldes sieht es so aus, als würde das atemlose Duell zwischen Ian Lipinski und Amélie Grassi auf Crédit Mutuel und Benoît Hantzperg und Renaud Dehareng vom Team Belgium Ocean Racing – Curium bis ins Ziel anhalten. Am Morgen des 29. Oktober trennte die beiden Teams nach fast vier Wochen keine Meile! Zuletzt hatte wieder die Belgier die Bugspitze knapp vorne.
Die Augen der deutschen Segelfans aber sind auf das Boot hinter ihnen gerichtet: Lennart Burke und Melwin Fink greifen weiter an, haben weiter öfter die druckvolleren Winde auf ihrer Seite. Erstmals konnte das Duo aus Hamburg seinen Rückstand am Mittwoch auf unter 100 Seemeilen drücken. Am 17. Oktober waren es einmal 660 Seemeilen, die Burke und Fink hinter die Spitzenreiter zurückgefallen waren. Davon ist zwölf Tage später bei der spannenden Annäherung nicht mehr viel übrig.
Am Mittwochmorgen konnte das Team Next Generation Boating Around The World in den wechselhaften Bedingungen im Indischen Ozean bei der Annäherung an La Réunion erstmals eine genauere Zielprognose geben. Während Franzosen und Belgier beim jüngsten Positionsupdate um 10 Uhr deutscher Zeit noch 602 Seemeilen bis in den Zielhafen vor sich hatten, waren es für Lennart Burke und Melwin Fink noch 99,6 Seemeilen mehr.
“Wir haben jetzt ein ETA. Das sollte Samstagnachmittag sein”, vermeldete Melwin Fink von See. Da hatte er gerade einen ungeplanten Matseinsatz hinter sich, weil auch der zweite Windgeber ausgefallen war. “Uns blieb nichts anderes übrig, als nun den zweiten auf See zureparieren”, erklärte Lennart Burke. Der MacGyver-Einsatz gelang.
Und weiter ging die Jagd für Lennart Burke und Melwin Fink, deren Blicke auf den vor ihnen tobenden Kampf um den Etappensieg beeindruckt ausfiel. Melwin Fink sagte: “Das Duell vorne ist schon wieder crazy! Die sind sich ordentlich auf die Pelle gerückt. Das ist echt krass. Aber es geht natürlich hier in diesem Flautengebiet auch ganz schnell, wenn man nicht so weit auseinandergerückt ist, dass man sich ständig wiedertrifft.”
Melwin Finks Prognose: “Das wird jetzt auf jeden Fall bis zum Ziel so gehen. Es wird hart für die da vorne. Und wir? Wir werden auch noch einmal ein Stück aufrücken. Es ist sehr, sehr spannend!” Ob Burke und Fink wirklich noch einmal an die beiden Spitzenreiter herankommen können? Melwin Fink sagt: “Es ist nicht unmöglich, aber ist hart, weil es nicht mehr so viele Optionen gibt, an die jetzt noch ranzukommen. Wir können es quasi nur über Bootsspeed machen.”
Es gibt noch einen längeren Downwind. Da können wir noch ein paar Meilen gut machen. Und danach wird wahrscheinlich die Hackordnung stehen.” Melwin Fink
Drei Tage vor dem erwarteten Zieldurchgang ordnete Melwin Fink den Etappenverlauf ein: “Unmöglich ist natürlich nix, aber wir freuen uns auch, wenn wir es schaffen, ganz nah an sie ranzurücken, weil wier so eine krasse Distanz haben. Aber natürlich geben wir alles, sind für alles bereit.”
Die in den vergangenen Tagen Stück für Stück verringerte Distanz sei eine “riesengroße Motivation” fürs Team gewesen. “Wir sind ja schon seit einigen Tagen dabei, die Distanz ordentlich einzukürzen. Da pusht ordentlich. Natürlich wollen wir alles probieren, um noch vorne dabei zu sein. Das macht viel Spaß”, sagte Melwin Fink. Die Strategie für den Endspurt sei klar, so Fink,
Die Taktik ist einfach: keinen Meter liegenlasssen, Vollgas geben, keine Umwege fahren, das Wetter genau beobachten!” Melwin Fink
Die aktuellen Wetterbedingungen beschäftigen die jüngste Crew im Globe40 intensiv. Fink erklärte: “Wir beobachten das Wetter sehr genau, hoffen, dass sich irgendwelche Optionen für uns öffnen oder wir aus den Fehlern lernen können, die vorne gemacht werden. Wir sind sehr, sehr genau am Beobachten und Überlegen.”
Einen Blick zurück warf Melwin Fink am Mittwoch etwa beim 30. Breitengrad Süd auch auf den eigenen Speedrekord, den sein Team mit mehr als 30 Knoten Bootsgeschwindigkeit gerade aufgestellt hat: “Das ist der Wahnsinn mit so einem Boot! Unglaublich, fast schon ein bisschen beängstigend.” Die Spitzengeschwindigkeit sei tatsächlich aber “relativ easy” passiert: “Wir sind einfach mit Code Zero, J2 und dem ersten Reff im Großsegel eine riesengroße Welle runtergesurft. Das ging gut ab…”
Weniger gut ab geht es inzwischen beim Blick auf den restlichen Proviant. “Es ist wie immer am Ende: das gute Essen ist weg. Wir schlagen uns so durch udn freuen uns sehr auf frisches Essen, Salat und auch mal ein schönes Stück Fleisch, um mal wieder etwas Bissfestes zwischen den Zähnen zu haben und nicht nur den Brei, den wir die ganze Zeit essen.”
Für diesen Tag aber hatten die Pasta-Liebhaber Lennart Burke und Melwin Fink noch einen kleinen Höhepunkt in Aussicht: “Wir machen uns ja die ganze Zeit Pasta mit Pesto oder auch Carbonara, als wir noch Eier hatten. Heute gibt es noch die letzte Portion Pasta mit Parmesan und allem, was dazugehört. Eine Zwiebel udn Knoblauch haben wir auch noch. Damit motivieren wir uns jetzt nochmal.”
In der Weiter des Ozeans bewegen die jungen Segler auch übergeordnete Gedanken. Melwin Fink erzählt: “Der Indische Ozean ist noch einmal eine ganz andere, neue Erfahrung. Gerade hier mit den ganzen Strömungen, die wir hier rund ums Kap der Guten Hoffnung haben. Sehr spannend! Das kann sehr unangenehm sein, wie wir festgestellt haben. Aber auch sehr, sehr cool, wenn es dich ordentlich nach vorne pushen kann, je nachdem, aus welche Richtung der Strom gerade kommt. Oder, wie du ihn nehmen kannst.”
Man müsse “sehr, sehr aufmerksam” sein, so Fink. Und weiter: “Es ist gar nicht so wie das Geradeausfahren im Atlantik. Es ist etwas ganz anderes und eine mega Erfahrung. Wir sind stolz, dass wir das jetzt so gut über die Bühne gebracht haben.” Im Globe40 haben inzwischen auch die Verfolger der furiosen Drei das Kap der Guten Hoffnung passiert oder taten es an diesem 29. Oktober gerade. Rund 900 Seemeilen hinter Lennart Burke und Melwin Fink segelten die Brasilianer José Guilherme Caldas und Luiz Bolina auf “Barco Brasil” La Réunion weiter als Vierte entgegen.
Enger geht es rund 300 Seemeilen hinter ihnen im Kampf um Platz fünf zu. Die österreichische Skipperin Lisa Berger und ihr Co-Skipper Jade Edwards-Leaney greifen mit “Wilson Around the World” weiter die Franzosen Thibaut Lefévère und François Martin auf "Free Dom” an. Am Mittwochmorgen trennten die beiden Spitzbug-Class40ies nur rund 35 Seemeilen.
Auch Lisa Berger und Jade Edwards-Leaney konnten in den vergangenen Tagen eindrucksvolle Geschwindigkeiten mit ihrer 2010 gebauten und selbst überholten Akilaria RC2 vermelden. Am 27. Oktober hatte Lisa Berger berichtet: “So ist es, wenn Du von “Los jetzt, Wilson, go, go, go!” auf “Nein, nein, nein, Wilson, bitte stoppen!” umschaltest. Der Seegang war enorm gestern Abend. Letzte Nacht hatten wir durchschnittliche Wellenhöhen von fünf Metern. Immer mal wieder waren einige Wellen auch doppelt so hoch – sehr faszinierend und einschüchternd.”
Weiter erzählte Lisa Berger: “Wilson ist diese riesigen Wellen runtergeflogen. Das hat uns mehrere Male Top-Geschwindigkeiten von über 25 Knoten erreichen lassen. Wilson hat das ganz alleine gemacht, während wir auf die Zahlen auf dem Display starrten und hofften, dass vor ihr genügend Raum für diesen Speed war…”