Im Globe40 halten die Top-Teams sich selbst und die Fans weiter in Atem. Am früheren Abend des 26. Oktober hatten sowohl Team Crédit Mutuel als auch Team Belgium Ocean Racing – Curium noch 1089,7 Seemeilen bis zum Etappenzielhafen zu segeln. Sie lagen derart gleichauf, dass im Tracking die Differenz nicht mehr zeigen konnte. So zeigte der Tracker einfach für beide die gleiche Distanz bis zur Linie. Die Frage: Macht eines der Boote das Rennen auf Etappe zwei und wenn ja, welches? Hier geht es zum Tracking.
Ebenso spannend ist die Frage, ob Lennart Burke und Melwin Fink noch an die beiden Etappen-Dominatoren herankommen? Seine 670 Seemeilen Rückstand am 17. Oktober hat das Team Next Generation Boating Around the World seitdem bis zum späten Sonntagabend in Bestform auf 162 Seemeilen schrumpfen können. Lennart Burke sagt: “Uns geht es soweit bestens. Wir sind fit. Unser Schiff ist auch superfit. Und wir sind richtig happy über die gute Vorbereitung, die wir investiert haben. Vor allem ins Material.
Wir sind noch jung und wild. Wir können noch gut was ab.” Lennart Burke
Die aktuelle Situation auf See in Relation zu den beiden vor dem deutschen Team liegenden Booten beschreibt Burke als “genial”. Seine Erklärung dieser Einschätzung: “Es scheint jetzt nicht ganz so schlimm zu sein, dass wir in der Vergangenheit nicht immer ganz so schnell waren und nicht ganz so viel Glück hatten. Wir können jetzt eigentlich fast alles wieder aufholen. Es könnte also nochmal spannend werden – voll cool. Die vor uns werden immer wieder aufgestoppt von der Flaute und wir können jetzt immer weiter ranrücken – mit Wind.”
Sein Team würde nun fast dauerhaft von wenigstens einer kleinen Brise profitieren, so Burke, der sich aber im aktuellen Revier des Indischen Ozeans auch keine Illusionen macht: “Ich gehe mal davon aus, dass wir auch nochmal in der Flaute liegen. Dann müssen wir sehen, wie wir da rauskommen.” Die Spannung bleibt – und wird weiter steigen.
Es ist ein kleines Pokerspiel. Aber unsere Strategie ist eigentlich, möglichst auf Kurslinie zu bleiben.” Lannart Burke
Der Grund dafür den Verbleib beim kürzesten Kurs ins Ziel ist simpel, wie der gebürtige Stralsunder erklärt, der wie sein Co-Skipper Melwin Fink in Hamburg lebt: “Mit jedem neuen Wetter, das wir runterladen, verändert sich das Routing immer wieder etwas. Ein paar Ausreißer hatten wir schon in den letzten Tagen, als das Routing nochmal weit nach Süden wollte. Oder nochmal straight nach Norden und dann erst nach Osten. Da haben wir uns aber jedes Mal dagegen entschieden, weil es zu riskant ist, jetzt auf dem Weg ins Ziel so weit vom direkten Kurs abzuweichen.”
Stattdessen hangeln sich Burke und Fink etwa beim 36. Breitengrad Süd an der Kurslinie entlang nach La Réunion. Burke sagt: “Das klappt tatsächlich sehr, sehr gut. Bislang waren wir hier immer besser positioniert, als wenn wir noch einmal weit rausgefahren wären.” Physisch und mental ist die jüngste Crew im Globe40-Feld gut drauf, wie sie selbst berichten. An diesem Sonntag hatten sie das Thema auch selbst an Bord auf dem Tisch und konnten feststellen, dass der Umgang mit der langen Dauer der Etappe leichter geworden ist.
“Tatsächlich sind wir jetzt so ein bisschen über den Berg, was die Etappendauer angeht. Gerade die erste und auch die zweite Woche der Etappe waren mental ziemlich hart, weil man wusste, dass man noch so viel vor sich hat. Und so eine lange Zeit auf See verbringen wird. Da hinterfragt man doch schon öfter mal, was man hier macht. Ob das alles Sinn macht und man nicht an Land viel mehr gebraucht wird. Vor allem, weil wir da so ein tolles Team haben, super Firmen und unsere Freundinnen.”
Alle warten auf uns. Und leben ihr Leben – ohne uns.” Lennart Burke
Doch die Crew hat sich mit fortschreitender zweiter Globe40-Etappe “gut an alles gewöhnt”. Lennart Burke sagte: “In der Theorie, wenn man müsste, könnte man jetzt auch noch ein bisschen weitersegeln. Dann müsste man auch diese Nordschleife (Red.: vom Kap der Guten Hoffnung hoch nach La Réunion und dann auf Etappe drei wieder runter) nicht machen, die uns ja ganz schön viele Meilen kostet.”
Auf die Ankunft im Globe40-Etappenhafen von La Réunion freuen sich Lennart Burke und Melwin Fink aber sehr. Burke sagte: “Wir freuen uns aufs Ankommen, auf die ganzen Vorzüge an Land, gutes Essen. Essen ist ein Thema an Bord. Wir sind nicht so richtig warm geworden mit dem Freezedried… Bei den kurzen Etappen ging das immer voll klar. Auch Transat war noch in Ordnung. Jetzt lebt man gefühlt schon seit zwei Monaten mit dem Zeug, aber der Hammer ist es nicht.”
Man zwingt sich das jetzt nur noch rein, weil man weiß, dass man die Energie braucht und sonst keine Leistung bringen kann.” Lennart Burke
Darüber hinaus aber wertschätzen die jungen Weltumsegler ihr Rennen um die Welt. “Wir genießen die Zeit und sind sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, diese Erfahrungen zu sammeln”, sagt Lennart Burke. Worüber sie sich auf dieser Etappe bislang am meisten gefreut haben? Burke denkt ein bisschen länger nach und sagt dann: “Ich glaube, es sind einfach die super Bedingungen, die wir haben. Und dieses extrem wechselnde Wetter.”
Vom Transat erinnern sie eine andere Erfahrung: “Da kannten wir es so: schnell Richtung Süden, durch die harten Zonen, und dann ging es eigentlich nur noch Downwind in Richtung Karibik. Hier ist es wirklich so, dass wir mit jeder mit jeder Front immer wieder anderes Wetter haben. Mal Amwind, mal Reaching, mal Downwind, mal Sturm, mal Flaute – das ist wirklich so ein Durcheinander.”
Als hochinteressant beschreibt Lennart Burke die Erfahrung mit starken Strömungen, die das Team aktuell gerade wieder verlässt. “Das war sehr spannend, wie sich das Meer fast stündlich verändert hat: mal steile Wellen, man fast keine Wellen, Wellen aus fast allen Richtungen, mal ganz lange schöne Wellen. Das war sehr beeindruckend. Ebenso wie die Tierwelt hier draußen auf dem Ozean, mit der wir gar nicht gerechnet hatten.”
Insbesondere in den letzten zwei Wochen wurden die deutschen Globe40-Herausforderer von großen Vogelschwärmen begleitet. “Es sind auch viele Albatrosse dabei”, erzählt Lennart Burke, “wir dachten eigentlich, die wären rar und wir würden sie nur superselten sehen. Tatsächlich aber haben wir in der letzten Woche fast jeden Tag einen Albatross gesehen. Wirklich beeindruckend. Und schön, weil man diese Geschichten sonst immer nur gehört hat. Jetzt darf man das selber alles erleben. Genial.”
Gut vernetzt mit Starlink, können die Globe40-Segler auch verfolgen, wie es beim Mini-Transat oder im gerade gestarteten Transat Café L’Or zugeht. “Wir kriegen alles mit, was da draußen passiert. Echt tragisch mit den Ocean Fifties. Auch echt komisch, dass es so schnell so viel passiert ist, wo man ja echt noch deutlich aufmerksamer segelt als nach einer Woche auf See.”
Es müssen echt höllische Bedingungen gewesen sein.” Lannart Burke
Die beiden Class40-Segler freuen sich insbesondere, das Rennen ihrer Klassenkameraden im Transsat Café L’Or aus der Ferne zu beobachten. Sie hatten das Rennen 2023 selbst bestritten, finden es deshalb “supercool zu wissen, was auf die jetzt zukommt”. Lennart Burke sagt: “Wir hatten damals ähnliche Bedingungen. Es war auch total stürmisch am Anfang und richtig, richtig hart und kalt und nass. Jetzt kann man echt gut mitfühlen. Man weiß genau, was die alle so über sich ergehen lassen. Aber auch, was die alle erwarten wird, wenn sie weiter in den Süden kommen… Das ist schon ein Traum!”
Lennart Burke beschreibt das Transat als “schönes Rennen, hart und fordert”. Er hofft gemeinsam mit Melwin Fink, “es auch möglichst bald wieder einmal segeln zu können. Das Mini-Transat, in dem Burke und Fink einander schon bei der Vorbereitung auf ihre Teilnahme 2021 so gut kennengelernt hatten, dass sie heute Segelpartner, Geschäftspartner und gute Freunde sind, sei dagegen gerade “so ein bisschen langweilig, weil so wenig Wind ist und so wenig passiert”, räumt Burke ein.
Aber, so Lennart Burke: “Wir drücken Hendrik (Red.: gemeint ist Vector-Segler Hendrik Lenz) auf jeden Fall extrem die Daumen. Der hat eine tolle Entwicklung gemacht in den letzten Jahren. Dem sei es gegönnt in den Top Ten zu landen. Und auch allen anderen deutschen Teilnehmern drücken wir die Daumen, denen man sich natürlich verbunden fühlt. Und Roland (Redaktion: gemeint ist der Österreicher Roland Welzig) auch ganz besonders, weil er sein Boot im August noch bei uns auf der Werft hatte.”
Auch allen Vector-Seglern wünschen Lennart Burke und Melwin Fink Erfolg, denn ihr Unternehmen Next Generation Boating hatte im Mai dieses Jahres die Form von Vector gekauft. Die Werft in Polen hatte sie abgeben wollen. “Weil wir so sehr an der Klasse hängen und wollen, dass diese Boote weiter gebaut werden, haben wir gesagt, dass wir die Form übernehmen.”
Die Motivation ist klar, wie Burke mitten im Globe40 glücklich erklärt: “So kann die Klasse beziehungsweise das Vector-Design weiter am Leben bleiben, von dem wir sehr überzeugt sind. Und wenn dann mal jemand ein neues Boot braucht, kann er sich’s bestellen. Auch für größere Reparaturen ist es jetzt interessant, die Form zu haben, um Stücke zu bauen, die man dann in ein Schiff einsetzt. Deshalb sind wir ziemlich glücklich darüber, dass wir jetzt Eigner dieser Form sind und die Möglichkeit haben, Minis zu bauen.”