Für den Globe40-Tracker sind die Abstände zwischen den drei ersten Booten immer noch zu gering, um sie beim ersten Aufruf einzeln zeigen zu können. Erst in der Vergrößerung sieht man Ian Lipinski und Amélie Grassi auf Crédit Mutuel den Kampf der drei Scow-Bug-Boote anführen. Auch die Zwischenstände wiesen dreieinhalb Tage nach dem Start der Etappe von La Réunion nach Sydney am Nachmittag des 25. November die Franzosen als Spitzenreiter im anhaltenden Dreikampf vorne aus.
Gut drei Meilen hinter ihnen folgten Jonas Gerckens und Benoît Hantzperg vom Team Belgium Ocean Racing – Curium. Weitere knapp fünf Meilen dahinter kämpften sich zuletzt Lennart Burke und Melwin Fink über den bei ihnen gerade arg löchrigen Parcours im Indischen Ozean. “Melwin ist gerade dabei, leckere Pasta zu kochen. Und ich versuche, das Boot auf Kurs zu halten”, vermeldete Lennart Burke am Dienstagnachmittag. Das sei es denn auch, was gerade gefordert wäre…
“Der Wind bewegt sich zwischen 0,5 und 1,5 Knoten. Ich denke, dass wir mehr mit der Strömung vorankommen. Gerade haben wir einen Knoten Wind und machen 1,3 Knoten durchs Wasser. Jetzt heißt es also nur, den Bug in die möglichst richtige Richtung zu halten. Das gelingt halt nicht immer…,” sagt Burke. Seine Crew hat – wie auch die Konkurrenz – seit dem Start in diesen flauen Auftakttagen vieles versucht.
“Mal ging es nach Osten, mal nach Südosten, mal nach Süden, weil wir versucht haben, mit unserem Code Zero, mit unserem größten Amwind-Segel, so hoch wie möglich zu segeln. Durch die Winddreher ergab sich dann der Kurs aus Süd-Ost-Süd, manchmal auch Ost. Jetzt drehen wir uns aber mehr oder weniger alle im Kreis. Gerade bewegen wir uns alle nicht. Wir hoffen darauf, dass wir alle wieder gleichzeitig Wind kriegen, sind selber aber etwas verwirrt von der ganzen Situation hier.”
Die jüngste Crew der Globe40-Flotte aus Deutschland hofft, dass sich auch Fortune im Flautenroulette auf ihre Seite gesellt. “Bei wenig Wind war bislang das Glück noch nicht allzu oft auf unserer Seite”, sagt Lennart Burke. Der von Etappenbeginn an klare Plan, maximal schnell nach Süden vorzustoßen, bleibt zwar konstant aktuell, ist aber so leicht in den vorherrschenden Bedingungen nicht umzusetzen. “Wir wollen natürlich so schnell wie möglich nach Süden, versuchen aber gleichzeitig, den schnellsten Weg durch die Flautenlöcher zu finden”, beschreibt Burke den quälend langsamen Balance-Akt.
Hin und wieder machen sie einen Schlag nach Südosten oder nach Osten. “Nur auf keinen Fall nach Westen und auf keinen Fall nach Norden”, sagt Burke lächelnd. Der Grund für die – unter den Umständen – bestmögliche Südorientierung ist klar und auch im Tracking und in den Routings zu sehen: Jenseits des 30. Breitengrades Süd erwartet die Class40-Zweihand-Crews frischer Wind, den sie aktuell etwa beim 27. Breitengrad Süd so schmerzlich vermissen.
“Diese Wind sollten uns dann nach Sydney katapultieren”, weiß nicht nur Lennart Burke. Die Prognose seines Teams Next Generation Boating Around the World: “Es dauert wahrscheinlich noch mindesten 250, 300 Seemeilen, bis wir stabileren Wind bekommen. Das kann man nur in Seemeilen sagen. Die Zeit dafür lässt sich sehr schwer vorhersagen.” Eineinhalb bis zwei Tage könnte das Geduldsspiel noch dauern. “Das ist ziemlich hart. Wir haben heute gesagt, dass es gerade kerniger ist als in den Doldrums”, findet Burke.
In den Doldrums habe es zumindest immer wieder einmal einen Hauch Wind gegeben. Oder eine Wolke, die ein Boot wieder ins Spiel brachte. “Hier steht man einfach nur im Öl”, beschreibt Burke das “Stehsegeln” im Indischen Ozean. Mit der Dümpelei geht auch die “sehr große Sorge” einher, plötzlich zurückzubleiben, wenn bei einem der Konkurrenten mit neu einsetzendem Wind schon wieder mehr Tempo möglich ist.
Lennart Burke erklärt: “Unser Schiff ist auch das schlechteste unter den Scow-Bug-Booten bei wenig Wind. Wir haben extrem viel benetzte Fläche. Unser Heck hängt extrem doll im Wasser. Wir haben gar nicht so viel Gewicht an Bord, um das Heck ordentlich aus dem Wasser zu bekommen. Also kleben wir mehr an der Wasseroberfläche als die anderen. Was auch der Grund ist, warum die uns so ein bisschen enteilt sind. Jetzt drehen wir uns zwar alle im Kreis, aber sobald eine Brise ist, sind die einen Tick schneller als wir.”
Eine Kommunikation unter den drei führenden Globe40-Booten gibt es aktuell trotz Schleichfahrt und der Nähe zueinander nicht. Lennart Burke sagt: “Tatsächlich haben wir im Moment gar keine Kommunikation zu den anderen. Die anderen auch nicht mit sich. Oder auf einem Kanal, von dem wir nichts mitbekommen. Wobei natürlich auch mit den heutigen Netzmöglichkeiten übers Handy miteinander kommunizieren kann. Aber wir sind nicht in Kontakt mit ihnen, was auch nicht so schlimm ist.” Wie das Duo aus Hamburg bei der ersten Weltumseglung in diesem Szenario den Indischen Ozean erlebt?
Der Indische Ozean ist verrückt, wunderschön, total beeindruckend, aber auch sehr, sehr fordernd. Deutlich fordernder als der Atlantik.” Lennart Burke
An Abwechslungsreichtum stehe der Indische Ozeam dem Atlantik nicht nach, so Burke. “Im Atlantik hat man auch die verschiedenen Windzonen und tolle, tolle Segelgebiete. Hier hat man es genauso, nur wirkt hier alles noch etwas wilder, etwas exotischer. Das Wasser ist gerade tiefblau bei 24, 25 Grad. Es ist wunderschön warm. Wir haben bei fast 30 Grad Lufttemperatur richtig tolles Wetter, was das Ganze sehr angenehm macht.”
Das Schlafen an Bord steht bislang für Burke und Fink deutlich auf der Haben-Seite. Sie kommen auf sechs bis acht Stunden am Tag – fast schon ein bisschen Luxus bei einem Rennen um die Welt und ebenfalls den flauen Bedingungen und auch den Möglichkeiten von Zweihand-Crews zu verdanken. Während Burke vom aktuellen Bordgeschehen berichtet, ist gut zu hören, wie die Segel ohne Wind hin- und herschlagen. “Die Dünung ist zu stark, als dass die Segel stehenbleiben können. Das heißt, sie werden immer wieder umhergeworfen.”
Das Zwischenfazit fällt auf der deutschen Class40 nach den ersten Tagen der dritten Globe40-Etappe positiv aus. Burke hält fest: “Dem Boot geht es bestens. Es wurde aber auch noch nicht so wirklich beansprucht. Wir hatten nur einmal kurz 24 bis 28 Knoten Wind nach dem Start, wo wir an der Insel vorbeigeprescht sind. Das war krass, echt wild, aber super für uns. Tolle Bedingungen, um sich einmal kurz nach vorne auf den ersten Platz zu schieben. Aber in der Flaute durften wir das dann wieder abgeben…”
Das könnte sich bald wieder ändern, wie Lennart Burke erklärt: “Wir freuen uns auf den Süden, denn da kommen gute Bedingungen für uns. Viel Donwind hoffentlich. Und auch schnelles Segeln, damit wir schnell in Sydney ankommen. Wir schätzen, dass es ab heute noch 16 bis 18 Tage dauert, bis wir in Sydney sind.”
Zur etwa gleichen Zeit der Beobachtungen von Lennart Burke kommentierte auch Spitzenreiter Ian Lipinski das laufende Rennen. Er notierte: „Seit Beginn des Rennens kämpft eine kleine Gruppen von Booten in dichtem Gedränge um die Führung. In unserer Gruppe sind wir seit dem Start in Sichtweite. Wir haben bereits mehrfach die Poleposition gewechselt. Momentan haben wir einen leichten Vorsprung, aber das kann sich jederzeit ändern.”
Seit zwei Tagen schon sei, so Lipinski, der Südwestseegang deutlich zu spüren. Der “Crédit Mutuel”-Skipper sagt: “Das ist ein Zeichen für die Tiefdruckgebiete, die weiter südlich herrschen. Der Seegang durchbricht die Hochdruckbarriere viel leichter als wir! Die Meeresströmungen sind immer noch spürbar... Wir segeln schließlich nicht auf einem See. Einen schönen Tag noch!"