Schon am Freitag war es Lennart Burke und Melwin Fink nach bisherigem Verlauf der ersten Etappe im Globe40 klar: “Wir werden sie nicht mehr packen können.” Die Erkenntnis galt Ian Lipinski und Antoine Carpentier, die auf Etappe eins davongesegelt waren und am Samstagmorgen als Erste ins Ziel kamen. Nach dem Prolog-Sieg haben die Franzosen nun auch die erste von sechs Etappen um die Welt gewonnen. Einblicke in ihren schnellen und smarten Lauf gaben sie am Vortag hier.
Lennart Burke verneigte sich: “Das ist eine wirkliche Ansage von den beiden. Wir sind total baff. Wir wissen ja, dass die beiden Waffen sind, extrem gute Segler und auch navigatorisch extrem gut drauf. Aber wir hätten echt gedacht, dass wir sie ein bisschen mehr in Schach halten können.” Lipinski und Carpentier hätten “sicher auch ein bisschen Glück gehabt”, aber, so Burke: “Sie haben ein, zwei Sachen zur richtigen Zeit am richtigen Ort richtig gemacht oder richtig entschieden. Das sei ihnen jetzt gegönnt, total geil!”
Burke und Finke selbst segelten dem Ziel am Samstagvormittag in leichtereren Winden zuletzt mit Geschwindigkeiten zwischen zehn und zwölf Knoten entgegen. Dortlich vor ihnen werden voraussichtlich der Belgier Jonas Gerckens und seine Co-Skipperin Djemila Tassin die Linie erreichen. In den Köpfen der jungen deutschen Segler aus Hamburg spukte im Kampf auf der Zielgeraden noch der bei den Kanaren verlorene Spinnaker umher.
“Hätten wir nicht unseren A4 verloren, würde die Situation vielleicht anders aussehen”, sagte Burke. Aber auch die unterschiedlichen Kanaren-Passagen – Burke/Fink und Gerckens/Tassin westlich zwischen Teneriffa und Gran Canaria, Lipinski/Carpentier östlich von Gran Canaria – und der danach küstennähere Kurs der Franzosen haben die Sieger der ersten Etappe im Globe40 beflügelt.
Lennart Burke sagt: “Kein einziges Wettermodell hat vorhergesehen, dass es so gut war, sich bei den Kanaren so zu platzieren wie die beiden. Wir gehen aber davon aus, dass die Situation etwas anders ausgesehen hätte, wenn wir unseren A4 noch gehabt hätten. Weil wir so nun von den Kanaren fast ein Dreiviertel der Strecke bis zum Sperrgebiet eigentlich nur noch mit J1 und Code Zero gesegelt sind. Wo der A2, der große Kite, einfach zu groß war und wir ihn nicht setzen konnten. Das war echt ein bisschen ärgerlich.”
Sein Team, so Burke, habe da viele, viel Meilen verloren. “Ich habe nicht ganz verstanden, warum uns Gerckens nicht da schon überholt hat. Vielleicht hatte er auch Probleme, aber nichts davon erzählt”, vermutete Burke auf dem Weg ins Ziel. Und fügte hinzu: “Wir waren auf jeden Fall viele, viele Stunden viel zu langsam. Das hat uns ganz schön was gekostet.” Im weiteren Verlauf habe sich dann Lipinski gut platzieren können. “Er hatte anderen Wind als wir. Ich gehe davon aus, dass es bis jetzt so geblieben ist, dass er immer besseren Wind, immer bessere Winkel zum Ziel hatte. Unglaublich, aber so spielt das Leben beim Segeln”, hatte Burke am Freitagabend sinniert.
Wir hätten nicht so doof sein und unseren Spi verlieren sollen.” Lennart Burke
Dem verlorenen Spi in harschen Bedingungen sei “ein klitzekleiner Fehler im Bruchteil einer Sekunde” vorangegangen. Burke erzählt: “Es waren Millisekunden, wo das Ding von Bord ging. Ich habe mich einmal umgedreht und weg war es. Das war unglaublich.” Inzwischen ist das Thema verarbeitet. Burkes Erkenntnis: “Es ist ja auch nicht ganz ohne, was wir hier machen. Das ist das Risiko, das wir tragen.”
Balsam auf die Seele war, was aus dem Rückschlag an Land folgte. Einer der Sponsoren habe einen Spendenaufruf innerhalb der Partnergruppe gemacht, erzählt Lennart Burke. “Wir haben ganz tolle Supporter hinter uns. Das hat sich dann plötzlich wie ein Lauffeuer verbreitet. Dann haben sich alle gemeldet. Es sind etwa 20 Sponsoren. Alle haben gesagt, sie sind dabei, uns ein neues Segel zu finanzieren, auch wenn es nicht planmäßig war. Da kam ein bisschen Gänsehaut auf.”
Die jüngste Crew im Feld merkte aber bis in die Schlussphase, dass der A4 fehlt. Burke sagte: “Wir haben viele, viele Stunden bis zu 30 Knoten Wind gehabt, die wir mit dem großen Kite absegeln mussten. Man merkt, dass das Boot ganz schön unter Druck steht. Wie wir viel mehr in die Wellen eintauchen, viel mehr abstoppen.” So konnten die Belgier immer an Burke und Fink dranbleiben, obwohl “Schokoladenbedingungen” für die deutsche Pogo 40 S4 herrschten.
Mit Blick auf die inzwischen vorausliegenden Belgier bewahrheitete sich eine weitere Globe40-Erkenntnis im Team Next Generation Boating Around The World, die Burke aussprach: “Die Belgier sind bei wenig Wind schnell. Es hat uns auch Kopfzerbrechen bereitet wie wir ihn da in Schach halten können. Sie sind in leichten Winden schnell und auch beim Reaching schneller als wir.”
Ihre Antwort auf die Konstellation gaben Burke und Fink, indem sie etwa den Versuch unternahmen, sich von Gerckens/Tassin zu lösen und nach Süden wegzuhalsen. Das lief gut, doch die Belgier folgten bald darauf, ließen keinen deutschen Alleingang zu. Am Freitagabend überholten sie Burke und Fink. Seitdem haben Gerckens/Tassin ihren Vorsprung ausbauen können.
In leichten Winden ging es für beide Globe40-Zweihandcrews dem Ziel entgegen, das Ian Lipinski und Antoine Carptenier auf “Crédit Mutuel” am Samstagvormittag um 10.37 Uhr nach 5 Tagen, 21 Stunden, 37 Minuten und 49 Sekunden schon erreicht hat. Ihre Durchschnittsgeschwindkeit über Grund: 12,14 Knoten.
Was Burke und Fink schon bei diesem Globe40 gelernt haben, formuliert Lennart Burke so: “Man muss ein bisschen seinen eigenen Weg finden, sehr selbstsicher sein und aufs eigene Gefühl vertrauen.” Die Stimmung war an Bord der deutschen Class40 am Samstag gut. “Wir haben gut geschlafen, Melwin hat gestern mal Pasta gekocht, wir sind happy und wir freuen uns riesig auf die Kapverden”, sagte Lennart Burke. Den Etappenstopp will die jüngste Crew im Feld auch nutzen, “um den Kopf frei zu kriegen”. Hier Eindrücke von der Arbeit an Bord.
Die Arbeitsliste, die sie in den Hafen von Mindelo mitbringen, wird nach Schätzung binnen drei Tagen zu erledigen sein. Lennart Burke sagt: “In Cádiz hatte es mit dem Erholen nicht so geklappt. Da hatten wir jeder vielleicht zwei Stunden Zeit für uns, in denen wir nicht viele Termine und Menschen um uns herum hatten und uns entspannen konnten. Jetzt wird es besser werden.”
An der Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen hat sich nach der ersten Etappe nicht viel geändert. Burke sagt: “Ich glaube, das sind unser Durchhaltevermögen und unser Kämpfergeist. Dass wir uns einfach durch alles durchboxen. Das passt auch ein bisschen zu unserem jungen Alter, zu unserem Rookie-Sein. Man merkt schon, dass die anderen sehr viel mehr Erfahrung haben, sehr viel mehr Meilen gutmachen durch taktische oder navigatorische Entscheidungen, wo wir uns dann immer wieder zurückkämpfen müssen durch Power, Powern, Powern. Und Vollgas.”
Wir haben noch einges zu lernen. Aber wir sind jung und haben Bock.”
Auch ein erster kurzer Ausblick auf die zweite Globe40-Etappe, die ihre Herausforderer ab 2. Oktober über rund einen Monat nach La Réunion im Indischen Ozean führen wird, fällt bei den deutschen Seglern positiv aus. Burke sagt: “Wir fühlen uns total wohl an Bord und haben Bock auf vier Wochen auf See.”
Ein kleines Thema aber macht dem 26 Jahre alten gebürtigen Stralsunder dauerhaft zu schaffen. Burke sagt: “Das einzige Problem für mich persönlich ist, dass durch das Salz nichts so richtig trocken wird. Alles bleibt immer so klamm. Gefühlt ist immer alles nass ist, obwohl es eigentlich trocken ist.”
Melwin Fink dagegen muss seine Komfortzone im Bereich Ernährung verlassen. “Bei ihm ist es das gefriergetrocknete Essen”, sagt Burke, “er hat da zu kämpfen, kriegt das Freezedried nicht so gut runter. Er hofft, dass er sich in den vier Wochen noch einmal besser daran gewöhnen kann.” Davor stehen fast zwei Wochen in Mindelo, wo das kapverdische Nationalgericht Cachupa und viele Genüsse mehr für Abwechslung sorgen werden.