Im Endspurt von Etappe hat sich im Globe40 ein faszinierendes Finalszenario zusammengebraut. Lennart Burke und Melwin Fink haben ihren einst riesigen Rückstand von 660 Seemeilen am 17. Oktober in den letzten Tagen enorm schmelzen lassen. Nach 29 Tagen auf See bahnt sich ein packender Dreikampf um die Besetzung der Podiumsplätze an.
Am Tag vor der voraussichtlichen Entscheidung am Samstagabend hat das Team Next Generation Boating Around the World seinen Rückstand auf die französischen Spitzenreiter Ian Lipinski und Amélie Grassi auf “Crédit Mutuel” auf nur noch 15 Seemeilen verkürzt! Sieben Seemeilen trennten Lennart Burke und Melwin Fink am Freitagmorgen nur noch von den Belgiern Benoît Hantzperg und Renaud Dehareng auf Platz zwei!
Hier geht es zum Globe40-Tracker, der alle vier Stunden aktualisiert wird. Ab 50 Seemeilen vor dem Ziel geht die Update-Frequenz auf stündlich hoch. Ab 20 Seemeilen vor dem Ziel wird alle zehn Minuten aktualisiert. “Öfter, wenn es sehr eng wird”, sagte Organisationsleiter Manfred Ramspacher der YACHT auf Anfrage.
An Bord ihrer Pogo 40 S4 geben Lennart Burke und Melwin Fink im Endspurt weiter alles. Knapp 320 Seemeilen hatten Ian Lipinski und Amélie Grassi am Freitagmorgen gegen 10 Uhr noch bis zur Ziellinie vor La Réunion zu segeln. Dabei hatten sie sich von ihrer etwas östlicheren Positionierung zum Dreikampf im Indischen Ozean sichtbar nach Western zur Konkurrenz verholt.
Es kann jeden Moment passierten das wir sie sehen. So crazy!” Melwin Fink
”Wir vermuten, dass sich Ian jetzt vor uns legt. Er war doch noch recht weit im Osten. Er wird versuchen, die gleichen Windbedingungen zu kriegen wie wir. Da kann er erstmal beide verteidigen, weil es zunächst geradeaus geht und es keine großen Unterschiede gibt.”, erklärte Melwin Fink vor dem letzten großen Gefecht. Die deutschen Verfolger wissen auch: Kommt es tatsächlich zum engen Dreikampf vor La Réunion, sind damit neue Chancen verknüpft.
Melwin Fink erklärte am Morgen des 31. Oktober: “Vor der Insel kann Lipinski natürlich nur einen verteidigen. Der andere kann sich dann was überlegen. Mal schauen… Alles ist möglich. Das ist situationsabhängig. Wir müssen gut reagieren, einen kühlen Kopf bewahren und dann schauen, was wir draus machen. Sagen wir mal so: Wir können es nicht verlieren.”
Dass die jüngste Crew bei dieser Weltumseglung für Class40-Zweihandcrews nach dem riesigen Rückstand im Atlantik wieder so nah an die Dominaten der zweiten Etappe im Globe40 heranrücken konnte, ist beeindruckend. “Der aktuelle Stand ist natürlich verrückt”, sagt Melwin Fink, “wir hatten wirklich sehr, sehr gute Bedingungen und auch viel Glück. Wir haben immer gepusht – und das zahlt sich gerade aus. Ich glaube, die Karten sind jetzt gerade neu gemischt worden.”
Wir haben unsere Chancen genutzt und nie den Glauben verloren, dass es nach vorne gehen kann.” Melwin Fink
Der aktuelle Plan an diesem Freitag war aus Sicht von Melwin Fink am Freitagmorgen klar: “Es geht jetzt erstmal mit Vollspeed Richtung Insel. Taktisch ist es jetzt schwierig, was zu machen. Wir haben noch ganz guten Wind, fahren mit zwölf bis 14 Knoten Speed. Das werden die anderen auch gerade machen. Dazu sind wir jetzt zu nahe beeieinander, um verschiedene Wettersituationen zu haben.”
Der finale Kampf dürfte vor La Réunion steigen. “Es wird sich jetzt auf jeden Fall bei der Insel entscheiden”, sagt auch Melwin Fink. Seine Einschätzung: “Da ist mit großen Abdeckungen von der Insel zu rechnen. Es wird dort viel Flaute geben. Es wird kleine Windfelder geben. Dann mal schauen, wer dort das Rennen macht…”
Ihren Angriffsmodus haben Lennart Burke und Melwin Fink schon vor Tagen “aktiviert”. Melwin Fink sagte: “Jetzt zum Ende hin steigt die Motivation immer mehr. Zum einen fürs schnelle Ankommen, zum anderen, um das Beste aus der Situation hier zu machen. Die Möglichkeiten sind da. Vor allem jetzt, da es darum geht, wer hier beim Topfschlagen gewinnt. Jetzt gerade können wir schnell segeln. Und dann müssen wir uns gut anstellen bei der Insel.”
Die Segelgarderobe für den Globe40-Dreikampf lässt aktuelle auf der deutschen Class40 nichts zu wünschen übrig. Melwin Fink berichtete: “Es ist aktuell ein ständiger Wechsel zwischen unserem Spinnaker und dem Code Zero. Die beiden Segel leisten sehr, sehr gute Arbeit. Es geht gerade sehr darum, aufmerksam zu sein, die Segel immer neu einzustellen, kurz anzupassen. Hier ist gerade viel, viel Action. Wir haben in der Nacht vier, fünf Segelwechsel gemacht. Und die müssen auch immer flutschen. Mit chilligen Segelwechseln, wie wir es in der Flaute gemacht haben, ist hier nicht mehr. Sondern: Ein Segel wird ins andere gesetzt, das andere wird dann runtergenommen.”
Ob seine Crew mit Blick auf die gigantische Aufholjagd nun im Endspurt der zweiten Globe40-Etappe einen psychologischen Vorteil genießt? Melwin Fink bejaht: “Wir haben bestimmt einen psychologischen Vorteil, weil wir uns das Ganze von hinten angucken können. Ganz besonders spannend wird es – glaube ich – bei der Insel, wenn wir von hinten aufschließen können. Weil wir dann ein bisschen beobachten können, wie die Probleme sein werden.”
Die Prognose für die Entscheidung verheißt einen packenden Schlusskrimi, wie Melwin Fink mit Worten skizziert: “So etwa 15 bis 20 Seemeilen vor der Insel werden wir dann langsam werden. Unser jüngstes ETA ist wahrscheinlich morgen Abend (Redaktion: 1. November) zwischen 20 und 24 Uhr Ortszeit. Also früher Abend UTC. Wenn alles nach Plan läuft. Es kann natürlich auch sein, dass wir da stundenlang abparken und mitten in der Nacht ankommen.”
Die aktuelle Situation würzt Class40-Schwergewicht Ian Lipinski mit seinem bekannten Humor. Er hat seinen jungen deutschen Herausforderern auch an diesem 31. Oktober gleich morgens eine Botschaft zukommen lassen. Melwin Fink erzählt: “Er hat uns heute morgen eine Nachricht geschrieben und meinte, dass es sehr toll war, unser Comeback zu beobachten, wir jetzt aber sofort aufhören sollen mit dem, was wir hier gerade machen. Die sind auf jeden Fall angespannt und freuen sich, glaube ich, auch aufs Finale. Aber die hätten wahrscheinlich lieber ein entspanntes Finish.”
So ist es. Die “Crédit Mutuel”-Crew wusste schon am Donnerstag, “dass der Nervenkrieg begonnen hat und droht, bis ins Ziel zu dauern”. Da hatte Lipinski notiert: “Man wartet auf die Freunde, die mit hartem Wind ankommen, bis sie auch in die ruhige Wand fahren.” Lipinski hielt fest: “Die Deutschen werden an der letzten Schlacht teilnehmen, die an der Réunion-Front gespielt werden könnte.”
Es könnte im Elfmeterschießen enden.” Ian Lipinski