Weniger Wind, aber noch ordentlich Welle: So sieht das aktuelle Szenario für den auf den 4. September verschobenen Globe40-Start aus. Stürmische Windprognosen hatten die Veranstalter am Wochenende dazu bewogen, den ursprünglich für den 31. August geplanten Start um vier Tage zu verschieben. Jetzt sind die Vorzeichen andere. “Das Wetter sieht so aus, als könne es ein leichtwindiger Rennauftakt werden”, sagte Melwin Fink.
Gemeinsam mit seinem Co-Skipper Lennart Burke rechnet Fink mit einem möglicherweise zähen Start, sagte: “Wir müssen uns wahrscheinlich in leichten Winden an die spanische Küste kämpfen und auf Downwind-Bedingungen hoffen, so wie es jetzt gerade aussieht. Doch die Bedingungen ändern sich noch mit jedem Wetterbericht. Das ist noch nicht so verlässlich.” Dem deutschen Duo kam die Startverschiebung nicht ganz ungelegen, auch wenn Fink und Burke am Sonntag startklar gewesen wären.
Melwin Fink sagte: “Die Verschiebung hat noch etwas Ruhe gebracht, um sich nochmal zu entspannen. Wir hatten ein paar Motorprobleme. Die hatten unsere technische Vorbereitung ein bisschen nach hinten geworfen. Aber wir hatten das Boot am Samstagnachmittag rennfertig, hätten starten können.”
Was war los mit dem Motor? Lennart Burke erklärt: “Es gab viele kleine Probleme! Gefühlt haben wir alle Anbauteile vom Motorblock neu gemacht. Da ist recht viel kaputt gewesen. Dann waren die Bolzen kaputt, die den Motor halten. Der Motor stand schon wieder nur auf einem Bolzen. Jetzt haben die Jungs das alles ausgetauscht und neu eingestellt. Jetzt rüttelt er die erste Zeit erstmal nichts mehr.”
Auf den Motor müssen sich die angehenden Weltumsegler beim Ein- und Auslaufen in den Globe40-Häfen über den Prolog und weitere sechs Etappen ebenso verlassen können wie in eventuellen Notfällen. “Dann ist er für die Energieversorgung wichtig. Jetzt ist alles rechtzeitig geregelt”, erklärt Lennart Burke. Dazu sagte er: “Wir haben eine Brennstoffzelle, einen Hydrogenerator und Solarpanele auf dem Dach, aber wer weiß, was passiert.”
Der anstehende Prolog zum Globe40 erlaubt eine Besonderheit: Die Zweihand-Crews dürfen bis zu zwei weitere Segler mit an Bord nehmen. Burke und Fink nutzen die Chance, gehen mit dem Eigner ihrer Class40, Joachim Wünning, und Sebastian Dziwisch in den mit Faktor 0.5 in die Wertung eingehenden ersten Abschnitt von Lorient nach Cádiz. Beide “Gastsegler” sind erfahrene Atlantik-Überquerer.
Das Team Next Generation Boating – Around the World bereitet sich seit zehn Tagen in Lorients berühmter Offshore-Wiege La Base auf den Start vor. Ob sie in diesen Tagen vielleicht noch etwas über ihre Konkurrenten gelernt haben, das sie zuvor nicht wussten? Melwin Fink sagte: “Wir haben zumindest alle kennengelernt. Unsere härtesten Konkurrenten kannten wir ja schon: Das sind Ian Lipinski und Jonas Gerckens.”
Aber auch die anderen Teams seien gut vorbereitet, so die deutschen Herausforderer. Melwin Fink sagte: “Die starten alle nicht auf dem Baum, auch wenn sie ein bisschen ältere Boote haben”. Dazu erklärte der erst 23 Jahre alte Mini-Transat-Dritte von 2021: “Das kann ein Vorteil ist für uns sein, aber in schlimmen Bedingungen auch Vorteil für die anderen werden, weil die alten Class40ies ja doch noch stabiler sind als die neuen. Die alten Boote sind jetzt bei diesem Rennen nicht von der Hand zu weisen.”
Boris Herrmanns Mitstreiterin Cole Brauer hat die Welt – wie auch der Herrmann selbst, der Lennart Burke und Melwin Fink auf Kurs Globe40 beflügelt hatte– schon auf einer Class40 umsegelt. Am Wochenende sagte sie beim sie beim Etappenstopp des Ocean Race Europe in Nizza, dass vor allem die älteren Class40-Modelle zu den “am schwierigsten zu segelnden Booten” zählen. Ihr Bild beschrieb sie mit einem Lächeln: “Diese Boote um die Welt zu segeln, das ist wie Arabisch lernen. Und ich bin Amerikanerin, lerne Sprachen nicht so schnell. Imocas segeln zu lernen, das ist eher wie Spanisch lernen. Das Lernen ist machbar, auch wenn du fokussiert bleiben musst.”
Lennart Burke sagte zu Cole Brauers Einschätzung: “Wir können es noch nicht so richtig beurteilen, weil wir noch nie in Gefilden waren, in denen sie schon gesegelt ist. Ich denke aber auch nicht, dass wir in solche Bedingungen kommen wie Cole Brauer, die doch deutlich weiter im Süden war als wir mit unseren Stopps im Globe40 kommen werden.”
Burkes Einschätzung zur Herausforderung der Zweihand-Weltumseglung Globe40: “Die neuen Boote segeln stabiler, sind aber deswegen natürlich auch anfälliger, was Strukturprobleme und Probleme generell mit dem Material angeht, weil durch die höheren Geschwindigkeiten alles deutlich mehr belastet wird.” Die Folge daraus ist den deutschen Class40-Seglern für ihren Kurs um die Welt klar.
Melwin Fink sagt: “Ich denke, man muss sehr aufmerksam sein, immer mit Bedacht aufs Material agieren. Man kann das Rennen nicht so segeln, wie wir ein Fastnet-Rennen segeln würden: also von Anfang an das Gaspedal durchdrücken und danach Wunden lecken. Wir müssen halt mit den Booten 30 Tage durchhalten können…” Ob die Intensität des Vorwärtsdranges auch davon abhängt, wie es die beiden Top-Favoritenteams um Ian Lipinski und Jonas Gerckens angehen?
“Den Gedankengang gibt es zum einen”, sagt Lennart Burke, “zum anderen aber auch den, dass sie bei so einer Aktion ihr Boot kaputtmachen und wir ganz gemütlich an ihnen vorbeifahren können. Man darf auf jeden Fall nicht den Überblick und den Anschluss verlieren.”
Die Hilfe von außen ist für die Globe40-Segler sehr ähnlich wie in der Vendée Globe geregelt. Lennart Burke erklärt: “Technische Hilfe ist uns erlaubt. Wenn technisch etwas kaputtgeht, können wir zuhause anrufen und uns das erklären lassen. Aber mit Blick auf Wetter und Routing ist keinerlei Kommunikation gestattet. Wir dürfen unsere Wetterfiles runterladen, müssen dann aber alles selber an Bord verarbeiten und Entscheidungen treffen.”
Das Globe40-Team Germany lädt seine Wetterdaten wie die Mehrheit der Zweihand-Crews im Globe40 von Squid Sailing runter. Melwin Fink weiß: “Es gibt verschiedene Anbieter, aber ich glaube, fast alle benutzen Squid. Für uns bietet Squid das übersichtlichste Angebot. Man kann das auch direkt mit dem Navi-Programm verknüpfen. Grundsätzlich dürfen wir auf alle gängigen und auch lokale Wetteranbieter zugreifen, die frei verfügbar sind. Sie müssen nur kommentarlos sein.”
Ob es außerhalb der Podiumskandidaten, zu denen auch Lennart Burke und Melwin Fink zählen, weitere Boote mit Potenzial für Top-Platzierungen im Globe40 gibt? Lennart Burke sagt: “Welches Boot ich nicht von der Hand weisen würde, ist das brasilianische. Das ist ein Boot nicht der neuesten, aber einer Generation davor. Das würde ich auch als durchaus geeignet für das Rennen sehen. Da ist spannend, was die machen. Und es sind auch ein paar dabei, die das Rennen schon mal gesegelt sind und vielleicht auch genau wissen, was man braucht oder vielleicht auch nicht braucht.”
Generell, so Fink und Burke, sei keines der Globe40-Teams davon auszuschließen, einen Coup zu landen oder Ärger im Sinne von starker Konkurrenz machen zu können. “Ich würde niemanden davon ausschließen, für eine Überraschung sorgen oder Ärger machen zu können”, sagte Melwin Fink. “Gerade jetzt im Prolog von Lorient nach Cádiz werden wir wahrscheinlich Bedingungen haben, die ein altes Boot – insbesondere beim Leichtwind- und Amwindsegeln – nicht unbedingt benachteiligen.”
“Der Prolog wird sich mit Sicherheit eine kleine Hackordnung kreieren. Da will man natürlich möglichst weit vorne dabei sein.” Melwin Fink
Wie wichtig es wäre, mit einer Top-Platzierung ins Globe40 zu starten? Lennart Burke sagt: “Es mag nur ein Faktor von 0,5 sein, mit dem der Prolog in die Wertung einfließt, aber am Ende kann jeder Punkt wichtig sein. Außerdem ist es wahrscheinlich auch sehr wichtig fürs Mentale, am Anfang gut reinzustarten.” Also in den Top-Drei? “Alles andere würde uns, glaube ich, schon ein bisschen enttäuschen”, sagt Fink. “Top-Drei wäre schon schön”, sagt auch Lennart Burke.
Auf ihrer Haben-Seite wissen die in Hamburg lebenden Segler ihre “sehr großen Vorteile im Downwind-VMG-Racing”. Auch im Reaching seien sie gut, “vielleicht sogar sehr gut”. Diese Schokoladenseiten bezahlen sie mit Einbußen bei der Amwind-Leistung. Die deutsche Class40 mit der Nummer 189 ist so bereit wie ihre Crew für den Ritt um die Welt.
Melwin Fink sagte am Donnerstag in Lorient: “Unser Boot, würde ich sagen, ist 1a vorbereitet. Auch dank unserer Jungs, die noch bis Sonntag hier gewesen sind. Da haben wir tolle Unterstützung von Markus, Simon und Julius, unserem Segelmacher, bekommen. Das war sehr wichtig, weil wir durch die Motorarbeiten etwa drei Tage in der Arbeit zurückhingen. Das konnten wir alles nachholen. Also kann es jetzt losgehen.” Der Startschuss zum Globe40 fällt am Donnerstag um 16 Uhr vor Lorient. Die Boote bereits um 14 Uhr aus.