Seit 77 Tagen läuft das Globe40. Es begann am 31. August mit dem Prolog von Lorient nach Cádiz. Es folgten die ersten beiden Etappen nach Mindelo auf den Kapverden und nach La Réunion im Indischen Ozean. Nach ihrer von Boris Herrmann beflügelten Last-Minute-Entscheidung pro Weltumseglung und nur drei Monaten Vorbereitungszeit, sind Lennart Burke und Melwin Fink mit ihrem Team Next Generation Boating Around the World glückliche Zweite im Zwischenklassement.
Noch in aller Munde ist das Krimifinale von La Réunion, als die ersten drei Boote binnen weniger als zehn Minuten ins Ziel kamen. Lennart Burke und Melwin Fink waren auf Etappe zwei schon um mehr als 650 Seemeilen zurückgefallen, bis ihnen bei ihrer ersten Passage des Kaps der Guten Hoffnung und schließlich im Indischen Ozean ein furioses Comeback gelang. Es führte die jüngste Crew im Rennen im Schlussspurt noch auf den Silberrang. Hier geht es zu den detaillierten Ergebnissen von Etappe zwei im Globe40.
Mit weniger als zwei Minuten Vorsprung konnten Burke und Fink den großen Rennfavoriten Ian Lipinski und Amélie Grassi auf Rang drei verweisen. Dieser eine Rang besser auf der mit mehr als 8000 über Grund gesegelten längsten Etappe des Globe40 brachte Team Germany auch Platz zwei im Zwischenstand. Ein Drittel der Punkte der Weltumseglung mit acht Teams sind vergeben. Obwohl Ian Lipinski erst mit Antoine Carpentier den Prolog und auch Etappe eins gewonnen hatte, liegt er mit “Crédit Mutuel” bei 10,5 Punkten einen halben Zähler hinter den Deutschen (10 Punkte) auf Platz drei.
Weil die lange dritte Etappe dreifach zählte, katapultierten Benoit Hantzperg und Renaud Dehareng ihr Team Belgium Ocean Racing – Curium nach den vorherigen Rängen drei und zwei mit dem Etappensieg nach La Réunion und bislang nur 6,5 Punkten an Position eins in der Globe40-Wertung. So sind die Karten vor dem Start von Etappe drei verteilt. “Es ist fast wie ein Neubeginn, gut fürs Rennen”, sagte Melwin Fink. Hier geht es zum Zwischenstand im Globe 40 nach dem Prolog und den ersten beiden Etappen.
Sein Team Next Generation Boating Around the World hatte direkt im Anschluss an die fast 30 Tage währende Etappe eine Woche Arbeit ins eigene Boot gesteckt, bevor ein paar freie Tage folgten. Im Gegensatz zu den anderen beiden Top-Drei-Crews haben sie keine Präparateure, können sich bei knappem Budget auch nicht leisten, zu jedem Zwischenstopp im Globe40 Techniker einfliegen zu lassen. “Vielleicht nach Sydney”, hofft Fink.
Die Sponsorings für Burke und Fink sind teilweise gesplittet, fließen in zeitlich festgelegten Intervallen ans einzige deutsche Team im Globe40. Mit insgesamt unter einer halben Million Euro müssen Burke und Fink streng haushalten bei ihrer ersten Weltumseglung. “Wir packen das auf jeden Fall. Wir müssen jetzt noch die zwei Monate in diesem Jahr überstehen. Nächstes Jahr wird es wieder ein bisschen besser. Dann kommen die nächsten Teilzahlungen. Dann sind wir wieder etwas liquider. Aber es ist schon ganz schön krass”, spiegelt Fink die Realität wieder.
Was hilft, ist das eigene Unternehmen, wie Lennart Burke erzählt: “Wir sind sehr froh, dass wir unsere Werft haben, die ein bisschen was immer mal vorfinanzieren kann. Aber nicht so, dass wir hier immer lustig weitermachen. Das muss natürlich immer schnell zurückfließen. Wir sind ja noch eine ganz junge Werft und gründen gerade noch eine zweite Werft. Die bauen wir gerade mit Rasmus Töpsch zusammen in Kiel auf.”
In der deutschen Sailing City schreitet der Aufbau auch in Abwesenheit der Weltumsegler voran. Lennart Burke sagt: “Die Halle ist als Neubau noch in Fertigstellung, aber es geht los. Erstaunlicherweise mal wieder sehr rasant, so typisch Lennart und Melwin. Das erste Schiff ist schon in der Halle. Die nächsten drei kommen nächste Woche rein. Tolle Kunden, tolle Projekte, tolle Aufgaben. Wir haben da schon den ganzen Winter Arbeit.”
Man könnte meinen, die beiden Youngster haben alleine mit der laufenden Weltumseglung eine riesige Herausforderung zu meistern, doch das Multitasking “made in Germany” bleibt ihr Markenzeichen. Das Globe40 dauert noch bis Mitte April 2026, wenn es im Start- und Zielhafen Lorient endet. Burke und Fink sind sich ihrer Lage beim Segeln bewusst, gehen mit ihrem Material nicht übervorsichtig, aber sehr sorgsam um.
Entsprechend überschaubar waren die “Baustellen” trotz fast 30 Tagen auf See geblieben, die das Team in Eigenarbeit im Etappenhafen auf La Réunion zu beheben hatte. “Das meiste war Maintenance, die Winschen sahen grausam aus”, so Melwin Fink. Unter anderem hier haben die Freundinnen der beiden Segler intensiv mit angepackt.
“Ellie und Emilia haben alle Winschen in mühevoller Kleinarbeit gewartet. Dann haben wir Tauwerk getauscht. Also die Ruderdownholer. Die haben jetzt ein paar Meilen. Wir haben am Spifall was umgespleisst, damit eine Stelle nicht so scheuern kann. Wir haben eine Stelle, die immer unter Belastung war, verschoben, damit die nicht kaputtgehen kann”, erklärt Melwin Fink.
Dazu hat das Team Kleinigkeiten an seinen Segeln gemacht, Scheuerstellen beim Segelmacher nacharbeiten lassen und das Großsegel an den Stellen verstärkt, wo es an der Sailing scheuert. “Da hatten sich auch schon Scheuerstellen gebildet”, erklärt Melwin Fink, “eigentlich alles Reaktionen auf ganz normalen Verschleiß.” Man habe keinerlei Strukturprobleme. Nur ein Support von einem Ruderblatt sei abgebrochen. Den hat Bootsbaumeister Markus “Porky” Mehlen in der Heimat neu gebaut, bevor er von Lennart Burke angepasst und montiert wurde.
Am Montagmorgen geht es auf La Réunion zum Segelmacher. “Da checken wir einmal die Reparaturen unserer Segel”, sagt Lennart Burke. Sein Team kann sich auch über die reparierte Bordheizung freuen, der sich der Inhaber von Luxury Marine und Yachtmakler Ben Vaes auf La Réunion angenommen hatte. Der Vater von Lennart Burkes Lebensgefährtin unterstützt die Mannschaft vor Ort. Gemeinsam haben sie nach der Überholung der Class40 in kleinen und großen Gruppen auch La Réunion erkundet.
“Es ist eine richtig coole Insel. Ich bin total beeindruckt”, erzählt Burke nach den Ausflügen auf der Insel im Indischen Ozean. Burke sagt: “Das Klima ist sehr angenehm, was sicher auch an der Jahreszeit liegt, denn hier geht es gerade vom Winter in den Sommer. Wunderschöne Natur, supergrün. Gestern haben wir eine Tour gemacht. Da sagte der Guide, es gibt auf der Insel bis zu 200 verschiedene Mikroklimas.”
Die Vegetationsformen reichten, so Burke, von “kahler Lavalandschaft” über “wunderschönen tropischen Wald” bis zu “tollen weißen Sandstränden”. Eine 85-Meter-Klippe haben sie sich beim gemeinsamen Trip nacheinander abgeseilt. Die Erinnerungen bleiben, doch in wenigen Tagen übernimmt wieder die Weltumseglung die Regie, wenn am 21. November der Startschuss zur dritten Etappe nach Sydney fällt.
Was sie bislang über ihre zwei härtesten Konkurrenten gelernt haben? “Ich glaube, dass Ian Lipinski strategisch am besten dasteht, die meiste Erfahrung hat”, sagt Lennart Burke. Melwin Fink ergänzt: “Ich würde sagen, die Belgier haben das beste Boot. Deren Design ist beim Reaching das Beste und Upwind kann das Ding auch sehr gut. Bei Leichtwind ist es okay, besser als wir beiden anderen.” Hinzu käme, so Burke und Fink, dass bei den Belgiern der Hauptsponsor Teil des Segel-Teams sei, das über ein großzügiges Budget verfüge.
Angesichts der eng umkämpften Podiumsplätze sagt Mewlin Fink: “Entschieden ist im Globe40 noch gar nichts. Wir sind alle so dicht beeinander. Was man sagen muss, ist, dass die beiden (Red.: Crédit Mutuel, Belgium Ocean Racing – Curium) sehr viel gepusht und auch viele technische Probleme verursacht haben. Vielleicht keine, die sie jetzt während der Etappe Performance gekostet haben, aber die Boote waren schon sehr mitgenommen.”
Hier sehen Burke und Fink einen großen Unterschied zwischen Franzosen, Belgiern und ihrem Team. Fink sagt: “Wir sind das Gegenteil gewesen. Wir haben auch stark gepusht, aber auch aufs Material aufgepasst. In bestimmten Momenten haben wir dann mal einen Gang rausgenommen und die halt nicht. Ich glaube, sie gehen bisher mehr Risiko ein, weil sie es sich erlauben können. Die Frage ist halt, bis zu welchem Grad sie es sich erlauben können. Aber sie hatten schon bessere Startbedingungen, während wir ein bisschen vorsichtiger sein müssen.”
Es gibt auch Materialermüdung, die du nicht sehen kannst.” Lennart Burke
Zu einem Nachteil fürs Team Next Generation Boating Around the World habe die bisherige Herangehensweise allerdings nicht geführt. “Das hat man ja gesehen”, so Fink mit Blick auf die bisherigen Ergebnisse, insbesondere Rang zwei in Etappe zwei, “es bleibt sehr spannend, was die nächsten Etappen passiert, aber wir werden uns treu bleiben.”
Mit dem eigenen Boot, der Pogo 40 S4, ist die nächste Generation bislang sehr zufrieden. Burke sagt: “Wir haben ganz großes Vertrauen zu unserem Boot, kennen es superlange. Wir sind eins mit dem Boot geworden, kennen jedes Deteil, jede Schraube. Wir können das Boot dadurch gut kontrollieren.”
Wir hören Probleme. Wenn es dem Boot nicht gut geht, sagt es uns das.” Melwin Fink
Insbesondere ihr etwas fragiles und detailreiches Rudersystem haben Burke und Fink unter Dauerbeobachtung. “Es ist nicht das beste. Da müssen wir immer gut schauen, gut kontrollieren, viel austauschen. Da haben wir viel kaputtgemacht in der Vergangenheit, wissen also genau, was kaputtgehen kann”, weiß Melwin Fink. Warum sie das System nicht vor der Weltumseglung ausgetauscht oder umgebaut haben? “Dafür hatten wir einfach keine Zeit und kein Geld, aber wir tauschen regelmäßig aus und haben nun auch keine Probleme mehr”, sagt Lennart Burke.
Wenn am kommenden Freitag der Startschuss zu Etappe drei fällt, erwartet die acht Globe40-Crews ein voraussichtlich flauer Start. Auf dem Kurs nach Sydney dürfen sie anfangs runter bis an den 46., später sogar bis zum 48. Breitengrad Süd. “Das werden wir dann auch tun, wenn es geht”, sagt Melwin Fink. Das Ziel ist klar: Sydney mit der bestmöglichen Platzierung zu erreichen und Weihnachten dort im australischen Sommer zu feiern. In der ehemaligen Olympiametropole ist auch ein größerer Refit für das Boot geplant.
Unter anderem wollen sie den Mast ziehen und kontrollieren. “Wenn wir es schaffen, noch ein bisschen Unterstützung zu finden, dann werden wir auch zwei Bootsbauer kommen lassen, sonst wird das eine ganz harte Nummer”, ahnt Melwin Fink. Davor aber steht Etappe drei. Fink sagt: “Alles ist möglich, aber wir müssen uns treu bleiben. Das, was wir die letzten drei Etappen gemacht haben, müssen wir fortsetzen. Das war unser Erfolgskonzept, so machen wir jetzt weiter.”
Mit Gruß an die Rivalen setzt Melwin Fink noch nach: “Wenn die anderen meinen, dass sie wieder Speedrekorde aufstellen müssen, dann sollen sie das machen. Und wenn wir das dem Boot zumuten können, werden wir das auch machen. Aber wir haben einen sehr tiefen Einblick in die Technik von unserem Boot. Das haben die anderen auch nicht so. Die geben bei ihren Präparateuren Listen ab und sind dann drei Wochen im Urlaub. Wir kennen jedes Teil selber und können das, glaube ich, ganz gut abschätzen.”
Auch für Lennart Burke ist die weitere Globe40-Marschroute klar: “Bodenständig bleiben, authentisch. Nicht denken, jetzt plötzlich der beste Segler zu sein, nur weil man mal Zweiter auf einer großen Etappe geworden ist. Weiter Spaß an der Sache haben.” Melwin Fink ergänzt: “Wir haben es mit drei Monaten Vorbereitung geschafft, diese Weltumseglung auf die Beine zu stellen. Wenn wir rumkommen, dann haben wir etwas geschafft, was nur einer Handvoll Leute in Deutschland auf eigenen Beinen gelungen ist. Dann hätten wir für die erste Weltumseglung schon ein großes Ziel erreicht.”
Das Schönste wäre natürlich, wenn wir das Rennen gewinnen würden. Aber das Schlimmste wäre, wenn wir das Rennen abbrechen müssen.” Melwin Fink