Etappe eins im Mini-Transat 2021"Sucht Schutz!"

Tatjana Pokorny

 · 01.10.2021

Etappe eins im Mini-Transat 2021: "Sucht Schutz!"Foto: Mini-Transat 2021/Live-Tracker
Die Windprognose für die Kap-Finisterre-Region am Sonntag, 2 Uhr morgens: brutalste Bedingungen auch für die sehr seegängigen Minis

Nach der Flautenfalle droht der Härtetest: Am Kap Finisterre braut sich ein Sturm zusammen, der die Mini-Transat-Flotte ab Samstag schwer treffen könnte

Segelflucht nach Süden oder umgehend und schnellstmöglich einen Schutzhafen anlaufen? Diese Entscheidung hatten und haben die Minisegler heute angesichts der beängstigenden Windprognosen für das Revier um Kap Finisterre zu treffen. Viele Solisten haben sie bereits gefällt. Immer mehr Teilnehmer laufen Nothäfen wie A Corunã, Baiona oder Camariña an. Nicht ohne Grund hatten die Organisatoren schon die eigene Tageszusammenfassung am Freitag mit diesem Titel überschrieben: "Sucht Schutz!" Am Freitagabend segelte das zuvor der Flaute entkommende Spitzen-Quartett mit dem führenden Pierre Le Roy auf "Teamwork", Tanguy Bouroullec auf "Tollec MP / Pogo", Fabio Muzzolini auf "Tartine sans Beurre" und Irina Gracheva auf "Path" weiter mit großem Vorsprung vor dem Verfolgerfeld auf Kurs Süd.

  Die schnelle Irina Gracheva gehörte mit ihrem legendären Proto "Path" am Freitag dem Spitzenquartett anFoto: Minitransat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Die schnelle Irina Gracheva gehörte mit ihrem legendären Proto "Path" am Freitag dem Spitzenquartett an

Der Grund für die intensiven Warnungen an die Mini-Transat-Flotte nähert sich schnell: Ein brutales Tiefdruckgebiet bedroht die Flotte, wird bereits am Samstagmorgen für dann zunehmend unwirtliche Bedingungen bei Kap Finisterre sorgen und könnte bis zum frühen Sonntagmorgen seinen höllischen Höhepunkt mit Winden von mehr als 50 Knoten erreichen. Im Prinzip bleibt den Seglern und Seglerinnen eine Nacht zur Rettung – entweder durch das Anlaufen eines Nothafens oder durch die Flucht möglichst weit nach Süden, fort vom Auge des Sturms. "Es ist ein Monstertief, das Südweststurm bringt", erklärt der ehemalige Mini-Transat-Teilnehmer und besorgte Beobachter Jan Heinze. Der Hamburger Unternehmer und Mini-Transat-Buchautor erklärt: "Weil dieser Sturm auch noch gegen die Strömung läuft, die von Nord nach Süd drückt, ist mit Horror-Bedingungen zu rechnen. Wer weitersegelt, geht starke Risiken ein. Dieser Sturm aus Süd gegen die Strömung aus Nord – und das Ganze direkt über dem Kontinentalschelf – kann aus der Atlantik-Dünung eine steile, brechende Welle machen, die Kleinholz und mehr anrichten kann. Dann darf man am Kap Finisterre nicht mehr sein, weil bekannt ist, dass dort oft noch einmal zehn Knoten mehr als vorhergesagt wehen…"

"Wer weitersegelt, geht starke Risiken ein"

Heinze geht davon aus, dass die Wettfahrleitung alle Teilnehmer längst via Kurzwelle gewarnt hat. Diese Kurzwellen-Meldungen jedoch sind des Öfteren schwer verständlich; je näher die Boote dem Land kommen, je schwieriger sind sie zu empfangen. Auch werden sich die Skipper via ihres einzig möglichen Kommunikationsweges (UKW) austauschen. So erklärt sich die im Live-Tracker klar erkennbare "Massenbewegung" der Minis in die nahegelegenen Häfen. "Mich erinnert das Szenario ans Mini-Transat 2013, das in einem schweren Sturm abgebrochen und neu gestartet wurde. Damals gab es aber viel Ärger, weil ein Italiener vor dem Abbruch führte. Er wurde am Ende Zweiter."

Marc Eric Siewert ("Absolute Sailing Team"), der nach seiner Hilfeleistung für einen Konkurrenten im Proto-Ranking auf den 24. und vorletzten Platz zurückgefallen war, hatte bei gut fünf Knoten Speed am Freitagabend noch rund 55 Seemeilen bis zur rettenden Küste vor sich. "Marc war mitten in der Biskaya abkommandiert worden, einen Segler zu unterstützen, dessen Mast gebrochen war und dadurch weit zurückgefallen", sagt Heinze über den Miniisten vom Hamburger Segel-Club. Weshalb sich Siewert nun in einer wenig angenehmen Position befände, aus der er sich aber bis Samstagmorgen mit dem Anlaufen eines Schutzhafens hoffentlich noch befreien könne. Proto-Steuerfrau Lina Rixgens auf "Avanade" war der rettenden Küste um 19 Uhr schon sehr nah. Serien-Skipper Melwin Fink auf "Signforcom" dagegen schien seinen Südkurs als Gesamt-14. im vorderen Feld der Serienboote zunächst ebenso fortzusetzen wie der Österreicher Christian Kargl auf "All Hands on Deck" als 16. Ob es dabei bleibt, muss die Nacht auf Samstag zeigen.

  Lina Rixgens auf "Avanade"Foto: Minitransat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Lina Rixgens auf "Avanade"

Wie sich Lennart Burke entscheiden wird, der nach technischen Problemen mit seinem Serien-Mini "Vorpommern" aus aussichtsreicher Position auf Platz 36 zurückgefallen ist, war am Freitagabend fast querab vom Kap noch nicht absehbar. Noch immer herrscht Rätselraten um den technischen Schaden, den Burke schon bald nach dem Auftakt erlitten hatte. Zwar war seitens der Veranstalter die Rede von einem Schaden am Bugkorb, doch der allein vermag den enormen Geschwindigkeitsverlust des deutschen Top-Akteurs nicht zu erklären. Heinzes Vermutung: "Mit einem möglicherweise stark verbogenen Bugkorb, der dorthin ragt, wo die Fock steht, könnte er dazu gezwungen sein, ohne Fock und daher so langsam zu segeln. Soll heißen: Er musste sie bergen, damit sie nicht reißt."

  Nach technischen Problemen nun ebenfalls mit dem Sturm konfrontiert: Lennart Burke auf seiner "Vorpommern"Foto: Minitransat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Nach technischen Problemen nun ebenfalls mit dem Sturm konfrontiert: Lennart Burke auf seiner "Vorpommern"

Jan Heinze hält den Sturm für "wirklich sehr gefährlich". Wer noch auf See ist, werde so schnell wie möglich gen Süden segeln müssen. "Außerdem gibt ja auch hinter dem Kap Finisterre noch Schutzhäfen", macht Heinze sorgenvollen Beobachtern Mut, die jetzt mit jenen zittern, die noch nicht in Richtung Küste "abgebogen" sind. Es bleibt diese Nacht für die richtige Entscheidung. Hier geht es zum Live-Tracker (bitte anklicken!).

  Spitzenreiter Pierre Le Roy könnte dem Sturm auf seinem Proto "Teamwork" entkommenFoto: Vincent Olivaud/Minitransat EuroChef 2021
Spitzenreiter Pierre Le Roy könnte dem Sturm auf seinem Proto "Teamwork" entkommen