Tatjana Pokorny
· 14.08.2021
Starker Wind hat die WM-Teilnehmer bis an die Grenzen gefordert. "Halbtrocken 4.5" segelte zum Sieg, Silber für "Outsider" und Bronze für "Sportsfreund"
Der letzte Tag der Alexela-ORC-Weltmeisterschaft vor Tallinn hatte es noch einmal in sich. Wie so oft an den Tagen zuvor, wehte der Wind auch am Samstag im estnischen Revier vor Tallinn eine Handvoll Knoten mehr als angesagt – was zu knackigen 20 Knoten und in Böen teilweise deutlich mehr führte. Der Tag der Entscheidung war von Starkwind geprägt, und tatsächlich mussten einige Favoriten dabei Federn lassen. Allen voran die Crew auf Tilmar Hansens TP 52 "Outsider", die als Spitzenreiterin in die letzten beiden Rennen gestartet war, doch von den Rivalen auf Michael Berghorns "Halbtrocken 4.5" noch auf WM-Platz zwei verdrängt wurde. Ein schwieriges Manöver an der ersten Leetonne der letzten und entscheidenden Wettfahrt und der unter dem Bug gelandete Gennaker bedeuteten im Endspurt das Aus für die "Outsider". Die dafür kassierten neun Punkte konnte das Team um Skipper Bo Teichmann zwar streichen, aber in der WM-Endabrechnung fehlten bei 13 Punkten dennoch drei Zähler auf die WM-Sieger auf der Mills 45 Custom "Halbtrocken 4.5" (10 Punkte).
Für Michael Berghorn und seine Crew blieb das Sieg-Duell mit dem "Outsider"-Team bis zuletzt spannend: "Am Vorabend waren wir noch punktgleich. Und das war auch heute nach dem erstem Rennen noch so – wieder punktgleich. Wir hatten auf den Downwinds heute guten Speed, die Manöver haben alle gesessen. Wir haben dann nur gesehen, dass es für die anderen an der Leetonne nicht geklappt hat und sie nicht mehr auf die Foils gegangen sind. So wurde die letzte Runde im Rennen für uns zu einer Ehrenrunde. Alle im Team sind sehr glücklich. Wir sind neun Amateure und drei Profis, während die 'Outsider' ausschließlich von Profis gesegelt wird. Der Sieg ist daher für uns überraschend und sehr schön. Eine TP 52 zu schlagen, das ist nicht so ganz einfach."
Ein paar mehr Teilnehmer wie in den anderen Klassen hätten sich auch Michael Berghorn und sein Team gewünscht. Für die Gastgeber fand der "Halbtrocken 4.5"-Eigner aber nur lobende Worte: "Wir haben hier faires und schönes Segeln erlebt, die Organisatoren haben sich sehr viel Mühe gegeben." Als nächste Regatten stehen für Michael Berghorns Team wie auch für die meisten anderen WM-Teilnehmer die Kieler Woche Anfang September und die Deutsche Meisterschaft in Olpenitz auf dem Programm.
Platz drei sicherte sich in der WM-Gruppe A der größten Yachten die finnische GP 42 "Mercedes-Benz EQ Power" vor der 16 Jahre alten und für diese WM optimierten Swan 45 von Jan Opländer aus Dortmund. Dessen Taktiker und Navigator Tim Kröger sagte: "In den heute herrschenden Bedingungen, in denen es auch einmal haarig und vor allem böig zuging, ist so ein solider Schwan ein gutes Boot. Der zieht auch durch, wenn es mal an die Grenzen geht." Mit den Rängen vier und zwei konnte sich das "Katima"-Team noch an Holger Streckenbachs TP 52 "Imagine" vorbeischieben, die das siebte Rennen nicht beenden und zum achten Rennen nicht mehr starten konnte. "Wir haben den letzten Downwind in Winden bis teilweise 28 Knoten nur noch unter Genua bestritten, da unsere direkten Gegner nicht mehr im Rennen waren", berichtete Kröger vom Abschlussrennen.
Packend verlief auch das Finale in der mittleren WM-Gruppe B, in das die beiden besten deutschen Crews außerhalb der Top Drei, aber durchaus mit Podestambitionen gestartet waren. Die Hoffnungen erfüllten sich nur für eine der beiden Mannschaften: Die Crew auf der X-41 "Sportsfreund" mit Skipper Gordon Nickel nutzte die fordernden Bedingungen, spielte ihre Stärken in den stärkeren Winden aus und sprang noch auf den dritten Podiumsplatz. Großsegeltrimmer Bertil Balser sagte: "Es war hart heute da draußen. Da wurde einem nichts geschenkt. Bei uns war die Ansage vorher klar: nichts kaputtmachen, sicher segeln und ruhig und entspannt unser Ding durchziehen. Unser Boot ist bei 15 Knoten Wind und mehr eine absolute Amwindmaschine. Wir sind happy mit dem Ergebnis, mehr als glücklich. Das hätte so keiner von uns gedacht. Es war für uns eine ähnlich spontane WM-Teilnahme wie bei der Deutschen Meisterschaft im vergangenen Jahr. Für zwei Drittel der Crew war es die erste Regatta in diesem Jahr. Wir sind ohne Training aufs Boot gestiegen, losgesegelt und täglich besser geworden. Wir haben vielleicht nicht immer alle in einem Team gesegelt, aber wir kennen uns seit 15 Jahren. Da weiß jeder, was er tut und wir reden viel miteinander."
Knapp geschlagen geben im Kampf um eine WM-Podiumsplatz musste sich Jens Kuphals Team auf der modifizierten Landmark 43 "Intermezzo". Mit 35 Punkten auf dem WM-Konto fehlten nach acht Rennen neun Zähler zu Platz drei. Den WM-Titel holte Catalin Trandafirs im Kern spanische Crew auf der Grand Soleil 44 P "Essentia44" unter rumänischer Flagge vor Aivar Tuulbergs estnischer Club Swan 42 "Katariina II". In der kleinsten WM-Gruppe C mit einer Rekordbeteiligung von 62 Booten setzte sich die Mannschaft auf der estnischen J-112E "Matilda 4" von Juss Ojala durch. Deutsche Boote waren hier nicht am Start. Dafür als Wettfahrtleiter der erfahrene Eckart Reinke, der das Riesenfeld mit seinem Team bestens bändigte.