Das Proto-Podium steht, Burke, Fink und Kargl kämpfenDie Entscheidung fällt auf der Passatautobahn

Tatjana Pokorny

 · 14.11.2021

Das Proto-Podium steht, Burke, Fink und Kargl kämpfen: Die Entscheidung fällt auf der PassatautobahnFoto: Mini-Transat EuroChef/Vincent Olivaud
Der Proto-Sieger im Glück: Pierre Le Roy hat das Mini-Transat 2021 in seiner Kategorie mit beherzter strategischer Entscheidung und viel Beharrlichkeit gewonnen

Die Proto-Sieger feiern, die Serienboot-Schnellsten haben das Ziel im Visier. Was geht im Schlussspurt noch für Melwin Fink, Lennart Burke und Christian Kargl?

Der erste große Kampf im Mini-Transat Euro Chef ist entschieden: Pierre Le Roy („TeamWork“) hat die Proto-Wertung vor Fabio Muzzolini („Tartine sans Beurre“) und seinem Rivalen Tanguy Bouroullec („Tollec MP/Pogo“) gewonnen. Muzzolini hat sich nach herausragenden Leistungen noch zwischen Le Roy und Bouroullec geschoben, die schon vor dem Rennen als Top-Favoriten in ihrer Disziplin gehandelt worden waren, weil sie in den vergangenen zwei Jahren nahezu alle Rennsiege unter sich ausgemacht hatten. Muzzolini hat beiden das Leben schwer gemacht und wurde dafür am Ende mit Platz zwei auf dem Podium belohnt.

  Gesamtsieger Pierre Le Roy auf "TeamWorks"Foto: Mini-Transat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Gesamtsieger Pierre Le Roy auf "TeamWorks"
  Der geschlagene Top-Favorit Tanguy Bouroullec sagte im Ziel, dass er Zeit braucht, seinen dritten Platz zu verdauen. Er hatte vor Rennstart auf Sieg gesetztFoto: Mini-Transat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Der geschlagene Top-Favorit Tanguy Bouroullec sagte im Ziel, dass er Zeit braucht, seinen dritten Platz zu verdauen. Er hatte vor Rennstart auf Sieg gesetzt

Verdient hatten sich alle drei ihren Podestplatz in der Gesamtwertung bereits auf der ersten Etappe, als sie dem Feld gemeinsam mit "Path"-Skipperin Irina Gracheva entkommen und mehr als drei Tage vor dem Verfolgerfeld im Etappenhafen Santa Cruz de La Palma angelangt waren. Entsprechend klar war Seglern und Beobachtern, dass der Sieg auf Etappe zwei den finalen Ausschlag geben würde. Kurz vor dem Ablegen hatte der nun geschlagene Tanguy Bouroullec das bereits auf den Punkt gebracht: „Es wird von entscheidender Bedeutung sein, dein eigenes Rennen zu segeln, an deine Entscheidungen zu glauben, ihnen treu zu bleiben und sicherzustellen, dass man kein Bedauern auf dem Rennkurs zurücklässt.“

Da konnte der Mini-Top-Akteur noch nicht wissen, wie krass die Routing-Entscheidungen ausfallen würden: bis zu 600 Seemeilen lagen die Konkurrenten in ihren Positionierungen lateral auseinander. „Ich bin froh, dass am Ende nicht die Geschwindigkeit, sondern das Wetter den Ausschlag gegeben hat. Ich hatte meinen Plan fest im Kopf und habe mein Rennen entsprechend gestaltet“, sagte Gesamtsieger Pierre Le Roy. "Ich habe mir selbst gesagt, dass ich das Rennen entweder mit Fingerspitzengefühl gewinne oder die 'sichere' Option wähle, indem ich mich ans Heck der anderen hefte. Was ja keinem Zweck so richtig gedient hätte. Also habe ich mir selbst vertraut."

Meteorologie-Ass Le Roy war mit seinem neuen Scowbug von Raison entsprechend tief in den Süden eingetaucht, hatte sich dort bis hinunter zu 12° Nord mehr Druck und die entsprechenden Vorteile erhofft, aber auf dem zweiten Abschnitt von Santa Cruz de La Palma nach Saint-François dafür auch die größere Distanz in Kauf nehmen müssen. Er wurde dafür belohnt. „Ich war überzeugt von dieser Option und sicher, dass meine Konkurrenten weiter nördlich segeln. Und ich bin wirklich in den Angriffsmodus übergegangen. Das war natürlich nicht ganz leicht, weder psychologisch noch physisch. Es ging bis an die Grenzen, und ich hatte bis zum letzten Moment Angst, dass Fabios roter Spinnaker plötzlich am Horizont auftauchen würde – wie es ja auf der ersten Etappe geschehen war. Ich wollte keine Neuauflage dieser Situation erleben. Ich habe bis zuletzt eine irrsinnige Anstrengung in mein Rennen gesteckt.“

Pierre Le Roy: „Es hat weh getan, aber das war der Weg“

So hatte Le Roy das Ziel bereits am 12. November nach kanpp 14 Tagen auf See mit 25 Stunden und 34 Minuten Vorsprung vor Fabio Muzzolini und dem weitere rund 14 Stunden später eintreffenden Tanguy Bouroullec erreicht. Das reichte auch zum Gesamtsieg. „So hatte ich es mir ausgemalt“, jubelte Le Roy, der diese Mini-Transat-Edition stilvoll und mit viel Entschlossenheit gewinnen konnte. "Ich habe meine Entscheidungen anhand der Wetter-Aspekte gefällt und nie aufgegeben. Es hat weh getan, aber das war der Weg, auf dem ich gewinnen wollte", erklärte der Gesamtsieger, der das Rennen und das herausragende Ergebnis in den emotionalen Momenten nach der Ankunft seinem im vergangenen Jahr verstorbenen Vater widmete.

  Großer Bahnhof für den Gesamtsieger Pierre Le Roy bei dessen Ankunft im ZielFoto: Mini-Transat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Großer Bahnhof für den Gesamtsieger Pierre Le Roy bei dessen Ankunft im Ziel

Herzliche und aufrichtige Glückwünsche kamen von allen Seiten. Fabio Muzzolini sagte: „Ich möchte ihm wirklich gratulieren! Wenn du ein Mini-Transat gewinnen willst, musst du zunächst einmal eine erfolgreiche Kampagne führen. Das hat er auf hervorragende Weise getan.“ Gleichzeitig glänze Muzzolini selber mit Platz zwei in der Gesamtwertung – ein Ergebnis, von dem er vor dem ersten Startschuss nicht zu träumen gewagt hätte. Tanguy Bouroullec dagegen hatte seine Karten von Beginn an auf den Tisch gelegt und den Gesamtsieg offen zu seinem Ziel erklärt. Und das nicht nur, weil er bei den vergangenen beiden Auflagen 2017 und 2019 bereits vierte Plätze erfochten hatte. Bouroullec war auch als Spitzenreiter der Mini-Saisonwertung in den Jahreshöhepunkt gestartet.

Sein Fazit: „Auf dieser zweiten Etappe war der Süden die richtige Option. Ich hätte mich auch dafür entscheiden sollen. Pierre hat es getan. Ich habe schnell festgestellt, dass wir nicht am gleichen Ort waren, nicht den gleichen Wind hatten. Das Ergebnis ist nicht das, was ich mir erhofft hatte.“ Der „Tollec MP/Pogo“-Skipper hatte auf dem letzten Drittel der zweiten Etappe zusätzlich mit Bugspriet-Problemen zu kämpfen. „Ich bin angetreten, um das Rennen zu gewinnen. Als ich einmal begriffen hatte, dass es damit nichts mehr wird, war das schwer zu schlucken. Es wird ein bisschen dauern, bis ich das alles verarbeitet habe, doch das ist das Spiel in diesem Sport.“ Hier geht es zu Ergebnissen und Zwischenständen in der Wertung für die Prototypen (bitte anklicken!).

Foto: Mini-Transat EuroChef/Alexis Courcoux

Bei den Serienbooten steigt die Spannung

Während die besten Proto-Skipper schon auf Guadeloupe feiern, wo die wunderbare Irina Gracheva auf „Path“ als Fünfte und erneut schnellste Skipperin der zweiten Etappe ins Ziel gekommen war und damit Platz vier in der Gesamtwertung ersegelt hat, ging es bei den Serienbooten zur Sache. Etappen-Spitzenreiter Hugo Dhallenne wird noch heute im Ziel erwartet. Der aufgrund von Jury-Entscheidungen infolge der Protestflut nach Etappe eins auf Platz zwei vorgerückte Franzose hatte am Sonntagmorgen bei 60 Seemeilen bis ins Ziel aber auch Druck von hinten: Der Italiener Alberto Riva hat bei einem Rückstand von nur 14 Seemeilen seine Siegambitionen auf dieser Etappe keinesfalls aufgegeben.

  Wird es für Hugo Dhallenne zum Gesamtsieg bei den Serienbooten reichen?Foto: Mini-Transat EuroChef 2021/Vincent Olivaud
Wird es für Hugo Dhallenne zum Gesamtsieg bei den Serienbooten reichen?

Die beiden deutschen Skipper Lennart Burke („Vorpommern“) und Melwin Fink („SignForCom“) kämpften am Sonntagmorgen auf den Positionen 23 und 24 weiter um jeden Meter und damit um jede Minuten, die in der Endabrechnung wertvoll sein könnte. Nachdem sie am Vorabend nur rund zwölf Seemeilen voneinander getrennt fast im Duett dem Ziel entgegenstrebten, trennten Burke und Fink am Sonntagmorgen wieder 41 Seemeilen im lateralen Abstand zueinander. Während Burke sich nördlich und damit deutlich oberhalb der Ideallinie zum Ziel positioniert hatte, war Fink bei durchgedrücktem Gaspedal südlicher und unterhalb der Ideallinie unterwegs.

Auf Finks Facebook-Seite hielten die Beobachter schon am Samstag fest: „Die letzten Nächte auf dem Atlantik stehen an. Die Zielgerade liegt vor Melwin Fink. Wir denken, dass Melwin Fink am Montag inSaint-François ankommen wird. Nach dem Auf und Ab der Platzierungen, bedingt durch die Nord-/Südroute, profitiert Melwin Fink aktuell von seiner verbissenen Tempohärte. Es ist extrem spannend. Zum Rechnen bezüglich der Gesamtwertung ist es noch zu früh. Aber Melwin Fink wird vorn dabei sein. So viel steht schon fest. Jedes Manöver und jeder Handgriff entscheidet aktuell auf der Passatautobahn über die Platzierung im Gesamtklassement.“ Versehen ist die Meldung unter anderem mit diesem Hashtag: „Schnappsiedir“. Hier geht es zum Tracker und den Zwischenständen bei den Serienbooten (bitte anklicken!).

Verbessern konnte sich zuletzt weiter der Österreicher Christian Kargl, der auf Platz 18 vorrückte und nach Platz drei auf Etappe eins ebenfalls um eine Top-Platzierung kämpft.

Die Entscheidungen über den Gesamtsieg und die Podestplätze bei den Serienbooten werden voraussichtlich am Montag fallen. Wer selber schon rechnen möchte: Die Zeiten der ersten Etappe werden zur Ermittlung der Gesamtplatzierungen zu jenen am Ende der laufenden zweiten Etappe addiert. Hier geht es zu den Serienboot-Platzierungen und den dabei gesegelten Zeiten der ersten Etappe (bitte anklicken!).

  Was geht noch für "SignForCom"-Skipper Melwin Fink und seine Mitstreiter, die am Montag im Ziel erwartet werden?Foto: Vincent Olivaud / Mini-Transat EuroChef 2021
Was geht noch für "SignForCom"-Skipper Melwin Fink und seine Mitstreiter, die am Montag im Ziel erwartet werden?