Lars Bolle
· 04.09.2019
Ein deutsch-schweizerisches Duo segelt mit einem iFly 15 von Cowes nach Dinard. Den Speed soll ein neuartiges Segel liefern
Der Münchner Yo Wiebel, 39, und die Züricherin Tamara Baumann, 21, wollen den Rekord für die schnellste Kanalüberquerung von Cowes nach Dinard für Boote unter 20 Fuß brechen. Dieser wurde 2018 vom Franzosen Yvan Bourgnon mit einem 20-Fuß-Katamaran aufgestellt. Für die 138 Seemeilen Luftlinie benötigte er 19 Stunden, 42 Minuten und zwei Sekunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund sieben Knoten entspricht – die tatsächlich gesegelte Distanz ist je nach Kurswahl länger.
Wiebel und Baumann wollen den Rekord mit dem nur 15 Fuß langen Foilerkatamaran iFly15 brechen. „Der segelt sich richtig gut und easy“, so Wiebel, der sich momentan mit dem Team in Cowes vorbereitet.
Der iFly-15-Katamaran konnte bisher vor allem wegen seines leichten Handlings überzeugen. Im YACHT-Test (siehe Download und Video) erwies sich der Katamaran als äußerst stabil auf den Foils und sehr einfach zu beherrschen.
Ob auf einem oder zwei Rümpfen, auf dem Gardasee kann man im Stickl Sportcamp losfliegen
Ein weiteres Ausrufezeichen, diesmal in Sachen Speed, setzte der Einhand-Cat in diesem Sommer bei der Foiling Week auf dem Gardasee, wo er mit Konstrukteur E-Michael Miller im Trapez die Wertung der All Foilers gewann. Einer der weiteren Piloten war dabei Vendée-Globe-Gewinner Francois Gabart. Er zeigte sich überzeugt vom Konzept des Cats: „Es war echt klasse. Ein neues Bootsdesign, das ich noch nicht kannte. Sehr stabile Fluglage, außergewöhnlich stabil. Es ist mega interessant, weil man sofort erkennen kann, dass das Fliegen auf diesem Boot schnell zu erlernen ist. Beinahe für jeden, der auch nur ein klein wenig segeln kann. Man steigt auf, und es fliegt stabil. Es fliegt sogar schon bei wenig Wind. Ich finde, es ist ein super Einstieg in die Welt des Foilens.“
Mit dem Rekordversuch will der Konstrukteur nun beweisen, dass sein Design auch auf Langstrecken nicht nur stabil, sondern auch schnell foilt. „Der iFly 15 hat durch den Sieg bei der Foiling Week bewiesen, dass er schnell ist – trotz stabiler Fluglage“, so der Luftfahrtingenieur aus München. Damit zielt er auf die verbreitete Meinung ab, dass ein Foiler mit aktiv stabilisierten Leitwerken, beim iFly ist diese mittels Geber (Wants) gelöst, nicht schnell sein könnte. „Genau das Gegenteil ist der Fall“, so Miller, „wie zuletzt wieder beim America’s Cup in Bermuda zu bewundern war. Dort hat erneut das Boot mit der besten Flugstabilität klar gewonnen.“
„Die sehr anspruchsvoll zu segelnde fliegende Motte (iMoth-Klasse) verfügt seit jeher über eine aktive Foilsteuerung“, so Miller weiter. „Sie wäre ohne solch ein System quasi unsegelbar. Gerade wegen und nicht trotz des ausgefeilten Stabilisierungssystems gehört die Motte ohne Zweifel zu den leistungsfähigsten fliegenden Schiffen der Welt. Sie widerlegt auch einen anderen Mythos, nachdem T-Foils langsam seien. Die Motten beweisen das Gegenteil, genauso wie das britische Vampire-Projekt und das aktuelle Revival der T-Foils für den nächsten America’s Cup.“ Auch der iFly 15 ist mit T-Foils ausgerüstet.
Der Rekordversuch über den Kanal ist für Samstag, den 7. September ab zirka 8:00 Uhr geplant. Er wurde beim World Speed Sailing Record Council (WSSRC) offiziell angemeldet, und das Boot führt einen Tracker mit. Dieser gibt alle 15 Minuten die Position durch, welche live mitzuverfolgen ist unter http://yb.tl/cowesdinard2019.
Eigentlich war der Rekordversuch einhand geplant, doch das lässt das WSSRC aus Sicherheitsgründen nicht zu. So wird Yo Wiebel von Tamara Baumann begleitet. Wiebel, eigentlich Architekt in Zürich, betreibt auch eine Foil-Schule (www.foilingschool.com) und machte bereits als Extremsegler Schlagzeilen, unter anderem mit einer Kap-Hoorn-Rundung in einem Sportcat und einem 24-Stunden-Rekord.
Die geplanten etwa zwölf Stunden für den Rekord Cowes–Dinard will das Team mit einer Aufgabenteilung überstehen. „Abwechselnd wird gesteuert“, so Wiebel, „dabei sitzt der Steuermann. Der Vorschoter steht im Trapez und fährt die Großschot. Stündlich wird gewechselt.“
Das Team hofft dabei besonders auf leichte Winde, was zunächst paradox erscheint. „So um die zwölf Knoten Wind ist der Cat am schnellsten, da können wir voll auf Speed fahren“, so Wiebel. Bei mehr Wind müsse nur noch Druck abgebaut werden, und das Foilen würde auch anspruchsvoller. Die Windobergrenze liegt bei 25 Knoten.
Dass die bisherige Bestmarke unterboten werden kann, dessen ist sich Konstrukteur Miller sicher. Garant dafür soll auch ein neuartiges, zum Patent angemeldetes Segel sein. Dabei handelt es sich um eine extrem flach geschnittene Genua, welche nicht, wie sonst üblich, mit dem Hals an einem Gennakerbaum mittschiffs angeschlagen wird, sondern in Lee direkt am Bug des Leerumpfes. In Manövern kann der Hals mittels einer Endlosleine zum anderen Bug gezogen werden. Diese Anordnung biete gleich mehrere Vorteile, so Miller. „Das Segel kann größer ausfallen, da die Unterliekslänge nicht von Wanten oder Salingen begrenzt wird. Außerdem liegt das Unterliek direkt am Rumpf an, was den Induktionswiderstand um das Unterliek herum minimiert. Wegen des weiter achtern liegenden Anschlagpunktes des Halses entsteht weniger Leegierigkeit, welche sich beim Foilen wegen der fehlenden Lateralflächen sonst kaum kompensieren lässt. Zudem liegt der Segeldruckpunkt tiefer als bei einem an einem hohen Baum gefahrenen Segel, was wiederum der angestrebten aufrechten Lage des Cats zugute kommt. Und da das Segel schräg im Boot steht, entwickelt es auch Auftrieb nach oben, was auch dem Foilen hilft.“
Der iFly 15 mit der neuartigen Genua
Der Beweis für die Effektivität dieses Segels seien Probefahrten in England gewesen, bei denen Miller nach eigenen Angaben bereits bei sechs Knoten wahrem Wind abhob und dann stabil mit zwölf Knoten Speed foilte.
Das dürfte für einen neuen Rekord auf jeden Fall reichen.