Der lang erwartete Temposchub bei der Course des Caps – Boulogne-sur-Mer – Banque Populaire du Nord ist eingetreten. Seit Mittwochnachmittag segeln die zehn verbliebenen Imoca-Yachten mit über 20 Knoten durch einen kräftigen Südwestwind gen Norden. Diese Beschleunigung ist ein radikaler Kontrast zu den langsamen ersten Renntagen und ermöglicht den Teams nun, das volle Potenzial ihrer Yachten auszuschöpfen.
Die neue Dynamik hat bereits erste Auswirkungen auf das Klassement. Die Flotte erstreckt sich mittlerweile über eine Distanz von 270 Seemeilen - der Tempowechsel verstärkt die Unterschiede zwischen den Konkurrenten. An der Spitze des Feldes baut “Macif Santé Prévoyance” seinen Vorsprung kontinuierlich aus. Skipper Sam Goodchild und sein Team haben inzwischen knapp 30 Seemeilen Vorsprung auf ihren nächsten Verfolger, “Vulnerable” herausgesegelt und bestätigen damit eindrucksvoll ihre starke Form seit dem Rennstart. Gestern wurde der Kurs um 220 Seemeilen verkürzt.
“Malizia - Seaexplorer” hat in der Nacht einiges auf “Macif” verloren, der Rückstand beträgt nun 73 Seemeilen. Spannend wird sein, mit welchen Abständen sich die Flotte nach dem militärischen Sperrgebiet wieder zusammenfindet.
Der abrupte Tempowechsel hat den Alltag der Crews grundlegend verändert. Nach Tagen mit schwachen Winden und mühsamem Vorankommen befinden sich die Segler nun in einem Modus, der maximale Aufmerksamkeit erfordert.
Julien Villion, Navigator und Co-Skipper von Boris Herrmanns “Malizia – Seaexplorer” beschreibt die neue Situation anschaulich: „Wir kommen endlich mit Höchstgeschwindigkeit voran! Ich glaube, wir haben in zehn Stunden so viel Strecke zurückgelegt wie in den zweieinhalb Tagen zuvor. Jetzt sind wir regelmäßig mit über 30 Knoten unterwegs. Wir haben den ‚Pony-Modus' eingeschaltet: Scheuklappen an und Vollgas, um so schnell wie möglich voranzukommen."
Diese Hochgeschwindigkeitsphase verändert das Leben an Bord grundlegend. Villion: „Man kann nicht mehr gemütlich kochen und barfuß herumlaufen. Jetzt kriechen wir im Inneren herum und machen Sprünge in der Koje... aber so ist das Spiel nun mal. Das Leben ist weniger angenehm, aber da es nicht allzu lange dauern wird, wollen wir die Gelegenheit nutzen."
Während die Flotte weiter nach Norden segelte, rückte mit den Hebriden ein wichtiger taktischer Punkt näher. Das Militärübungsgebiet vor der schottischen Inselgruppe markiert die Streckenhälfte und zwang die Teams zu einer Routenentscheidung. Die vier führenden Boote haben sich dafür entschieden, dicht an der Küste der äußeren Hebriden entlangzusegeln. “Malizia – Seaexplorer” hingegen (und möglicherweise weitere nachfolgende Teams) wählte einen Kurs weiter draußen, um die Sperrzone zu umrunden. Diese taktischen Entscheidungen könnten sich in dieser Phase des Rennens als entscheidend erweisen.
Nördlich des schottischen Archipels werden die Teams mit nachlassenden Winden konfrontiert. Ihr nächstes Ziel ist Ronaldsay auf den Orkney-Inseln - der nördlichste Punkt der Strecke auf 59° Nord. Die Führungsgruppe wird diesen Wendepunkt voraussichtlich am frühen Donnerstagnachmittag erreichen.
Francesca Clapcich, Co-Skipperin auf “Malizia – Seaexplorer”, blickt bereits auf die kommenden Herausforderungen: „Wir müssen das Boot weiterhin maximal schnell segeln und dann in der Lage sein, wieder schnell das Tempo zu wechseln, wenn der Wind nachlässt. Dann gilt es, die Segel rechtzeitig anzupassen." Julien Villion fasst zusammen: „Jede jetzt gewonnene Meile wird für den weiteren Verlauf entscheidend sein." Die Course des Caps verspricht also auch in den kommenden Tagen hochspannende Positionskämpfe.