Élodie Bonafous’ neue Imoca ist erst vor ein paar Monaten aus der Werft gerollt. Nun führt sie schon ihr erstes Rennen an. Neun Stunden dem Start ins Course des Caps waren die Französin und ihre erlesene Crew Spitzenreiter auf der 2000-Seemeilen-Langstrecke von und nach Boulogne-sur-Mer um die Britischen Inseln.
Elodie Bonnafous’ Schwesterschiff aus der Form von Charlie Dalins Vendée-Globe-Dominatorin “Macif Santé Prévoyance” trägt den hübschen Namen “Association Petits Princes – Quéguiner”. Neben sich an Bord hat die 29 Jahre alte Skipperin, die als erste Französin eine Figaro-Etappe auf dem Podium beenden konnte, für das Course des Caps aber keine Prinzen, sondern gestandene Offshore-Könner versammelt: Pascal Bidégorry, Yann Eliès und Gaston Morvan treiben den Guillaume-Verdier-Neubau mit der im nördlichen Finisterre in einer Segelfamilie großgewordenen Élodie Bonnafous an.
Eine halbe Seemeile hinter den Spitzenreitern lag am späten Sonntagabend Team Malizia mit Skipper Will Harris auf Rang zwei. Eine weitere halbe Meile dahinter lauerte Sam Goodchild mit Guillaume Combescure, Loïs Berrehar und Charlotte Yven im Team auf “Macif Santé Prévoyance”. “Malizia – Seaexplorer”-Skipper Will Harris hat im Course des Caps eine Runde um die eigene Heimat vor sich. Während Teamgründer Boris Herrmann dieses Mal nicht mit von der Partie ist, vertraut Harris aufs eigene Können und seine Mitstreiter Cole Brauer (USA), Francesca Clapcich (Italien/USA) und Julien Villion (Frankreich).
Als Anbord-Reporterin ist Flore Hartout für Team Malizia im Einsatz. In sehr leichten Winden legten Harris und seiner Mitstreiter einen gelungenen Start hin. Es war ein langsamer Start für alle elf vierköpfigen Imoca-Crews und ihre Anbord-Reporter, die das Rennen mit dem offiziellen Namen Banque Populaire du Nord Boulogne-sur-Mer Cape Race bestreiten. Kurz wird es Course des Caps genannt. Der Startschuss fiel um 14:00 Uhr Ortszeit. Bei dieser neuen Imoca-Herausforderung geht es im Uhrzeigersinn um die Britischen Inseln. Hier geht es zum Tracker.
Die Regatta startet und endet in Boulogne-sur-Mer im Norden Frankreichs und hält eine Reihe von Herausforderungen bereit, darunter leichte und unbeständige Winde, dichten Schiffsverkehr, starke Gezeitenströmungen und 50 (!) Verkehrstrennungsgebiete. Ursprünglich war eine Dauer von etwa fünf bis acht Tagen angedacht, doch aufgrund der sehr leichten Wetterbedingungen könnte die Regatta auch länger als acht Tage dauern. Sie wird von ihren Aktiven vor allem Geduld, Ausdauer und taktisch-strategisches Geschick verlangen.
Der Start stand in krassem Gegensatz zu den hohen Geschwindigkeiten und zur rasanten Foiling-Action, die normalerweise bei Imoca-Regatten zu erleben sind. Das knappe Dutzend Imocas startete nicht dynamisch, sondern in nur vier bis fünf Knoten Wind äußerst träge ins Rennen, segelte zunächst durch eine Mischung aus Nebel und Sonnenschein. Die Boote schneckten über die Startlinie, kamen nur quälend langsam in Richtung der ersten Wendmarke voran. Team Malizia rundete sie als viertes Boot.
Schon vor dem Start hatte Skipper Will Harris die Anfangsphase als taktisch und mental anspruchsvoll beschrieben und gesagt: „Wie wir in der Vorhersage gesehen haben, sind die ersten 24 Stunden wirklich fordernd. In dieser frühen Phase kann man sich leicht emotional mitreißen lassen. Wenn wir die falsche Entscheidung treffen, könnten die anderen davonziehen. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass dieses Rennen über 2.000 Seemeilen lang und beim Start noch nichts entschieden ist. Ein falscher oder richtiger Zug jetzt bedeutet nicht, dass das Rennen vorbei ist, ganz im Gegenteil.“
Dazu erklärte Boris Herrmanns Skipper des Vertrauens: „Zunächst müssen wir sowohl das Rennen als auch uns selbst managen. Es wird eine der größten Herausforderungen sein, früh unseren Rhythmus zu finden. Sobald wir uns Irland nähern, können wir uns hoffentlich auf typischere Ozeanbedingungen und unser reguläres Vier-Stunden-Wachsystem einstellen. Aber selbst am Ende des Rennens, wenn wir die Nordsee hinunter und in die Straße von Dover zurückkehren, kann noch alles passieren. Wir könnten wieder leichten Wind oder starken Druck erleben, müssen wirklich konzentriert bleiben, um ins Ziel durchzuhalten.“
Team Malizias erfahrener Navigator und Co-Skipper Julien Villion stimmte zu: „Schon in den ersten Tagen des Rennens könnte es einige Übergänge geben. Auch wenn nichts entscheidend sein wird, denke ich, dass es eine Strecke ist, auf der man noch zwölf Stunden vor dem Ziel fast wieder ganz von vorne anfangen könnte. Wir haben Sommerbedingungen, daher könnte es im Ärmelkanal sehr wenig Wind geben. Und wie heute viel Strömung – wie am Start so auch gegen Ende, nach einem achttägigen Rennen mit fünfzig Führungswechseln. Diese Strecke ist strategisch sehr offen, es wird irgendwann Lücken geben und sicherlich auch Überraschungen.”
Es ist ein wirklich komplettes, vielseitiges Rennen.“ Julien Villion
Entlang der Route passiert die Flotte den symbolträchtigen 60. Breitengrad Nord. Unterwegs werden sieben Trophäen vergeben, die wichtige Passagen der Strecke markieren. Co-Skipperin Francesca Clapcich weist mit einem Lächeln auf die besondere Herausforderung für Julien Villion hin: „Julien wird es in den nächsten Tagen nicht leicht haben! Ich denke, es ist unsere Aufgabe, wirklich am Ball zu bleiben und während unserer Wache das Boot voranzutreiben, um die beste Leistung herauszuholen.“
Der italienisch-amerikanische Ocean-Race-Gewinnerin fügte hinzu: „Es wird viele Herausforderungen geben, aber auch viele Chancen. Manchmal kann das, was man als Herausforderung sieht, sehr schnell zu einer Chance werden, wenn man es richtig angeht. Das technische Team hat bei der Vorbereitung des Bootes hervorragende Arbeit geleistet. Letztendlich sind wir vier Segler an Bord, aber ohne das gesamte Team hinter den Kulissen, das jeden Tag hart arbeitet, wäre all dies nicht möglich.”
Für “Malizia – Seaexplorer” ist es das erste Rennen seit Boris Herrmanns Vendée-Globe-Teilnahme im vergangenen Winter. Das Boot wurde seitdem – auch schon mit Blick aufs Ocean Race Europe ab 10. August – für das Regattasegeln mit Crew umgebaut, wobei der Schwerpunkt der Optimierungen auf der Ergonomie für ein fünfköpfiges Team lag. Team Malizia vermeldete: “Es verfügt nun über einen neuen, flacheren Spinnaker, neues Tauwerk von Gleistein und ein hybrid-elektrisches Antriebs- und Energiesystem der nächsten Generation von Molabo und Fischer Panda, eines der ersten seiner Art in der Imoca-Klasse.”
“Malizia – Seaexplorer segelt mit den Foils der Version 3, die bereits bei den Transatlantikregatten von Boris Herrmann nach und von New York im letzten Jahr so gute Dienste leisteten. Vor dem Start des Ocean Race Europe markiert das Course des Caps einen guten Test für Team Malizia, ist Teil der Saisonmeisterschaft der Imoca-Klasse und ein Qualifikationsrennen für die Vendée Globe.
Boris Herrmann hat sich entschieden, das Rennen um die Britischen Inseln auszusetzen, um der Crew Gelegenheit zu geben, unter realen Rennbedingungen gemeinsam zu trainieren, insbesondere da Will Harris eine Etappe des Ocean Race Europe als Skipper übernehmen wird. Nachdem er bereits Anfang des Jahres die Vendée Globe absolviert hat, konzentriert sich Boris Herrmann an Land auf die Vorbereitung für das bevorstehende Europa-Rennen.
Der Zeitlupenstart ins Course des Caps im Replay – aus Sicht von Team Malizias Anbord-Reporterin Flore Hartout: