Vor 22 Jahren wurde der Admiral’s Cup von australischen Siegern zuletzt in den Himmel über der südenglischen Isle of White gestemmt. Seitdem ruht der Kampf um den Goldpokal. Sogar 32 Jahre liegt der letzte deutsche Sieg bei der inoffiziellen Seesegelweltmeisterschaft zurück. Die Offshore-Granden Hans-Otto Schümann, Willi Illbruck und Udo Schütz gewannen mit drei Judel/Vrolijk-Meisterwerken: der Eintonner-Weltmeisterin „Pinta“, dem Zweitonner „Rubin VII“ und dem 50-Fuß-Racer „Container“.
Sie schrieben 1993 das vorerst finale Erfolgskapitel der schwarz-rot-goldenen Lovestory, die Deutschlands Seesegler mit dem 1957 erstmals ausgetragenen Admiral’s Cup über Jahrzehnte verband. Der letzte GER-Sieg nach 1973, 1983 und 1985 gelang mit einem Viertelpunkt Vorsprung vor Australien. In stürmischen Winden setzte sich das deutsche Trio im Demolition Derby durch, während die Favoriten aus Italien und Australien für Kollisionen und Bruch teuer bezahlten.
Die wichtigsten Ereignisse beim Admiral’s Cup haben wir hier zusammengestellt.
Schon damals war der Admiral’s Cup stets auch eine Starparade seiner Zeit: Der fünfmalige America’s-Cup-Gewinner und heutige SailGP-Dirigent Russell Coutts zählte 1993 neben FD-Olympiasieger Jörg Diesch zu den Steuerleuten auf „Pinta“. Diesch sagte über die Fastnet-Sturmfahrt: „Im Solent segelten wir so knallhart, als würde die Regatta nur eine Stunde und nicht drei Tage dauern.“ Im Fastnet-Schlussspurt röhrte der Wind in der Bucht von Plymouth mit 25 und mehr Knoten. Es herrschte dichter Nebel. Diesch erlebte es so: „Ich stand an der Pinne und war völlig desorientiert. Wir konnten kaum die eigene Mastspitze sehen, geschweige denn unseren Kurs vernünftig halten.“
Auf den letzten Seemeilen lag Russell Coutts im „Pinta“-Cockpit, pumpte bei jeder Welle mit dem Großsegel. Diesch erinnert sich: „Am frühen Morgen waren es Russell und seine Wache, die die ‚Pinta‘ mit 10,98 Knoten Speedrekord über die Ziellinie rasen ließen.“ Das war nach bereinigtem Frühstart den Fastnet-Klassensieg wert. Zuvor waren die „Container“ und „Rubin VII“ am Abend und in der Nacht als jeweilige Fastnet-Vierte ihrer Klassen ins Ziel gekommen.
Mehr als ein Hauch Hoffnung auf den Cup-Sieg war zu dem Zeitpunkt nicht geblieben. An Land aber gaben Willi Illbruck und Hans-Otto Schümann nicht auf. Sie taten in dieser Nacht kein Auge zu, saßen im menschenleeren Pressebüro an kargen Kunstofftischen, kritzelten emsig Zahlenkolonnen auf Papier und harrten aus. Bis zum sensationellen Cup-Coup am nächsten Morgen.
In britischen Medien hieß es damals, der deutsche Erfolg sei auf die Effizienz des Teams und seiner Shore Crew zurückzuführen, die für alles bereit war. So wie Gunnar Knierim und seine Mitstreiter, die den abgerissenen „Pinta“-Kielschuh in einem nächtlichen Kraftakt mit viel Kreativität und Bootsbaukunst vermessungssicher und rechtzeitig zum nächsten Rennen neu schufen.
Weniger Glück hatte die hochgehandelte Konkurrenz: Harald Cudmores „Jameson 1“ war mit Vollspeed auf einen Felsen aufgelaufen und spektakulär gesunken. Ein dramatischer Eine-Million-Dollar-Crash zwischen der italienischen „Mandrake“ und der holländischen „Pro-Motion“ beraubte die Azzurri ihrer Siegträume. Auf „Mandrake“ riss damals nach „kollektivem Blackout“ der Crew der komplette Bug ab. Das Loch in „Pro-Motions“ Bordwand war mannsgroß. Final stürzten die Italiener mit dem „Larouge“-Mastbruch im Fastnet Race tief.
Rekordhalter sind 68 Jahre nach der Admiral’s-Cup-Premiere die Gastgeber mit neun Siegen vor Deutschland. Es folgen die USA und Australien mit je zwei Siegen.
Nach einigen gescheiterten Wiederbelebungsversuchen steuert der beharrliche gastgebende Royal Ocean Racing Club jetzt mit stolzer Flotte von 15 Teams den Neustart an. Ein radikaler Refit brachte den Durchbruch: Es bilden zwei statt wie in der Vergangenheit drei Boote ein Team. Entschärft wurde die Nationenregel: Die Duos können für Länder, Clubs oder nationenübergreifend unter selbst gewähltem Teamdach starten. Das stärkste Echo kommt aus Deutschland: Sechs Boote in drei Teams werden im Solent aufkreuzen.
Vor allem der Blick auf die junge „Red Bandit“-Crew zeigt, wie sich die Zeiten gewandelt haben. Team-Co-Manager Moriz Forster ist gerade 24 Jahre alt geworden. Er wurde acht Jahre nach dem letzten deutschen Cup-Sieg geboren. Sein Vater Carl-Peter Forster hat das ehrgeizige Offshore-Projekt mit der Forstar-Offshore-Racing-Stiftung verknüpft, die jungen Seglern Brücken aus dem Jollensport ins Seesegeln baut. Nicht erst seit dem Sieg der „Roten Banditen“ im Rolex Middle Sea Race 2024 ist klar: Idee, Konzept und Crew haben viel Potenzial – das gilt auch für ihr Zwei-Boot-Team im Admiral’s Cup.
Mit Dirk Clasens „Ginkgo“ bilden die Banditen das auf dem Papier potenteste der drei deutschen Cup-Duos. Welche Geige sie im Admiral’s-Cup-Konzert spielen könnten? Moriz Forster sagt: „Es ist schwer vorherzusagen. Unsere Lieblingsposition ist die des Underdogs. Wir wurden schon oft unterschätzt.“ Seit dem Triumph im Middle Sea Race aber hat die Profi-Konkurrenz die Youngster auf dem Schirm.
Moriz Forster sinniert: „Man sagt immer, dass solche Serien inshore gewonnen und offshore verloren werden. Meine Hoffnung ist ein bisschen, dass wir offshore vielleicht Top-Fünf sein können. Fordernd wird der Inshore-Teil, wo andere auf dem Wasser schneller sind als wir.“
Das Channel Race, eine Serie von Kurzrennen und das Rolex Fastnet Race bilden das vielseitige Cup-Sportprogramm. Wie so oft in der Vergangenheit werden sich auch beim Cup-Comeback die Leistungen bei der dreifach gewerteten Fastnet-Langstreckenprüfung entscheidend auf das Endergebnis auswirken. Moriz Forster erklärt einen dafür wichtigen Aspekt der Vorbereitungen: „Wir haben unsere Front verbessert und viel getan, um das Boot wasserdicht zu machen. Es gab Spots im Boot mit Delamination. Wir haben jetzt jeden Spot gefunden, wo das Carbon Schwäche gezeigt hat. Der Rumpf sollte stabil sein.”
Die notwendige intensive Vorarbeit bestätigt „Ginkgo“-Skipper Dirk Clasen. Der 60 Jahre alte Inhaber und Geschäftsführer einer Baumschule im grünen Hamburger Umland geht auch das Admiral’s-Cup-Projekt mit familiärer Prägung an. Mit Ehefrau Antje und Sohn Jacob Clasen, der in Southampton Yacht- und Powercraft-Design studierte und bei Artemis Technologies in Belfast arbeitet, bildet der Skipper das zentrale Familientrio in der neunköpfigen „Ginkgo“-Crew.
Ihr Boot haben sie 2018 „als junges Gebrauchtes“ Voreigner und Oyster-Gründer Richard Matthews „abgeschnackt“. Mit der 2016 gebauten Humphreys 39 konnte die Clasen-Crew 2023 bereits ein Rolex Fastnet Race bestreiten, phasenweise ihre umkämpfte Gruppe anführen und mit Platz fünf ihr Potenzial eindrucksvoll beweisen.
Alle freuen sich aufs Eintauchen ins Segler-Eden Cowes. „Wenn man da durch den Ort läuft, muss noch nicht mal ein Event sein. Das lebt auch so. Da laufen Leute mit Arbeitsschuhen und Shorts rum – das pure Seglerleben. So ähnlich gab es das mal im Hamburger Yachthafen in Wedel, als Schmiddel noch da war“, erzählt Dirk Clasen.
Der junge Moriz Forster, der teilweise in Großbritannien aufwuchs, sagt: „Ich kenne keinen Ort auf der Welt, der so mit dem Segelsport verbunden ist. In Cowes, Hamble und im Solent merkt man überall, dass hier der Segel- und Regattasport entstanden ist. Hier fahren die Leute in Regen und Sturm mit dreifach gerefftem Groß raus und haben Spaß. Ich bin ein großer Fan.“
Die Teilnahme am Admiral’s Cup sieht Dirk Clasen als außergewöhnliche Chance: „Ich empfinde es als einmalige Gelegenheit, so eine traditionsbehaftete Serie mit einem überschaubaren Budget mitmachen zu können. Für uns ist das der Mount Everest des Segelns, so ein Achttausender.“ Dem legendären wie fordernden Tidenrevier begegnen die deutschen Herausforderer mit Respekt, aber ohne Angst. „Es ist nicht so richtig Voodoo. Wenn man von der Elbe kommt, kann man auch um Sandbänke segeln“, sagt Clasen lächelnd.
Er segelt, seit er fünf Jahre alt ist. Die Eltern hatten eine Warship 725. Nordseewochen mit Cup-Ausscheidungen waren in seiner Kindheit der jährliche Pfingsthöhepunkt. Jetzt blickt Familie Clasen der Wiedergeburt des Admiral’s Cup wie die anderen fünf deutschen Crews in drei Teams mit viel Vorfreude und ernsthaftem Ehrgeiz entgegen.
Die Top-Favoriten mögen mit Karl Kwoks Abo-Weltmeisterin „Beau Geste“ und ihrer kleinen Schwester „Beau Ideal“ aus Hongkong oder weiteren schwer einzuschätzenden Teams mit mindestens je einer Rakete andere sein. Die deutschen Segler sind aber entschlossen, dem 24. Admiral’s Cup in den Rennen vom 19. bis zum 31. Juli ihren Stempel aufzudrücken. Und es wird wie immer sein: Die Entscheidungen fallen im Fastnet Race.