Cole BrauerSiegerin der Herzen – die ganze Story des neuen Segelstars

Morten Strauch

 · 21.03.2024

Es ist geschafft: Cole Brauer holt sich den zweiten Platz in der Global Solo Challenge
Foto: YACHT/ M. Strauch
Der imposante Herkulesturm gilt als das älteste aktive Leuchtfeuer der Welt und hat bereits unzähligen Seefahrern den sicheren Weg in den Hafen von A Coruña gezeigt. Im ersten Licht rundete Cole Brauer mit ihrer „First Light“ nach 130 Tagen auf See den ehrwürdigen Turm, um die Global Solo Challenge auf Platz zwei zu beenden. Ein perfektes Timing für die junge Frau, die von ihrem Team und den Fans wie die Siegerin gefeiert wird. Als erste US-Amerikanerin segelte Brauer eine Solo-Nonstop-Regatta um die Welt ins Ziel

Neben ihrer segelhistorischen Leistung hat die 29-Jährige zudem etwas erreicht, was sich für ihre zukünftige Profikarriere als noch wertvoller erweisen könnte: den Aufbau einer Fangemeinde von mittlerweile 500.000 Followern auf dem Social-Media-Kanal Instagram. Tendenz weiter stark steigend. Ihre geteilten Videos, in denen sie cool und sympathisch vom Bordalltag berichtet, erreichten dabei auch massenhaft junge Menschen, für die der Segelsport zuvor nicht mehr als ein elitärer Randsport war. Dabei war Brauer zum Start des Rennens noch genauso unbekannt wie die Erstauflage der Global Solo Challenge.

Ihr Erfolgsrezept ist so einfach wie genial: Anstatt beständig die beinharte Heldin in Offshore-Profi-Klamotte zu geben, zeigt sie sich auch mal mit dem trostspendenden Plüschteddy, bei der Maniküre oder beim Abtanzen zu Rockmusik. Das mag weniger professionell und seemännisch aussehen, aber es funktioniert. Brauer feiert das Segeln, und alle feiern mit. Dank Starlink-Satelliten-Internet ist das zu jeder Zeit von jedem Ozean aus möglich. Daher verwundert es auch nicht, dass die junge Amerikanerin ihren Zieleinlauf im Livestream teilt. Eine Hand für das Smartphone, die andere für das Boot.

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Brauer ist Amerikas neue Segelheldin

Philippe Delamare, der das Rennen eine Woche zuvor auf Platz eins beendet hat, sitzt in einem Rib, um seine hartnäckigste Verfolgerin auf dem Wasser zu empfangen: „Mein Starlink hatte ich nach vier Wochen kurz vor dem Kap der Guten Hoffnung verloren. Für mich war das ein Segen, denn dadurch habe ich täglich anderthalb Stunden Schlaf gewonnen. Aber ich bin auch doppelt so alt wie Cole“, schmunzelt der Franzose. „Sie ist die Zukunft, ich bin die Vergangenheit!“

Screenshots einiger Instagram-Videos von Cole BrauerFoto: colebraueroceanracing.comScreenshots einiger Instagram-Videos von Cole Brauer

Fast vergisst Brauer, auf den letzten Metern ihre Handfackeln zu zünden. Während die Class 40 nach Steuerbord krängt, steht sie hoch oben auf der Backbordseite in der traditionellen Heldenpose. Erst jetzt fällt auf, wie klein und zierlich die New Yorkerin ist. „Yeah, you did it!“, brüllt ein Hüne mit breitem amerikanischen Akzent über das Wasser. Ihr Projektleiter ist mit einer 15-köpfigen Entourage angereist, darunter die Media-Managerin und eigens angeheuerte Fotografen. Neben einem Rib wurde sogar eine große Grand Banks gechartert, um Brauer standesgemäß zu empfangen. Das US-Team hat die Organisation für die Ankunft an sich gerissen, nichts soll dem Zufall überlassen werden. Über Instagram werden die an Land wartenden Zuschauer vorab informiert, in welchen Bereichen sie sich aufhalten sollen. Amerikas neue Segelheldin soll nicht nur bestens vermarktet, sondern auch geschützt werden.

Auch wenn es nicht zum befürchteten Massenandrang kommt, macht Cole Brauer zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, als hätte sie jemals Schutz gebraucht. Voller Elan hüpft sie von Bord, um zuallererst ihre Eltern zu begrüßen. Ehe man sich versieht, hat Brauer ihr Ölzeug mit weißen Sneakern, Jeans und schicker Jacke getauscht. Außer ihren etwas in Mitleidenschaft geratenen weiß lackierten Fingernägeln deutet nichts darauf hin, dass diese zierliche Frau gerade von einem Solo-Ritt um die Welt zurückgekehrt ist. Nur als es zur wilden Champagnerschlacht kommt, wird doch noch mal schnell die Offshore-Jacke übergezogen.

Beim Ocean Race wurde Cole Brauer abgelehnt

Rückblick: Am 29. Oktober 2023 startet Cole Brauer mit ihrer Class 40 „First Light“ von A Coruña. Ihre 15 Mitstreiter sind allesamt älter und männlich. Dafür tritt die ambitionierte Amerikanerin mit dem größten Team und dem größten Budget an. Dabei sein ist nicht alles, es soll um den Sieg gesegelt werden. Brauer setzt alles auf eine Karte, um ihren Traum von einer Profikarriere als Segelsportlerin wahr werden zu lassen. Im Jahr zuvor hatte sie bereits bei den Trials zum Ocean Race auf einem Volvo 65 teilgenommen, wurde aber aufgrund ihrer Körpergröße von 1,55 Metern als zu klein befunden, um auf den Ozeanen zu bestehen. Ein harter und tränenreicher Knockdown für Brauer. Dee Caffari, ihre damalige Trainerin, erinnert sich: „Cole verfügte damals schon über ein beachtliches Skillset, litt in dem speziellen Umfeld aber an einem Mangel an Selbstvertrauen.“

Im Sommer 2023 entscheidet sich Brauer kurzfristig für die Teilnahme an der Global Solo Challenge und gewinnt Dee Caffari als ihre Mentorin. Wenn nicht im Team, dann eben einhand um die Welt. Nach ihrem Start mit bis dahin 10.000 interessierten Followern entwickelt sich eine explosionsartige Eigendynamik auf Instagram. Ihre emotionalen Berichte über die Ups und Downs rühren und begeistern die Massen. Sogar die „New York Times“ schreibt einen bemerkenswerten Artikel über die toughe Seglerin, die an den Grundfesten der etablierten Offshore-Segelszene rüttelt.

Als am 5. Dezember der bis dahin führende Waliser Dafydd Hughes das Rennen aufgibt und Tasmanien anläuft, setzen sich Delamare und Brauer auf die Plätze eins und zwei, die sie bis zum Ziel verteidigen. Neun der 16 gestarteten Boote scheiden unter teils höchst dramatischen Umständen bei dem Rennen aus. Brauer aber segelt auf den zweiten Platz. Ihr nächstes Ziel: die Vendée Globe 2028.


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