Tatjana Pokorny
· 08.10.2023
Viel Wind hatte dieses reine Erstliga-Wochenende auf dem Bodensee nicht zu bieten. Vor Überlingen konnten nur neun statt der erhofften 16 Flights ausgerichtet werden. Spannend aber waren die Rennen allemal. Durchsetzen konnten sich auch in den schwierigen Bedingungen die Favoriten vom Norddeutschen Regatta Verein. Bei strahlendem Herbstwetter legten die Hamburger im Kampf um die Deutsche Vereinsmeisterschaft vor bildschöner Kulisse eine sehenswerte Aufholjagd hin.
Zur Sache ging es im Revier des gastgebenden Segel- und Motorboot Club Überlingen (SMCÜ). „Wir konnten uns voll auf die Erfahrung der ‚Locals‘ verlassen, die ihren See ganz genau kennen“, sagt Anke Nowak, Geschäftsführerin der Segel-Bundesliga. „So wussten wir immer, wann der Wind wieder einsetzen wird, und hatten phasenweise bis zu zehn Knoten auf dem Regattakurs. Die Thermik kam aber immer erst am frühen Nachmittag, wenn sich auch der Nebel verzogen hatte, sodass wir an zwei Tagen bis zum Sonnenuntergang auf dem Wasser waren.“
Mit den zauderhaften Windbedingungen kam das Team des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) am besten zurecht. Am Steuer wirkte Tobias Schadewaldt, Olympia-Elfter von 2012 im 49er, gewohnt souverän. Mit ihm siegten Daniel Reichardt, Juliane Adelssen und Miklas Schaper. Die Hamburger Rekordmeister, die in zehn Jahren Bundesliga-Geschichte bereits sechsmal die silberne Meisterschale in den Himmel heben durften, liegen nun mit 23 Zählern auf dem zweiten Tabellenplatz. Ihre zuvor elf Punkte Rückstand auf die Spitzenreiter vom Münchner Yacht-Club schmolzen auf nur noch einen Zähler.
Jetzt ist beim Finale wieder alles offen” (Tobias Schadewaldt)
Tabellen-Dritter ist nach fünf von sechs Liga-Regatten der an diesem Wochenende gastgebende SMCÜ (33 Punkte). Auf den Plätzen vier bis sechs folgen vor dem Finale in Hamburg der Mühlenberger Segel-Club (37 Punkte), der Wassersport-Verein Hemelingen (37 Punkte) und der Württembergische Yacht-Club (41 Punkte).
„Das war ein toller Spieltag mit unerwartet konstanten Bedingungen, wo es vor allem darauf ankam, gut zu starten und schnell geradeaus zu fahren“, sagt Tobias Schadewaldt. „Ich bin froh, dass wir das als Team sehr gut geschafft haben und uns besonders in den Zweikämpfen gegen den Münchner Yachtclub durchsetzen konnten. Jetzt ist beim Finale wieder alles offen.“
Wir wollen den Münchnern auch noch den letzten Punkt auf dem Weg zur Meisterschaft abnehmen” (Tobias Schadewaldt)
Das Finale der 11. Bundesliga-Saison seit ihrer Premiere steigt vom 19. bis zum 21. Oktober beim Norddeutschen Regatta Verein auf der Hamburger Außenalster. Tobi Schadewaldt und das NRV-Bundesliga-Team können es kaum erwarten. Schadewaldt sagte: „Das wird ein sehr spannendes Finale bei uns zu Hause. Wir freuen uns riesig darauf und wollen den Münchnern auch noch den letzten Punkt auf dem Weg zur Meisterschaft abnehmen.“
Mit dem 39-jährigen Tobias Schadewaldt hat der NRV seinen erfolgreichsten Bundesliga-Steuermann passgenau zum vorletzten Spieltag der Saison an den Bodensee entsandt. Als ehemaliges Mitglied des NRV Olympic Teams ist der frühere Laser- und Skiffsegler dem Hamburger Verein treu geblieben, auch wenn er seine Werft Jade Yachting erfolgreich in Wilhelmshaven betreibt.
Seine Leidenschaft für den 49er lebte Schadewaldt nach dem letzten Lauf der Liga-Regatta in Überlingen spontan aus, wie er lächelnd erzählte: „Ich habe gesehen, wie ein Schiff an der Sliprampe stand. Dann bin ich fix hingelaufen und hab gefragt, ob ich eine Runde drehen darf. Glücklicherweise war das okay für die Jungs. So konnte ich nach rund zehn Jahren mal wieder auf einen 49er steigen.”
Dass der Münchner Yacht-Club nach den bisherigen Liga-Ergebnissen 2, 6, 1 und 3 vor Überlingen mit Rang zehn seinen großen Vorsprung einbüßte, war auch einer konsequenten Mannschaftsphilosophie geschuldet, wie Liga-Managerin Anke Nowak bereits vor Regattastart in Überlingen erklärt hatte: „Der MYC schickt diesmal sein Juniorenteam. Der Club bleibt damit seiner Zielsetzung treu, sich einfach über den Erfolg zu freuen, den Nachwuchs weiter zu fördern und nicht verbissen um die Tabellenspitze zu kämpfen.”
Wieder auf Kurs Sailing Champions League segelt vor dem norddeutschen Liga-Finale der gastgebende Segel- und Motorboot Club Überlingen als Tabellen-Dritter. Mit rund 300 Mitgliedern zählt der SMCÜ zu den namhaften Vereinen am Bodensee. Hier wurden die Bundesligisten am Wochenende sehr herzlich empfangen und das eigene Team leidenschaftlich angefeuert.
„Die Opti-Kinder des SMCÜ waren mit auf dem Wasser und haben ihr Team lautstark mit Tröten und Rufen angefeuert“, berichtet Anke Nowak. „Es ist toll zu sehen, wie ein ganzer Verein für die Segel-Bundesliga und die eigene Mannschaft brennt. Auf dem Wasser und an Land war der SMCÜ wieder einmal ein hervorragender Partner für ein erstklassiges Liga-Event.“
Wo so viel Licht ist, bleibt Schatten nicht aus: In den Abstiegsregionen der 1. Bundesliga hat sich der Berliner Yacht-Club (BYC) an diesem Wochenende mit einem neunten Rang vor Überlingen ein wenig Luft verschafft und sich mit insgesamt 57 Punkten auf Rang 14 vorgearbeitet. Vom Abstieg bedroht sind mit je 63 Punkten auf dem Liga-Konto der Flensburger Segel-Club und der Akademische SegelVerein Warnemünde (ASW). Noch etwas mehr gilt das für den Konstanzer Yacht-Club (67 Punkte) und den Hamburger Segel-Club mit 75 Zählern als Tabellenschlusslicht.