Tatjana Pokorny
· 21.05.2023
Oliver Schmidt-Rybandt und Felix Hauss haben die Line Honors bei der fünften Auflage der Baltic 500 geholt. Das Meisterwerk gelang im Ostsee-Flauten-Poker von Strande rund Anholt und zurück. Die Sieger sagen, dass sie auch das Glück auf ihrer Seite hatten. Tatsächlich haben sie sich ihre Kräfte gut eingeteilt und eine herausragende Konzentrationsleistung erbracht
3 Tage, 5 Stunden, 49 Minuten und 51 Sekunden haben Oliver Schmidt-Rybandt und Felix Hauss gebraucht, um ihre Dehler 30 od “Powerplay” über den von Flautenfeldern übersäten Ostsee-Parcours von Strande rund Anholt und zurück zu bringen. Damit waren der Dehler-Dominator und sein Mitstreiter eine der herausragende Crews beim ersten kleinen Jubiläum der Zweihand-Ostseeregatta. Das Speedsailing-Team aus Rostock hat den auf gut 400 Seemeilen verkürzten Kurs der fünften Baltic-500-Edition entschlossen und fokussiert absolviert.
Nie war eine Line-Honors-Siegerin so klein wie wir” (Oliver Schmidt-Rybandt)
Eine gute Einteilung der Kräfte im nervenzerrenden Schwachwindrennen kam dem 45-jährigen Skipper und seinem 40-jährigen Mitstreiter zugute. Am Ende gelang mit auffrischenden Winden auf den letzten Seemeilen noch ein fulminanter Satz ins Ziel, dem auch die stärksten Verfolger nicht im gleichen Tempo folgen konnten. Für den Sieg in der Dehler-30-od-Klassenwertung reicht es allemal. Was die Leistung in der ORC-Gesamtwertung wert sein wird, muss sich noch herausstellen.
“Nie war die schnellste Crew in einem Baltic 500 so langsam wie wir. Und nie war eine Line-Honors-Siegerin so klein wie wir”, scherzte Oli Schmidt-Rybandt kurz nach dem Zieldurchgang im Hafen von Strande. Schon auf dem Wasser waren der “Powerplay” Freunde und Arbeitskollegen entgegengefahren und hatten das Team stürmisch begrüßt. Hinter sich gelassen hatte das “First ship home” nicht nur eine Reihe JPKs, die in den leichten Winden nicht zu ganz großer Form auflaufen konnten, sondern auch größere Boote mit Leichtwind-Stärken.
“Es waren zwischenzeitlich einige in Schussweite, die eigentlich in allen Bedingungen schneller sind als wir”, sagte Schmidt-Rybandt. Gefragt nach seinen Assen im Ärmel, sagte der “Powerplay”-Skipper: “Man musste schon genau hinschauen und ein bisschen die Wettermodelle miteinander vergleichen, weil sie sich teilweise widersprachen. Und es war auch viel Glück dabei.” Dazu kam an Bord der Dehler ein gutes Schlafmanagement: “Ich habe recht viel geschlafen, wenn auch nie lange am Stück. Es war meine dritte Baltic 500 und die mit dem meisten Schlaf. Das war gut für die Konzentration, hat zu richtigen Entscheidungen beigetragen.”
So gelang der “Powerplay” bei Langeland ein mächtiger Satz nach vorn. “Man konnte da bei Restlicht hellere und dunklere Bereiche sehen. Wir waren relativ weit draußen an der Nordspitze von Langeland. Da mussten die anderen durch die kleine Brücke durch, wir gingen durch die große”, berichtete Schmidt-Rybandt.
Kurz vor dem Fehmarnbelt erwischte die “Powerplay” mit 13, 14 Knoten Speed eine für diese Auflage schnelle Passage. Am letzten Abend vor dem Zieldurchgang am Sonntag ging es auch noch einmal flott voran. Sehr flott, wie Oliver Schmidt-Rybandt berichtet: “Da wehten plötzlich 20 Knoten Wind. Wir haben erst mal zwei Sonnenschüsse hingelegt. Da mussten wir den Spi bergen und vom Gas gehen. Danach sind wir langsam um Møn rum, um uns noch einmal auszuruhen.”
Zwischen diesen kurzen, schnellen Passagen in der ersten und in der zweiten Halbzeit des Rennens aber lag auch der “Neustart” bei Helsingør. Dort musste auch die “Powerplay”-Crew ankern. “Da wurde es dann spannend, denn wir waren ziemlich weit auf schwedischer Seite, während die anderen, vor allem die polnische ‘Pneuma’, auf der dänischen Seite rangerauscht kamen.”
Andrzej Rozycki und Tomasz Zukowski auf der JPK 10.30 zollt Line-Honors-Sieger Schmidt-Rybandt höchsten Respekt: “Die sind die großen Gewinner. Sie haben es genau richtig gemacht, sind auf der dänischen Seite rein in den Sund und auf der schwedischen wieder raus. Da sind sie hammermäßig nach vorne gefahren.” Anderen erging es im Sund-Poker genau andersherum. Die “tutto bene”-Crew mit Hajo Hensel und Martin Buck musste nur wenig länger ankern als das “Powerplay”-Team, rutschte aber in der Folge von Platz drei mehr als ein Dutzend Ränge zurück.
Auf die Frage, ob ihm das Sturmrennen im vergangenen Jahr oder die Zeitlupen-Edition in diesem Jahr besser gefallen habe, sagte Oliver Schmidt-Rybandt: “Das wüsste ich gar nicht zu sagen. Das Rennen war schon schön. Ich weiß, dass ich im letzten Jahr und auch bei meiner ersten Teilnahme einiges falsch gemacht habe. Dieses Mal aber haben wir uns nicht vertippt. Es war ein sauberes Rennen. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass das geht. Es war schon auch unlustig zwischendurch da draußen …”
Oh, da ist ein Brisenstrich, lass uns den mitnehmen” (Oliver Schmidt-Rybandt)
Als einen weiteren Vorteil seiner Crew nannte Schmidt-Rybandt die flexiblere Entscheidungsfähigkeit aufgrund des kleineren Bootes und der kleineren Segelflächen: “Da habe ich festgestellt, dass wir beispielsweise schneller zwischen Code und Spi hin und her peelen können, also schnell die passenden Pfeile im Köcher griffbereit hatten. Nach dem Motto: ‘Oh, da ist ein Brisenstrich, lass’ uns da hin und den mitnehmen.’” Das gelang dem Team auch nachts sehr effektiv.
Rund drei Stunden nach der “Powerplay” segelten am Sonntagabend erst die “Hinden” und direkt danach die “Pneuma” der Ziellinie entgegen. “Hinden”-Titelverteidiger Jonas Hallberg und Patrick Schmidt aber segelten an der Linie vorbei, weil sie da schon wussten, dass ihnen ein ärgerlicher Fehler unterlaufen war: Sie hatten die Tonne Stollergrund Süd ausgelassen und gaben das Rennen auf. Dann kreuzte die “Pneuma” nach 3 Tagen, 8 Stunden, 56 Minuten und 57 Sekunden die Linie. Die Beobachter waren sich sicher, dass Andrzej Rozycki und Tomasz Zukowski damit aller Voraussicht nach die ORC-Gesamtwertung des Rennens gewinnen werden.
Zu welchem Platz es für die “Powerplayer” in der Endabrechnung reichen wird, war am Sonntagabend noch nicht klar. Das Gros der Flotte segelte noch. Der ORC-Podiumsplatz war jedoch mit Blick auf die Flotte für “Powerplay” in Reichweite gerückt.