Tatjana Pokorny
· 20.05.2023
Nach dem Sturmritt im vergangenen Jahr prüft die Ostsee ihre Baltic-500-Herausforderer an diesem langen Wochenende mit einem Flauten-Parcours. “Du machst dir kein Bild, mit welchen wettermäßigen Frechheiten die Ostsee aufgewartet hat”, vermeldete “Powerplay”-Skipper Oli Schmidt-Rybandt von See
Wenn es wirklich gut läuft, dann könnten die ersten Boote die Ziellinie der fünften Auflage des Baltic 500 am Sonntagnachmittag erreichen. Bis dahin dürften die Nerven der meisten Teilnehmer so strapaziert sein, als hätte ein Specht sie mit einem Baum verwechselt. Organisationsleiter Cord Hall war zwei Tage nach dem Start am Donnerstag um 10.30 Uhr in der Strander Bucht entsprechend beeindruckt, dass erst drei Doublehand-Crews das Handtuch geworfen hatten.
Die Spitzenreiter Oliver Schmidt-Rybandt und Felix Hauss denken auf ihrer Dehler 30 od “Powerplay” gar nicht daran, den Angriff auf die Doublehand-Ostseekrone aufzugeben. Doch Oli Schmidt-Rybandt sagte auf die Frage nach bisherigen Schlüsselszenen: “Darüber muss ich nachdenken. Aber du machst dir kein Bild davon, mit welchen wettermäßigen Frechheiten die Ostsee aufgewartet hat.” Sein Team hat diese Hürden bislang am besten gemeistert und führte das Feld auch am dritten Tag in der Line-Honors-Wertung, in ORC gesamt und in der Dehler-30-od-Klassenwertung an.
Es folgten am späten Samstagabend die polnische JPK 10.30 “Pneuma” mit Andrzej Rozycki und Tomasz Zukowski, die schwedische XP-44 “Xar” mit Rikard Roth und Lars Jörnvi, die JPK 10.10 “Sharifa” mit Baltic-500-Co-Organisator Rasmus Töpsch und Urs Kohler, die JPK 10.30 “Hinden” mit Titelverteidiger Jonas Hallberg und Patrick Schmidt und weitere 34 Boote in der Flotte der insgesamt 39 verbliebenen Zweihand-Crews bei dieser Ostsee-Rallye.
Cord Hall, dessen Veranstalter-Team vom Yacht Club Strande die Baltic 500 ausrichtet und viel Arbeit in das zum Zweihand-Klassiker gewachsene Rennen steckt, sagte am Abend des dritten Wettfahrttages: “Ich habe noch nie so gut geschlafen wie bei dieser Baltic 500.” Der Dirigent muss sich dieses Mal nicht um sturmgepeitschte Teilnehmer sorgen und die Nächte durchwachen. Das Feld hatte schon nach dem Start am Morgen des 18. Mai mehr als zwei Stunden für die erste Meile zur ersten Wendemarke Kleverberg-Ost gebraucht. Da war allen glasklar, dass es ein sehr langer Ostsee-Marathon werden würde.
“Es war dort schon deutlich sehen: Wer vergeigt hatte, bekam in der Folge noch ordentlich mehr eingeschenkt”, fasste Cord Hall den Auftakt zusammen. Auch wenn es phasenweise für einige Crews etwas flotter voranging, so bleibt die Herausforderung – in diesem Jahr rund Anholt – doch ein zähes Geschäft. Hall beobachtet von Land aus erstaunlichste Szenen: “Vor allem der Øresund hat alles durcheinandergeworfen.” Wenig Wind und viel Strom machten dem Feld zu schaffen. Manchmal entschieden Minuten darüber, ob ein Boot in Fahrt bleiben konnte oder für Stunden “eingeparkt” blieb.
Nicht stoppen konnte der Øresund bislang die anhaltende Dominanz der “Powerplay”-Crew. Sie war dem Feld in der Nacht zum 20. Mai in sehenswerter Weise enteilt. Am späten Abend des 20. Mai jedoch war der erarbeitete Vorsprung fast dahingeschmolzen. Da hatten Oliver Schmidt-Rybandt und Felix Hauss noch 120 Seemeilen bis ins Ziel zu absolvieren. Drei Meilen dahinter machte die “Pneuma”-Crew allerdings Druck, soweit man das bei Bootsgeschwindigkeiten um vier Knoten so ausdrücken darf.
“Als ich nach Strande losfuhr, hatte ich keine Lust. In der Zwischenzeit fühle ich mich sehr wohl und habe das Gefühl, genau hierhin zu gehören. Besonders die Zusammenarbeit mit Felix macht Spaß. Wir sind das letzte Mal vor drei Jahren zusammen gesegelt und Felix seitdem keine D30 mehr. Trotzdem sind wir sofort im Flow gewesen. Klappt super und macht Spaß!
Die Enge von Helsingør, die zum tagesfüllenden Programm wurde, ist der dunkle Fleck auf diesem sonst so schönen Rennen bisher. So lange ‘becalmed’ liegen und zusehen zu müssen, wie der hart erarbeitete Vorsprung wegschmilzt, das ist hart. Zumal wir den gebraucht haben, um auch in ORC was zu reißen. Aber es gibt Schlimmeres. Als kleinstes Boot das Feld so lange anzuführen ist auch was wert. Ich bin gespannt, was bis zum Ziel noch für Überraschungen auf uns warten.”
Die Veranstalter hoffen darauf, die ersten Boote am Nachmittag des 21. Mai im Ziel zu sehen. “Sonntagnachmittag sollte machbar sein, gern früher Nachmittag”, hoffte Oli Schmidt-Rybandt auf See, während er im Øresund nach 291 absolvierten Seemeilen beharrlich die Führung seines Teams verteidigte.