Andreas Fritsch
· 10.01.2024
Auf dem Tracker ist gut zu verfolgen, wie “Banque Populaire XI” gestern Abend gegen 22 Uhr kurz davor ist, in eine Sperrzone um Madeira zu segeln, die das Race-Management aus Umweltschutzgründen um diverse Inselgruppen, darunter auch die Kanaren und Kapverden, gezogen hat. Um die dort häufig vorkommenden Wale nicht zu gefährden, sollen die Skipper diese umfahren. Was genau beim Durchfahren dem Skipper als Konsequenz droht, ist nicht ganz klar, normalerweise gibt es für solche Fehler Zeitstrafen.
Und so ergibt auch der Kursverlauf von Armel Le Cléac’h Sinn: Kurz vor dem Eintritt in die Sperrzone drehte er um fast 180 Grad, segelte gut 45 Minuten in diese Richtung, und als der Abstand passte, ging er wieder auf den alten Kurs zurück.
Zu diesem Zeitpunkt bestand sein Rückstand aus etwas über 30 Seemeilen. Seitdem ist er aber auf über 50 angewachsen, und das Boot scheint etwas langsamer zu segeln. Doch wer den Franzosen kennt, weiß genau, er würde niemals kommunizieren, ob und was an Bord genau los ist. Le Cléac’h ist einer der eher wortkargen Skipper, der niemals seinen Mitbewerbern erlauben würde, in seine Karten zu schauen. So war es auch stets bei der Vendée Globe. Technische Probleme wurden nie kommuniziert, erst nach dem Zieldurchgang räumte der Franzose manchmal überraschend derartige Hürden ein.
Da das Rennen bislang sehr eng ist, es viele Führungswechsel gab und das Trio an der Spitze gerade einmal 23 Meilen trennt, was für einen Ultim quasi ein Wimpernschlag ist, scheinen die Skipper unter Druck zu stehen. Besonders, weil sie diesen späten Nachmittag auf stärkeren Wind und auch höheren Seegang treffen. Böen von bis zu 40 Knoten und vier bis sechs Meter Welle sind möglich, so die Wetter-Router des Veranstalters. Die Boote segeln am Wind am Südostrand eines Tiefs eine Front entlang, müssen dabei aufpassen, nicht zu weit in sie hineinzufahren, da es dort sehr ruppig werden kann, dürfen aber auch nicht zu weit vom Tief wegfahren, da man dort in der Flaute hängen bleiben kann. Mittlerweile sind die Speeds der Boote auf deutlich über 30 Knoten geklettert. Eigentlich sind das gute Bedingungen für “Banque Populaire XI”, beim Transat war Le Cléac’h in starkem Wind schnell. Man darf gespannt sein, ob diese erste Bewährungsprobe das Feld auseinanderzieht.
An der Spitze hält sich derzeit Tom Laperche mit “SVR Lazartigue”, dem ausgewiesen schnellsten Boot in leichteren bis mittleren Amwind-Bedingungen. Ob er aber in dem rauer werdenden Wetter weiter den Fuß auf dem Gas lässt, muss man abwarten. Sein Boot war erst einen Tag vor dem Start des Rennens nach einem erheblichen Strukturschaden am vorderen Beam aus der Werft gekommen. Gut möglich, dass er sich erst wieder an die Grenzen des Tris herantasten muss. Er erklärte aber heute Morgen, dass er vorbereitet sei: “Ich habe alles aufgeräumt und gestern eine Inspektionstour durchs Boot gemacht, diesen Abend werde ich das erneut tun.“
Dicht auf den Fersen sind ihm Charles Caudrelier vom Gitana-Team und Thomas Covilles “Sodebo Ultim”. Etwas zurückgefallen ist Anthony Marchands kleinere und ältere “Actual Ultim 3”, die bislang im leichten Wind erstaunlich schnell war.