Ultim ChallengeThomas Coville – “Dieses Rennen wird Geschichte schreiben”

Tatjana Pokorny

 · 04.01.2024

Er verfügt nicht über das neueste Boot, aber die meiste Erfahrung: "Sodebo"-Skipper Thomas Coville
Foto: Martin Keruzoré
Am 7. Januar beginnt in Frankreich die Arkea Ultim Challenge - Brest. Sechs Ultim-Giganten werden mit ihren Solo-Skippern in eine nie dagewesene Nonstop-Regatta um die Welt starten. Im Interview gibt der erfahrenste Herausforderer Thomas Coville tiefe Einblicke in die Vorbereitungen, erzählt aus seinem reichen Erfahrungsschatz und davon, was ihn mit Seesegel-Ikone Ellen MacArthur verbindet

Am kommenden Sonntag startet eine der spektakulärsten Regatten der Segelwelt: Sechs Ultim-Gigantinnen eröffnen in bretonischen Gewässern die Arkea Ultim Challenge - Brest, wollen die Welt in 40 bis 50 Tagen nonstop und allein umrunden. Der Kurs führt die bekanntesten Solisten der Segelwelt und ihre Monster-Foiler von und nach Brest einmal um den Globus. Der Startschuss fällt am 7. Januar um 13.30 Uhr in bretonischen Gewässern.

Teilnehmer an der ultimativen Herausforderung sind Anthony Marchand auf “Actual Ultim 3”, Éric Péron auf dem Trimaran “Adagio”, Tom Laperche auf “SVR Lazartigue”, Charles Caudrelier auf dem Maxi “Edmond de Rothschild”, Armel Le Cléac’h auf “Banque Populaire XI” und Thomas Coville auf “Sodebo Ultim 3”. Dieses Sextett wird die Arkea Ultim Challenge - Brest in guten wie in schlechten Zeiten prägen.

Ruhe vor dem Sturm um die Welt: gute Wetteraussichten zum Start

Die jüngsten Wetterprognosen versprechen einen angenehmen Start in nordöstlichen Winden um zehn bis zwölf Knoten bei wenig Welle. In einem Interview mit den Veranstaltern gab der erfahrenste der sechs wagemutigen Skipper wenige Tage vor dem Start tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt: Thomas Coville weiß, was auf seine fünf Rivalen und ihn selbst zukommt.

Der 55-Jährige hat die Welt bereits achtmal umrundet. Fünfmal war er dabei auf einem Multihull unterwegs. 2016 brach er den Solo-Rekord für Einhandweltumsegelungen, schaffte es in 49 Tagen. Inzwischen hält François Gabart die Bestmarke, die er 2017 auf dem Trimaran “Macif” mit 42 Tagen, 16 Stunden, 40 Minuten und 35 Sekunden aufstellte. Der seit fast 25 Jahren vom gleichen Partner Sodebo unterstützte Thomas Coville startet am kommenden Sonntag nicht nur mit dem größten Erfahrungsschatz in die Arkea Ultim Challenge - Brest.

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Arkea Ultim Challenge - Brest: Thomas Coville im Interview

Der Familienvater gilt auch als sympathischer Philosoph und wortgewaltiger Schilderer seiner extremen Segelwelt. Sein 2019 gebauter Riesentri “Sodebo Ultim 3” zählt zwar zu den älteren Foilern der futuristischen kleinen, aber sehr feinen Flotte, doch trauen Experten und Konkurrenten Coville aufgrund seiner Erfahrungen viel zu. Das Interview mit dem in Rennes geborenen und aufgewachsenen Skipper:

Was macht die Herausforderung der Arkea Ultim Challenge - Brest so besonders?

Es ist ein Rennen, das Geschichte schreiben wird. Bei diesem Rennen sind wir alle Pioniere. Vor fast 15 Jahren habe ich mir dieses Rennen ausgemalt. Damals schien es noch so weit weg zu sein. Aber ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir es mit so schnellen Booten machen würden und dass wir fliegen würden. Und das Unglaublichste ist, dass die erste Frage, die wir uns stellen, nicht so sehr lautet: “Wer wird gewinnen?”, sondern: “Ist es möglich?”, wenn man bedenkt, welche technischen Aspekte funktionieren müssen und welcher Einsatz erforderlich ist.

Denn im Hochseesegeln gibt es nichts Schwierigeres als das?

Wenn man an Bord eines Einrumpfbootes einen Fehler macht, wird man auf dem Wasser platt gemacht. Man kann sich verletzen, aber meistens setzt man das Rennen fort. An Bord eines Mehrrumpfbootes kann man kentern, aber die ultimative Strafe ist der Tod. Es ist, als wäre man ein Bergsteiger, der allein an einer großen Wand klettert.

Es fühlt sich ein bisschen an wie die Erkundung des Everest”

Es fühlt sich ein bisschen an wie die Erkundung des Everest. Wir wissen nicht wirklich, ob wir es schaffen können. Wir werden in Seegebiete fahren, in denen es nicht viel Verkehr gibt. Es ist eine berauschende Mischung aus Innovation, technologischen Aspekten, der Reinheit der Geschwindigkeit und all dem, was sich in der Zerbrechlichkeit des Alleinseins widerspiegelt.

Du hast fünf Weltumsegelungs-Rekordversuche in Mehrrumpfbooten unternommen und drei davon beendet, bevor du den Rekord geholt hast, der dir 2017 wieder abgejagt wurde. Welches Verhältnis hast du heute zu dieser Weltumsegelung?

Sie interessiert mich. Sie fasziniert mich. Ich schätze es, dass sie mit der Zeit zu einer festen Größe wird, und die Vorstellung, dass die Zeit auf dem Wasser immer weiterläuft. Die ständige Anstrengung während einer Weltumsegelung fasziniert mich. Was mich interessiert, ist das Durchhalten, das Funktionieren wie in Beziehungen im Allgemeinen.

In der Antarktis wird man als Wesen nur geduldet. Man fühlt sich sehr klein”

Und dann ist da noch die Passage um die Antarktis, wo es keine Werteskala gibt, wo man das Gefühl hat, dass man als Wesen nur geduldet wird. Man fühlt sich sehr klein. Und dann die Passage um Kap Hoorn, wo uns ein neues Leben geschenkt wird. Alles in allem ist es faszinierend!

Warum ist gerade diese Weltumsegelung so schwer?

Ich wurde oft gefragt, warum ich das mache und ob es mir Spaß macht. Aber ich denke, es geht darüber hinaus: Der Wunsch muss aus dem Bauch heraus kommen. Es gibt diese zusätzliche Dimension des Bedürfnisses, über sich hinauszuwachsen.

Es sind die verschiedenen Teile des Schmerzes, der Selbstverleugnung, des Schlafmangels, der Frustration, der Angst und des Stresses, wenn wir auf Eis stoßen und kentern, wenn uns kalt ist. Aber als Spezies ist der Mensch irgendwie seltsam und scheint sich auf magische Weise an alle verschiedenen Situationen anpassen zu können. Und ich möchte das Gefühl haben, dass ich ein guter Segler bin, ein echter Mensch und kein Hochstapler. In gewisser Weise ist es eine Expedition.

Auch wenn die Nachrichten Stress verursachen, bleibe ich ein ewiger Optimist”

Verändert die Solo-Weltumsegelung einen Segler?

Ja, wir kommen nie ganz unverändert zurück. Es sind all die verschiedenen Eindrücke, die Emotionen, die die Seele herausfordern. Wenn man mehrere gemacht hat, kann man die Dinge relativieren und vor allem erkennen, wie viel Glück man hat. Ich liebe diese Zeiten, in denen wir leben.

Auch wenn die Nachrichten Stress verursachen, bleibe ich ein ewiger Optimist. Wir sind eine von den Göttern gesegnete Generation, wir erleben hier einen echten, gewaltigen Wandel in unserem Sport, und wir sind diejenigen, die auf 32-Meter-Booten allein um die Welt segeln können.

Wie schafft man die Distanz, wie wird man nicht verrückt?

Wir werden wirklich verrückt. Es gibt Tage, an denen wir in Tränen ausbrechen, an denen wir schreien, an denen überhaupt nichts gut läuft. Ich habe keinen Superheldenumhang. Ich komme immer nach Hause und fühle mich wie ein alter Soldat, dessen Gesicht und Geist die Narben der Schlacht tragen.


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Warum ist es für uns an Land so schwer zu begreifen, wie hart diese Herausforderung ist?

Ich erinnere mich, wie Ellen MacArthur (Redaktion: Rekordhalterin im Jahr 2005 mit 71 Tagen, 14 Stunden und 18 Minuten) nach meinem Rekord zu mir sagte: “Jetzt weiß ich, dass du weißt, was ich weiß.” Leider muss man sich an Land damit abfinden, dass man das nicht richtig einschätzen kann.

Ich habe ausführlich mit Thomas Pesquet (Redaktion: französischer Astronaut) darüber gesprochen, der mir von seinen Reisen in den Weltraum erzählte: “Man muss akzeptieren, dass man es nicht versteht”, und dass ich mich darauf einlassen muss, es mit Hilfe meiner Vorstellungskraft zu verstehen. Aber wir haben die gemeinsame Erfahrung gemacht, die Erde mit anderen Augen zu sehen, ihre Dimensionen besser einschätzen zu können, den zeitlichen Raum zu schätzen.

Und danach, wenn man fertig ist, wirkt alles an Land fade, fällt es schwer, in den Alltag zurückzukehren?

Ich habe schmerzhafte Reisen um die Welt hinter mir, weil ich mich an Land viel einsamer gefühlt habe als auf dem Schiff. Daran ist niemand schuld. Ich gebe niemandem die Schuld. Es liegt nicht daran, dass die Leute mich nicht mögen oder mich nicht verstehen, sondern daran, dass das, was wir tun, schwer zu verstehen ist.

Insgesamt hat es mich meiner Frau, meinen beiden Kindern und all jenen, die ich liebe, näher gebracht”

Ein Seemann wird zum Inselbewohner. Man fährt mit der heimlichen Angst los, dass die Leute einen vergessen. Dann bereut man es, losgefahren zu sein. Und wenn man fertig ist, will man wieder dazugehören und geliebt werden. Das Weggehen ist letztlich sehr egoistisch. Aber ich habe schon die Widersprüche erlebt, die mir sehr weh taten und die mich diese Stimmung allmählich weniger spüren ließen. Insgesamt hat es mich meiner Frau, meinen beiden Kindern und all jenen, die ich liebe, näher gebracht.


Die Spannung steigt der offizielle Video-Trailer der Arkea Ultim Challenge -Brest:


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