Tatjana Pokorny
· 05.01.2024
Sechs außergewöhnliche Solo-Skipper starten am 7. Januar um 13.30 Uhr vor Brest in die wohl spektakulärste Weltumsegelung: Die neue Arkea Ultim Challenge - Brest führt die sechs Meeresstürmer und ihre Riesenfoiler aus der Bretagne nonstop um die Welt. Der jüngste Herausforderer und “SVR Lazartigue”-Skipper Tom Laperche ist erst 26 Jahre alt. Der erfahrenste und älteste ist mit 55 Jahren “Sodebo Ultim 3”-Skipper Thomas Coville.
Zwischen Tom Laperche und Thomas Coville rangiert auf der Altersskala mit Anthony Marchand der zweitjüngste Teilnehmer der Arkea Ultim Challenge - Brest. Marchand stammt wie Thomas Coville aus dem bretonischen Hafenort Saint-Brieuc, ist aber im Vergleich zu dem erfahrenen Landsmann noch ein Newcomer in der Kaiserklasse des Hochseesegeln. Neunmal hat Marchand an der Solitaire du Figaro teilgenommen. 2018 war der ehemalige französische 470er-Meister im Figaro-Härtetest Zweiter, 2019 Dritter – zwei wertvolle Eintrittskarten in die Welt der Top-Akteure bei Weltumsegelungen.
Dieses Rennen ist der ultimative Stresstest”
Im Alter von 38 Jahren hat Anthony Marchand, den viele Fans noch als unermüdlichen und treuen Kämpfer an der Seite von “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat aus dem Ocean Race erinnern, seine erste Weltumsegelung auf einem Ultim-Trimaran im Visier. 2021 war Anthony Marchand als Ersatz-Skipper ins Team von “Actual Ultim 3”-Skipper Yves Le Blevec berufen worden. Nach der Route du Rhum hat er das Steuer des prominenten Foilers übernommen. Jetzt darf und will er im Solo-Einsatz die Früchte seiner Arbeit bei der Arkea Ultim Challenge - Brest ernten.
Marchand hat eisern trainiert mit seinem Boot, mit dem François Gabart 2017 den bestehenden Rekord von 42 Tagen und 16 Stunden aufgestellt hatte. Der sympathische Franzose lässt sich vielleicht am besten mit dem Sprichwort “In der Ruhe liegt die Kraft” beschreiben. Marchand ist kein Lautsprecher und kann auch bestens über sich selbst lachen. Er sagt, dass er sich mit seinem zurückhaltenden Auftreten “vielleicht auch selbst schützen” möchte.
Manchmal, so Marchand, verliere er den Überblick über das, was er sagt und kommentiert. Lächelnd erklärt er: “Dann werde ich ein wenig zu Thomas Coville …” Routinier Coville ist bekannt für seine philosophischen Betrachtungsweisen und eine bildstarke Sprache. Marchand auch dafür, ein harter Arbeiter zu sein. Der Mann mit Außenseiterchancen weiß, dass er große Herausforderungen zu meistern hat, will er den drei schnelleren Ultims der jüngeren Generation Paroli bieten.
Im Interview mit den Veranstaltern erzählt Anthony Marchand, was ihn wenige Tage vor dem Start der Arkea Ultim Challenge - Brest bewegt, wie er sein bereits um die Welt gesegeltes Boot bewertet und was ihm die Teilnahme an der Arkea Ultim Challenge - Brest bedeutet:
Ich fühle mich immer noch großartig und entspannt, auch wenn mit dem ganzen Medieninteresse, dem Briefing am Mittwoch und meinen Sporteinheiten einiges in Bewegung gerät ... Aber im Moment läuft alles reibungslos. Im Allgemeinen habe ich es geschafft, meine Wochen vor dem Rennen zu organisieren, was bedeutet, dass ein großer Teil des Drucks weg ist. Vor dem Start wird es sicher viel Stress geben, aber ich möchte nicht, dass die ganze Woche stressig ist.
Ich bin sehr gespannt, ob meine Arbeitsweise effizient sein wird. Ich habe das Gefühl, dass ich mit den Tagen vor dem Start gut zurechtkomme. Das habe ich in Le Havre schon erlebt, aber das war eine Zweihandregatta (Red.: Transat Jacques Vabre). In solchen Situationen erfahre ich viel über mich selbst. Wenn alles gut läuft, habe ich nicht so viel Stress und kann den Start genießen, was fantastisch wäre. Ich glaube nicht, dass irgendein Rennen so stressig sein kann wie dieses. Es ist der ultimative Stresstest!
Ich glaube, es war auf der Rückfahrt von der Route du Rhum, als Yves mir sein Boot übergab. Ich habe mir gesagt, dass es möglich ist und dass ich es schaffen kann. Am Ende dieser Transatlantiküberquerung meldete ich mich für die Weltumsegelung an. Der Tag, an dem ich mich angemeldet habe, kam nach reiflicher Überlegung – nicht einfach so. Danach hatte ich ein Jahr Training und entdeckte das Südpolarmeer im The Ocean Race, was zu meinen Fortschritten beigetragen hat und mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin.
Es fühlt sich an, als wenn man auf einem fliegenden Teppich unterwegs wäre”
Da ist zum einen die Tatsache, dass man über dem Wasser segelt und selbst bei zwei bis drei Meter hohen Wellen nicht beeinträchtigt wird. Es fühlt sich an, als ob man auf einem fliegenden Teppich unterwegs wäre. Es ist auch angenehm, wenn man aufrecht segeln kann ... Ich kann es nicht leiden, wenn das Boot krängt! Dann gibt es manchmal widersprüchliche Gefühle. Einerseits sind die Boote Meeresungeheuer, bei denen alles riesig ist. Andererseits sind sie leichter zu handhaben, als man denkt, als wären es fliegende Jollen.
Ja, natürlich, und zwar nicht nur die Weltumsegelung, sondern auch die Route du Rhum und das Transat Jacques Vabre und all die Meilen, die sie bereits zurückgelegt hat. Sie ist ein Boot, das sich sehr verändert hat. Sie ist in den Flugmodus übergegangen. Die Schwimmer wurden verlängert. Sie wurde mit großen Foils ausgestattet, einem Schwert mit Foil ... Ich möchte klug segeln.
Wenn es an der Zeit ist, etwas auszuprobieren, werde ich es tun. Was die Leistung angeht, möchte ich das Niveau ziemlich hoch ansetzen. Ich segle nicht um die Welt, nur um eine Reise zu machen. Mein Ziel ist es nicht, die Reise um jeden Preis zu Ende zu segeln ... Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich von der Flotte abgehängt würde. Ich ziehe es vor, schnell zu sein, alles zu geben, im Wettbewerb mitzuhalten, hart zu kämpfen, gut zu segeln und nichts zu bereuen.
Am Wind sind wir langsamer als die anderen. Mit Wind von hinten ist es umso besser, je stärker der Wind wird. Bei VMG in Lee sind wir etwas langsamer, aber unsere Geschwindigkeit stimmt. Das Schöne ist, dass auf der ganzen Welt viel mehr vor dem Wind gesegelt wird als gegen den Wind. Das ist gut für uns. Der Geschwindigkeitsunterschied ist für mich nicht groß genug, um meine Art zu segeln im Vergleich zu den anderen zu ändern. Ich möchte mit Bedacht segeln und auf der Route segeln, die ich für die beste halte.
Ich weiß es nicht, aber das Ziel ist es, nah beieinander zu bleiben. Ich denke, wenn wir bis zum Äquator gut segeln, können wir mit den anderen mithalten, so wie es beim Transat Jacques Vabre der Fall war.
Wenn man an Land ist, sind wir nur Rivalen, wir sind Gegner. Aber wenn wir erst einmal auf dem Wasser sind, sind sie unsere “Weggefährten”, Leute auf der gleichen Reise, die ein fantastisches Abenteuer erleben. Man möchte nicht, dass ihnen etwas Schlimmes zustößt. Man möchte nicht, dass einer von ihnen gezwungen wird, das Rennen aufzugeben. Du willst nicht, dass sie Probleme haben. Du willst das Beste für alle – und ein gutes Rennen.
Es wird allgemein gesagt, dass dieses Rennen etwas Außergewöhnliches ist. Aber all diese Superlative bekommen erst dann eine wirkliche Bedeutung, wenn wir die ganze Strecke absolviert haben und ins Ziel kommen. Dann haben wir etwas Außergewöhnliches erreicht. So sehe ich das. Vielleicht ist das eine Art, mich selbst zu schützen. Auf jeden Fall werden wir sehen, wie es sich im Ziel anfühlt.