470er-Mixed-EMKrasser Schiri-Irrtum lässt deutsche Medaillenchance platzen

Tatjana Pokorny

 · 18.09.2022

470er-Mixed-EM: Krasser Schiri-Irrtum lässt deutsche Medaillenchance platzenFoto: Nikos Alevromytis / Sedat Yilmaz / Int. 470 Class
Luise Wanser und Philipp Autenrieth bei der 470er-EM vor Çesme in der Türkei

Eine folgenschwere Fehlentscheidung der Wasser-Schiedsrichter hat die deutschen Medaillenhoffnungen bei der 470er-Mixed-EM vor Çesme in der Türkei platzen lassen. Die Umpires haben im Finale versehentlich das falsche von zwei deutschen Booten bestraft

Auf dem Papier haben die deutschen 470er-Teams bei der Europameisterschaft in der neuen olympischen Mixed-Disziplin ihre Weltklassezugehörigkeit demonstriert. Mit Luise Wanser/Philipp Autenrieth (Norddeutscher Regatta Verein/Bayerischer Yacht-Club) und Malte Winkel/Anastasiya Winkel (Norddeutscher Regatta Verein/Schweriner Yacht-Club) haben zwei Top-Crews die europäischen Titelkämpfe auf den Plätzen sieben und acht beendet. Hier geht es zum EM-Abschlussklassement.

Ein durchaus mögliches besseres Ergebnis allerdings hat eine krasse Fehlentscheidung der Schiedsrichter auf dem Wasser verhindert. Die entschuldigten sich zwar nach dem Finale an Land bei Luise Wanser und Philipp Autenrieth umgehend für ihren folgenschweren Patzer. Doch Entscheidungen auf dem Wasser sind wie Tatsachenentscheidungen im Fußball auch bei Eingeständnis nicht mehr rückgängig zu machen oder anfechtbar. Der entscheidende Penalty der Schiedsrichter hatte im Finale an den 470er mit der Segelnummer GER 13 (Winkel/Winkel) gehen sollen. Irrtümlich aber sprachen ihn die Schiedsrichter gegen GER 10 (Wanser/Autenrieth) aus. Durch die erforderliche Entlastung verloren Wanser/Autenrieth ihre bis dahin erkämpfte Position in der Führungsgruppe der Finalflotte und kreuzten die Ziellinie des Medaillenrennens am Ende erst als zehntes und letztes Boot.

Leidtragende einer heftigen EM-Fehlentscheidung der Schiedsrichter im Finale der 470er-Mixed-EM: Steuerfrau Luise Wanser und Philipp AutenriethFoto: Nikos Alevromytis / Sedat Yilmaz / Int. 470 Class
Leidtragende einer heftigen EM-Fehlentscheidung der Schiedsrichter im Finale der 470er-Mixed-EM: Steuerfrau Luise Wanser und Philipp Autenrieth

Trainer Steve Lovegrove: „Luise und Philipp wurden um ein besseres Ergebnis gebracht“

470er-Mixed-Trainer Steve Lovegrove sagte: „Das war nicht okay. Wir werden den Vorfall bei World Sailing melden, denn es fließt viel, viel Arbeit und Geld in olympische Kampagnen. Auf diesem Niveau dürfen solche Schiedsrichter-Fehler nicht passieren. Luise und Philipp wurden durch die Entscheidung zurückgeworfen und um ein besseres Ergebnis gebracht.“

Während der Olympia-Sechsten Luise Wanser an Land die Tränen vor Enttäuschung und Ärger übers Gesicht liefen, erklärte Vorschoter Philipp Autenrieth: „So etwas haben wir noch nie erlebt. Dass mal ein falsches Boot angepfiffen wird, das vielleicht. Aber wir waren es ja, die diesen Protest initiiert haben, weil das andere Boot einen Fehler gemacht hat. Dass es ein deutsches Boot war, spielt dabei keine Rolle. Die können nichts für den Jury-Fehler. Es ist extrem frustrierend, dass uns das in einer Situation passiert ist, in der die Medaille zumindest noch möglich war.

Philipp Autenrieth: „Schiedsrichter sind auch nur Menschen, aber es ist schon sehr hart“

Weiter sagte Autenrieth: „Wir hatten schon in Hyères eine falsche Entscheidung gegen uns. Da haben wir die Medaille noch mit zwei Meter Vorsprung ins Ziel geboxt. Hier aber hat uns der Jury-Fehler jeder Chance beraubt. Natürlich sind Schiedsrichter auch nur Menschen und Fehler passieren. Es ehrt sie, dass sie sofort nach dem Rennen zu uns gekommen sind und sich bei uns entschuldigt haben, aber es ist schon sehr hart.“

Dennoch blieben dem Team auch motivierende Erkenntnisse. Autenrieth sagte: „Wir sind gut in diese Saison gestartet, konnten in der Sommerpause an wichtigen Stellschrauben drehen. Wir sind vorne mit dabei, können auch alle schlagen. Der Jury-Fehler hier ist schmerzlich und sehr ärgerlich, aber er wird keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Es war eine insgesamt gute Woche in einem tollen, fordernden Revier.“

Malte Winkel: „Das ist super bitter für Luise und Philipp“

Auch Steuermann Malte Winkel zog nach der Fehlentscheidung gegen die Teamkameraden mit gemischten Gefühlen EM-Bilanz: „Es ist eine undankbare Situation, in der die beteiligten Segler keine Schuld tragen. Wir haben nach dem Vorfall auf dem Wasser auf eine Jury-Entscheidung gewartet und mit Grün oder einer Bestrafung für uns gerechnet. Die Entscheidung der Jury war zuerst akustisch schwer zu verstehen, und wir haben nachgefragt. Dann hörten wir erstaunt, dass GER 10 bestraft wurde. Wir dachten, das sich die Entscheidung vielleicht auf eine vorherige Situation bezieht. Den Fehler der Jury haben wir erst in vollem Umfang kapiert, als wir wieder im Hafen waren. Das ist super bitter für Luise und Philipp.“

Schnell unterwegs und ohne Schuld am Jury-Fehler gegenüber den Teamkameraden Wanser/Autenrieth: Malte und Anastasiya Winkel mit der Segelnummer GER 13Foto: Nikos Alevromytis / Sedat Yilmaz / Int. 470 Class
Schnell unterwegs und ohne Schuld am Jury-Fehler gegenüber den Teamkameraden Wanser/Autenrieth: Malte und Anastasiya Winkel mit der Segelnummer GER 13

Mit der eigenen Leistung im Finale war Team Winkel zufrieden. Malte Winkel sagte: „Da überwiegt die Freude. Wir hatten Spaß in diesem Rennen. Es war, was ich am Segeln so liebe: sehr abwechslungsreich! Wir nehmen motiviert Kurs auf die WM.“ Mit Rang drei im Medaillenfinale verteidigte Ehepaar Winkel seine siebte Position im Abschlussklassement souverän. Die norddeutsch-bayerische Crew Wanser/Autenrieth fiel nach der Fehlentscheidung auf Platz acht zurück. Europameister wurden Anton Dahlberg/Lovisa Karlsson (Schweden) vor Jordi Xammar/Nora Brugman Cabot (Spanien) und Giacomo Ferrari/Bianca Caruso (Italien).

470er-Mixed-Europameister: Anton Dahlberg und Lovisa Karlsson aus SchwedenFoto: Nikos Alevromytis / Sedat Yilmaz / Int. 470 Class
470er-Mixed-Europameister: Anton Dahlberg und Lovisa Karlsson aus Schweden

DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner: „So etwas darf auf EM-Niveau nicht passieren“

Die Bilanz fällt für das German Sailing Team einen Monat vor der Weltmeisterschaft in Israel (21. bis 29. Oktober) insgesamt positiv aus. DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner sagte: „Die Fehlentscheidung gegen das Team Wanser/Autenrieth tut sehr weh, und wir verstehen gut, wie frustriert die beiden jetzt sind. So etwas darf auf EM-Niveau nicht passieren. Insgesamt haben wir die erste ernsthafte und stark besetzte Europameisterschaft in der neuen Olympia-Disziplin 470er-Mixed erlebt. Unsere Teams haben sich gut geschlagen. Und es war mehr drin. Unser Saisonhöhepunkt ist die Weltmeisterschaft. Dafür war die EM eine gute Grundlage, die Leistungen sind vielversprechend.“

Die gerade neu formierte Crew von Simon Diesch und Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Joersfelder Segel-Club) hatte das Klassement in der EM-Anfangsphase sogar angeführt, beendete die Titelkämpfe auf Platz elf. Nur knapp hatte das vielversprechende Duo den Einzug ins Medaillenrennen verpasst. Platz 15 ersegelten Theres Dahnke/Matti Cipra (Plauer Wassersportverein). Das deutsche Goldflotten-Quintett komplettierten Theresa Löffler und Christopher Hoerr (Deutscher Touring Yacht-Club/Segel-Club Breitbrunn-Chiemsee).

Waren sehr stark in die EM gestartet, zahlten aber gegen Ende als gerade erst neu formierte Mixed-Crew noch etwas Lehrgeld: Simon Diesch und Anna MarkfortFoto: Nikos Alevromytis / Sedat Yilmaz / Int. 470 Class
Waren sehr stark in die EM gestartet, zahlten aber gegen Ende als gerade erst neu formierte Mixed-Crew noch etwas Lehrgeld: Simon Diesch und Anna Markfort