1001 Vela CupKieler Studierende kämpfen mit Bedingungen – “Das Team ist stolz”

Max Gasser

 · 01.10.2024

Das Team der Kieler Förderacer bei der letzten Trainingseinheit vor dem Vela Cup
Foto: F. Klischat/Förderacer
Studierende der Fachhochschule (FH) Kiel haben über fünf Jahre im Rahmen eines internationalen Hochschulwettbewerbs ein nachhaltiges Segelboot designt und gebaut. Beim 1001 Vela Cup vor Triest überzeugte das Team mit Innovation, auf dem Regattakurs gab es noch Schwierigkeiten

“Wir haben unser Ziel erreicht, wir wollten hin und nach den ganzen Jahren eine Wertung einfahren und das haben wir geschafft. Das Boot ist nicht kaputt gegangen, es haben alle Teile gehalten”, resümiert der Teamcaptain des Hochschul-Segelteams Förderacer Lucas Hummel noch vor Ort in Triest. Beim im Rahmen der Regatta vergebenen Innovation-Award erhielten die Kieler als einziges Team volle Punktzahl. Auf dem Wasser konnte die Crew um Richard Heinel und Justin Bednarek derweil den Anschluss nach vorne noch nicht finden.

“Am ersten Renntag hatten wir mit starken Trimmproblemen zu kämpfen und mussten erstmal lernen, wie man dieses Boot bei Leichtwind wendet. Das war ein bisschen tricky”, so Vorschoter Bednarek. Am zweiten Tag wurde die Crew dann mit dem krassen Gegenteil konfrontiert, um Risiken zu minimieren habe man sich dann frühzeitig dazu entschlossen an Land zurückzukehren, erklärt er. “Wir hatten Probleme mit unseren Dyneema-Wanden und hätten beinahe einen Mastbruch gehabt, weshalb wir entschieden haben, abzubrechen, damit wir im Herbst in Kiel noch trainieren und im Winter dann Optimierungen am Boot vornehmen können.”

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Denn schon vorab stand fest, dass das Projekt ergebnisunabhängig weitergehen soll. “Wir freuen uns unfassbar hingefahren zu sein und teilgenommen zu haben. Das Team ist stolz auf sich selbst und ich bin auch stolz auf das ganze Team”, sagte Lucas Hummel. Seit 2019 hatte sich das Team der besonderen Herausforderung gestellt, auf der boot Düsseldorf 2024 wurde das innovative Wave-Piercer-Design erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, wir haben damals ausführlich über das Team und die Besonderheiten seiner Konstruktion berichtet.

Um 1001 Vela Cup teilzunehemn, musste das Design 4,60 Meter lang und 2,10 Meter breit sein sowei eine Gesamtsegelfläche von 33 Quadratmetern vorweisen. Vor allem aber muss das Skiff mindestens zu 75 Prozent aus recyclefähigen Materialien bestehen. Denn noch immer ist im konventionellen Yachtbau Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) das Maß der Dinge. Doch das Verbundmaterial ist umstritten: Seine Produktion verschlingt viel Energie, die für die Laminierung der Glasfaserschichten verwendeten Epoxidharze basieren auf Erdöl. Hinzu kommt, dass sich GFK nicht zufriedenstellend recyceln lässt. Daher gibt es auch im Bootsbau Bestrebungen, auf andere Materialien zurückzugreifen.

Vor dem Vela Cup: Kieler Förderacer stemmen Last-Minute-Reparatur

Das gelang den Kieler Studierenden hervorragend, Rückschläge gab es in der unmittelbaren Vorbereitung auf den Vela Cup dennoch, als bei der ersten Segeleinheit sowohl Schwert als auch Ruder zu Bruch gingen. “Eine Woche vor dem Vela Cup haben wir dann quasi in einem 24-Stunden-Schichtbetrieb neue Anhänge hergestellt”, so der Teamcaptain. Er selbst sei jedes Mal vom unglaublichen Engagement seiner Crew, insgesamt rund 30 Schiffbau-, Maschinenbau-, BWL- und Medien-Studierende, erstaunt. “Wenn es drauf ankommt, funktioniert es astrein und das ist immer wieder schön zu sehen.”

Damit hat das auf den Namen “Layliner powered by BWT” getaufte Boot allerdings eine klare Schwachstelle unter vielen Stärken. Anders als beispielsweise beim America’s Cup helfen sich die Teams untereinander auf und neben dem Wasser. Nicht nur konnte der Kieler Schiffbau-Nachwuchs auf die Werkstatt der Triester Hochschule zurückgreifen, auch auf dem Wasser wurden vor der Regatta gemeinsam letzte Angleichschläge und Trainingswettfahrten absolviert.

Nach dem Wettbewerb ist vor der Optimierung

Neben großer Dankbarkeit für die kollegialen Verhältnisse unter den Teams lautet Bednareks Fazit auf sportlicher Seite: “Wir haben gesehen, dass das Boot speedmäßig im Feld mitfahren kann, sofern wir den Trim hinkriegen, damit wir die Höhe mitfahren können.” Auch wenn es bei der Regatta am Ende noch zu viel war, soll das nachhaltige Skiff künftig auch mit mehr Wind klar kommen, um auch auf der heimischen Kieler Förde unterwegs zu sein.

Für die jetzt folgende Optimierung haben die künftigen Ingenieure ihr Boot mit umfangreichen Sensoren ausgestattet. „Wir wollen wissen, wie sich Kräfte und Spannungen auf das Boot auswirken, um mehr über die Festigkeit und Stabilität unserer Flachsfaser-Sandwich-Konstruktion zu erfahren“, erklärt Hummel. „Mithilfe von Dehnmessstreifen können wir die Messdaten an Umweltbedingungen wie Windstärke, Wellenhöhe und Temperatur und den Trimm koppeln“, ergänzt sein Teamkollege Justin Bednarek. „Sogar die benötigten Messfühler haben wir selbst gebaut, weil Standardkomponenten nicht erfassen, was wir brauchen.“

Das Rigg mit einem Aluminium-Composite-Mast wurde dagegen von einem 49er recycelt und die Segel sind neu. „Die Segel bestehen aus einem Polyester-Folien-Laminat und sind daher leider nicht nachhaltig“, bedauert Teamchef Lucas Hummel. „Die Produzenten arbeiten aber bereits an recycelten Polyester-Materialien für Segel, das lässt für die Zukunft hoffen.“

Zwei weitere deutsche Hochschulen beim Vela Cup am Start

Auch das Impetus-Sailing-Team der Technischen Universität München muss sich aktuell noch mit konventionellem Tuch begnügen. Anders als die norddeutsche Konkurrenz hat man sich beim Bau des Rumpfes allerdings für Basaltfaser verbunden mit einem bereits recycelten Schaumkern und einem thermoplastischen Matrixsystem entschieden. Dadurch erreiche man Performancewerte oberhalb konventioneller Glasfasersysteme.

Zudem könne aus diesem System jede Komponente zurückgewonnen werden und so wieder in den zirkulären Kreislauf zurückgeführt werden, so Maschinenbaustudent und Team-Gründer Benjamin Wittmann. Er erklärt weiter: “Um auch bei der Produktion weitestgehend nachhaltige Produktion zu gewährleisten, sind unsere Negativformen 3D gedruckt. So benötigen wir nur ein Minimum des Materials für die Form im Vergleich zu konventionellen Negativformen und können diese nahezu vollständig schreddern und zu einer neuen Negativform verdrucken.” Das Team der Hochschule Karlsruhe komplettierte die deutsche Vertretung in Triest.

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