Vendée GlobeZieharmonikaspiel mit drei Engeln – Herrmann unter Druck

Tatjana Pokorny

 · 10.12.2024

Yoann Richommes "Paprec Arkéa" im Kampf mit den Element.
Foto: Yoann Richomme/VG2024
Boris Herrmann verteidigt bei der Vendée Globe im Indischen Ozean seinen zehnten Platz gegen drei Skipperinnen. Aber so schnell scheint der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper seine “Engel” im zuletzt friedvollen Indischen Ozean nicht abhängen zu können.

Einen Monat nach dem Start zu seinem zweiten Solo um die Welt verteidigte Boris Herrmann auch am 10. Dezember im Indischen Ozean seinen zehnten Platz vor drei Skipperinnen. Rund 15 Seemeilen hinter Herrmann lässt aber die zweimalige Schweizer Ocean-Race-Gewinnerin Justine Mettraux (”TeamWork - Team Snef”) nicht locker.

Und 45 sowie 47 Seemeilen hinter Justine Mettraux blieben am Dienstagnachmittag auch die Französin Clarisse Crémer (”L’Occitane en Provence”) und die Britin Samantha Davies (”Inititatives - Cœur”) in Schlagdistanz. Nur haben letztere beiden die Plätze zwölf und dreizehn getauscht. In den sozialen Netzwerken kursiert zum seit Tagen anhaltenden Vierkampf des Herrmann-Quartetts mit drei Damen ein an die 1970er-Jahre-US-Serie “Drei Engel für Charly” angelehntes Bild.

Vendée Globe: Drei Engel für Boris

Auf dem Bild mit dem Serientitel ist der Name Charly durchgestrichen und durch Boris ersetzt. So entstand “Drei Engel für Boris”. Boris Herrmann sagte bei einer Pressekonferenz am Dienstag von See auf die Frage, ob er eine Chance sehe, sich in naher Zukunft von den drei Skipperinnen absetzen zu können: “Es kann sein, dass ich ein bisschen von ihnen wegsegle. Es kann aber auch sein, dass wir uns wieder zusammenfinden. Es ist ein Zieharmonikaspiel zu erwarten.”

Dazu, so Herrmann, würden die wechselnden Windsysteme führen, an deren Grenzen seine Gruppe immer wieder stieße. Seine Einschätzung: “Ich habe im Moment nicht das Gefühl, dass man da einen großen Split erwarten könnte.” Seinen Rückstand auf den weit enteilten Vendée-Globe-Spitzenreiter Charlie Dalin konnte Boris Herrmann zuletzt verkürzen, hatte aber am beginnenden 31. Renntag immer noch 1111 Seemeilen aufzuholen.

Charlie Dalin hatte bereits am Montag als Erster den Längengrad von Kap Leeuwin passiert. Dabei hatte er für die Passage vom Kap der Guten Hoffnung bis Kap Leeuwin mit 9 Tagen, 22 Stunden und 27 Minuten einen neuen Rekord aufgestellt. Der Franzose führte die Flotte der 38 verbliebenen Boote zu Beginn von Renntag 31 vor seinen Landsleuten Sébastien Simon (”Groupe Dubreuil”) und Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) an.

Herrmann plant kleine Feier vor Kap Leeuwin

Seb Simon segelt seit dem 6. Dezember mit abgebrochenen Steuerbord-Foil. Boris Herrmanns Prognose für Simons weiteren Verlauf der Vendée Globe: “Meine Vermutung ist, dass Seb es nicht in die Top Ten schaffen wird.” Am eigenen großen Ziel hält Herrmann weiter fest: “Ich möchte bis Silvester oder Neujahr Kap Hoorn erreichen.”

Davor wird Team Malizias Gründer voraussichtlich am 12. Dezember das zweite der drei großen Kaps erreichen, die den Vendée-Globe-Kurs säumen und definieren. Zwar ist die bekannte Landmarke am Südwestzipfel Australiens für Herrmann nicht mit dem legendären Kap Hoorn zu vergleichen, doch sagte er: “Das wird für mich schon auch ein großer Meilenstein, eine kleine Feier sein.”

Im Fernvisier aber hat Herrmann mit Kap Hoorn das für ihn wichtigste aller Kaps. Seine Hoffnung: “18 Tage haben wir damals im Ocean Race von Kap Leeuwin bis Kap Hoorn gebraucht.” Weshalb der 43-Jährige weiter an seinem “großen Ziel” festhält: “Ich möchte Kap Hoorn bis Neujahr erreichen, auch wenn das nicht leicht wird.”

Das Südatlantik-Tief und seine Folgen

Noch einmal warf Boris Herrman am Ende des ersten Rennmonats auf Nachfrage einen Blick auf das Szenario, das ihn früh bei seinem zweiten Solo um die Welt den erhofften Platz in der Spitzengruppe gekostet hat. Auf die Frage, ob die Vendée Globe das von ihm erwartete Design-Rennen sei, sagte Boris Herrmann: “Ich glaube schon, dass das Design eine große Rolle spielt.”

Im Detail erläuterte Boris Herrmann zum für ihn bislang wenig glücklichen Rennverlauf: “Das Rennen ist definiert durch das Tief im Atlantik, das wir ja vorhergesehen haben. Das waren 100, 150 Seemeilen, die dann dort zu dieser großen Trennung geführt haben. Das ist natürlich eine Mischung aus Fortune und Design. Das Glück der Skipper und dort für mich ein bisschen Pech natürlich auch. Diese 150 Meilen Rückstand wären eigentlich anekdotisch für mich kein Problem, wenn nicht diese große trennende Situation gekommen wäre. Mit diesem idealen Tief, das die Führungsgruppe jenseits Kapstadt nutzen konnte.”

Für den dominanten Charlie Dalin und seine dichtesten Verfolger an der Spitze fand Boris Herrmann viel Lob: “Die ganze Führungsgruppe bestreitet natürlich eine tolle Vendée Globe. Das ist schon sehr beeindruckend. Auch die Dominanz von Charlie Dalin. Also Chapeau, Chapeau, da kann man nichts dran monieren. Und das auch auf Ansage – echt sehr faszinierend.”

Gute Tage im friedvollen Indischen Ozean

Die Frage, warum die Eissperrzone der Vendée Globe unterhalb Australiens relativ weit im Norden – teilweise beim 46. , tweilweise beim 50. Breitengrad Süd verlaufe, erklärte Boris Herrmann mit nationalen Sicherheitsinteressen: “Das sind die australischen Behörden, die das zur Bedingung für das Rennen gemacht haben. Dass – wenn es zu Notfällen kommt – die Leute nicht ellenweit im Süden, sondern innerhalb der Grenzen zur Erreichbarkeit sind. Von Australien aus.”

“Man konnte nicht viel sehen von der Welt. Das war auch so ein bisschen ein Höhlengefühl.” Boris Herrmann

Die aktuelle Situation auf See beschrieb Boris Herrmann als “zuletzt friedvollen Indischen Ozean”. Es sei zwar am Dienstag ein “buckliger Ritt” gewesen, aber er habe trotzdem schlafen können. Seit der letzten Reparatur habe er “gute Tage” erlebt. Boris Herrmann beschrieb die aktuellen Bedingungen als “moderat”. An den vorherigen drei Tagen sei es sehr neblig gewesen”, so Herrmann.

Die vorherrschenden Bedingungen seien, so Team Malizias Gründer, “für die meisten Schiffe der Flotte ganz gute Bedingungen”. Was erklärt, warum er sich aktuell nur schwer von seiner Gruppe absetzen kann: “Es gab seit Beginn der Vendée Globe keine Bedingungen, so wie wir sie im Ocean Race erlebt haben. Downwind für ein paar Tage mit Seegang und Wind, das haben wir noch gar nicht so richtig gehabt.”

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Endlich wieder Sonne in Sicht

Willkommen waren nach den nebligen Tagen ihm und den umliegenden Seglerinnen die Sonne, die sich am Dienstag wieder hat blicken lassen: “Das war ganz angenehm heute, weil die Sichtweite besser wurde, die Sonne geschienen hat und dann über Solar die Batterien auflädt und die Kälte hier an Bord etwas aufwärmt. Da entsteht so eine Art Treibhauseffekt, wenn die Sonne hier durch die Fensterscheiben reinscheint.”

Zu seiner vor wenigen Tagen durchgeführten Foilkasten-Reparatur sagte Boris Herrmann: “Ich hoffe, dass es jetzt hält. Ich bin da unmittelbar nach der Reparatur einige Stunden auf dem Foil gesegelt. Seitdem – jetzt drei Tage – auch auf dem Steuerbordfoil. Und erst morgen Mittag ist die nächste Halse vorgesehen. Dann wird sich nochmals wieder zeigen, wie gut das alles hält. Aber ich habe schon volle Geschwindigkeit, volle Belastung auf dem Foil gesehen. Ich gehe davon aus, dass das eigentlich ganz gut halten sollte.”

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Ich will weiter so stabil bleiben. Das ist für mich ein großer Erfolg.” Boris Herrmann

Auch ihm selbst gehe es gut, versicherte Boris Herrmann zwei Wochen vor Heiligabend: “Die Einsamkeit macht mir dieses Mal weniger zu schaffen. Das ist auch für mich eine positive Überraschung. Da kann man sich ja vorher nicht so sicher sein. Es geht mir insgesamt besser. Ich bin gut drauf und komme ganz gut klar mit dem Rennen. Ich habe da persönlich Fortschritte gemacht, was das Klarkommen mit solchen Herausforderungen und dieser speziellen Herausforderung angeht.”

REPLAY! Hier geht es zur 5. Folge der Malizia Vendée Show vom 9. Dezember, in der sich auch Boris Herrmann zu Wort meldete:

Die vierte Woche der Vendée Globe in der YACHT-Zusammenfassung:

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