Vendée GlobeYoann Richomme als Zweiter im Ziel – Dalin begrüßt ihn

Tatjana Pokorny

 · 15.01.2025

Schöne Begegnung: Vendée-Globe-Sieger Charlie Dalin (r.) und Yoann Richomme nach dessen Zieldurchgang.
Foto: Jean-Louis Carli/Alea/VG2024
Wie erwartet, hat Sieger Charlie Dalin seinen Vendée-Globe-Dauerrivalen Yoann Richomme in Les Sables-d’Olonne mit viel Respekt in Empfang genommen. “Paprec Arkéa”-Skipper Richomme kam bei seiner Vendée-Globe-Premiere als umjubelter Zweiter ins Ziel. Er war durschnittlich sogar schneller unterwegs als der Sieger, hatte aber den längeren Weg…

“Es war ein intensives Spiel!”. Mit diesen Worten kam Yoann Richomme bei seiner ersten Vendée Globe am Mittwochmorgen ins Ziel. Den Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne erreichte der “Paprec Arkéa”-Skipper nach 65 Tagen, 18 Stunden, 10 Minuten und 2 Sekunden. Im Leichtwindfinale fehlten ihm am Ende 22 Stunden, 47 Minuten und 13 Sekunden zum Fabelrekord von Sieger Charlie Dalin.

Das Vendée-Globe-Duell zweier Giganten

Im Heckwasser hat Yoann Richomme 28.326,09 gesegelte Seemeilen, die er mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 17,95 Knoten meisterte. Im direkten Vergleich dazu die Leistung von Champion Charlie Dalin. Der Vendée-Globe-Sieger holte seinen Fabelrekord über 27.666,91 Seemeilen mit durchschnittlich 17,79 Knoten.

Damit war Richomme im Schnitt sogar schneller als Dalin, hatte aber aber im Indischen Ozean eine – später bereute – größere Nordschleife in Kauf genommen, um einem Tief auszuweichen, das Charlie Dalin im Süden aussegelte – eine Schlüsselphase des Rennens. Wie schon seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Figaro-Klasse erwies sich Richomme bis in die letzten Tagen des Rennens als Dalins härtester und unerbittlichster Gegner.

Das Duell der beiden Ausnahmeskipper prägte das wichtigste Solo um die Welt. Nicht zu vergessen, dass dieser furiose Yoann Richomme Charlie Dalin mit ein paar Minuten Vorsprung die Kap-Hoorn-Krone vor der Nase weggeschnappt hatte, bevor Dalin ihn beim finalen atlantischen Aufstieg wieder einfangen konnte.

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Vendée-Globe-Powerplayer “Par Excellence”

Überraschend war das Powerplay von Yoann Richomme nicht. Obwohl er sein Projekt erst drei Jahre vor der 10. Vendée Globe aufgesetzt hatte und erst zwei Imoca-Sasions hinter ihm lagen, hatte Richomme schon vor Rennbeginn neben Dalin und weiteren Skippern zu den Siegfavoriten gezählt.

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Grund dafür waren seine Erfolge, seine so oft sicht- und hörbare Energie, seine Navigationsexpertise und nicht zuletzt die technischen Fähigkeiten, die er sich wie auch Charlie Dalin bei einem Schiffbauingenieursstudium in Southampton erworben hat. Dank der Zusammenarbeit mit Koch und Finot-Conq, war Yoann Richomme mit einem etwas radikaleren neuen und ultraschnellen Imoca-Design ins Rennen gegangen. Unterstützt wurde er bei seiner ersten Vendée Globe vom Recyclingriesen Paprec und der Bank Arkéa.

Yoann Richomme hatte schnell und gut in sein erstes Solo um die Welt hineingefunden. Auch hatte er zügig und effektiv Seetang von seinem Kiel entfernt, der ihm nach dem Start zunächst einen kleinen Schrecken eingjagt hatte. Richomme lag schon in der zweiten Nacht wieder unter den ersten zehn Booten, übernahm dann am 13. November etwa beim Breitengrad von Marokko für einen Tag die Kontrolle übers Feld.

Eine Vendée-Globe-Schlüsselszene im Indischen Ozean

Am 20. November brach Yoann Richomme den 24-Stunden-Geschwindigkeitsrekord (551,84 Seemeilen), überbot die von Nicolas Lunven (”Holcim-PRB”) einige Tage zuvor aufgestellte Bestmarke. Den Rekord hielt er rund eine Woche, bevor ihn “Groupe Dubreuil”-Skipper Sébastien Simon überflügelte. Simon hält die Bestmarke mit 615,33 Seemeilen über 24 Stunden seit dem 27. November.

Yoann Richomme indessen blieb fast immer in der Nähe von Charlie Dalin. Er zählte zu den Ersten, die von einem erstaunlichen Tiefdruckgebiet profitierten, das nur die Spitze der Flotte beim atlantischen “Abstieg” von der brasilianischen Küste bis zum Kap der Guten Hoffnung und darüber hinaus beflügelte. Aufmerksame Vendée-Globe-Fans werden sich an den damit verknüpften Begriff vom “Kapstadt-Express” erinnert, den viele Skipper und auch Boris Herrmann verpasst hatten, während die vorderen Boote davongaloppierten.

Eine der weiteren Schlüsselszenen spielte sich auf dem Weg zu den Kerguelen-Inseln ab, als ein ein großes Tiefdruckgebiet nahte. Es wurden 60 Knoten Wind und acht Meter hohe Wellen erwartet. Während Charlie Dalin seinen Kurs kühn nach Osten fortsetzte, wichen Yoann Richomme und weitere Skipper nach Norden aus, nahmen viele, viele Extra-Seemeilen in Kauf. „So habe ich im Falle eines Problems einen Fluchtweg, ohne von der ZEA (Red.: Eisgrenze im Süden) festgehalten zu werden“, hatte Richomme zu dem Zeitpunkt erklärt.

Mit Können und Kampfgeist: Richommes Comeback

Doch Charlie Dalin und auch Sébastien Simon nutzten das Tief zum Ausbruch. Dalin baute seinen Vorsprung auf über 400 Seemeilen aus. Richomme wiederum war keinesfalls bereit, es bei dem für ihn ärgerlichen Rückstand zu belassen. Der “Paprec Arkéa”-Skipper drehte wieder auf, drückte das Gaspedal anschließend maximal durch und zeigte sein Können und seinen Kampfgeist.

Ihm gelang ein beinahe unglaubliches Comeback von mehr als 500 Meilen binnen weniger Tage. Nachdem Richomme Tasmanien passiert hatte, überholte er in einem fast schon sensationell entfesselten Lauf erst Seb Simon am 14. Dezember und dann Charlie Dalin, der zu diesem Zeitpunkt bereits gut zwei Wochen in Führung lag, am 17. Dezember.

Es folgte ein hochspannendes Spitzenduell, ein heftiger Zweikampf zwischen den beiden Giganten dieser Vendée Globe, die sich bei der Analyse der Wetterdaten und den Einstellungen ihrer Raketen ständig gegenseitig überboten. Während Sébastien Simon die beiden am Ende des Pazifiks mit gebrochenem Steuerbord-Foil hatte ziehen lassen müssen, machte zunächst Yoann Richomem das Rennen bis Kap Hoorn. 9 Minuten und 30 Sekunden Vorsprung reichten ihm zur begehrten Kap-Krone, die er mitreißend feierte.

Richomme holt die Kap-Hoorn-Krone

Zwischen Kap Leeuwin und Kap Hoorn war Richomme mit 13 Tagen, 9 Stunden und 13 Minuten der Schnellste. Weitere sieben Tage blieb er nach dem Linksabbieger bei der Durchquerung des Südatlantiks der führende Mann. Am 31. Dezember, als sich das Duo bei Cabo Frio aus der Kaltfront herauskämpfte, vertraute Dalin querab von Rio de Janeiro aber auf seinen Instinkt. Der spätere Sieger schlängelte sich aus der Leichtwindzone heraus und machte dem Katz-und-Maus-Spiel mit Richomme ein Ende.

Es war dieser Schachzug, der sich als entscheidende erweisen sollte. Dalin übernahm die Führung und gab sie bei der finalen Annäherung an den Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne nicht mehr her. Als Yoann Richomme schließlich noch sein Vorsegel J0 verlor, war das ein weiterer kleiner Rückschlag. Richomme gab im Endspurt alles, konnte Dalin aber nicht mehr einfangen.

Platz zwei bei seiner ersten Vendée Globe feierte er mit seiner Familie, seinem Team, den Gastgebern und Fans aber zurecht wie einen Sieg. Das Vendée-Globe-Silber dürfte nur der Beginn der Fortsetzung seiner Liebesgeschichte mit dem Rennen sein. Und sicher auch ein gutes Omen, denn es war zu erleben, was Charlie Dalin dem eigenen Silber bei der neunten Auflage dieses Mal mit dazugewonnener Erfahrung folgen lassen konnte.

10. Vendée Globe: “kurz”, aber sehr intensiv

Dass Yoann Richomme und sein Team erst vor drei Jahren durchgestartet sind, war dem Vize-Champ zu keiner Phase des Rennens anzumerken. Auch bei “kurzer Vendée Globe” sei es “ein langes und intensives Rennen” gewesen, so Richomme in Anspielung auf die neue Bestmarke Dalins und auch die eigene überragende Zeit.

Das Niveau ist unglaublich hoch. Ich liebe es!” Yoann Richomme

Nach einst vielen Jahren in der leistungsorientierten Figaro-Klasse, in der auch Charlie Dalin seine jahrelange Aus- und Fortbildung vorantrieb, sagte Yoann Richomme am Tag seiner Ankunft in Les Sables-d’Olonne: “Ich weiß nicht, wie man heute noch zur Vendée Globe kommen kann, ohne vorher ein paar Jahre Figaro zu segeln. Das Niveau ist unglaublich hoch. Ich liebe es!”

Vendée-Globe-Fans fiebern schon jetzt einer möglichen Neuauflage des Duells zwischen Charlie Dalin und Yoann Richomme in vier Jahren entgegen. Beide Skipper signalisierten die Fortsetzung ihrer Kampagnen. Charlie Dalin sagte dazu bereits am Vortag: “Warum nicht?”.

Seb Simon wird am Freitag erwartet

Yoann Richomme sagte in den ersten Minuten nach seiner Zielankunft: “Ich bin sehr stolz und denke dabei auch an all die Menschen, die uns geholfen haben, auch schon vorher, die früheren Sponsoren. Ich möchte auch sie daran teilhaben lassen. Es war ein unglaubliches Abenteuer! Wir haben uns wirklich gut vorbereitet. In meinem Kopf war ich bereit, ich musste kaum basteln, das Boot ist direkt wieder einsatzbereit!”

Für die folgenden Skipper und Skipperinnen lief das Rennen indessen in unvermeinderter Intensität weiter. Dabei hatte Seb Simon am Mottwochmorgen noch gut 400 Seemeilen bis in den eigenen Heimathafen Les Sables-d’Olonne zu meistern, wo er einst als Optikind das Segeln gelernt hatte. Er wird inzwischen am 17. Januar zwischen 6 und 13 Uhr im Ziel erwartet.

Im heißen Kampf um die Plätze vier bis zehn wahrte “Charal”-Skipper Jérémie Beyou morgens am 15. Januar einen Vorsprung von gerade einmal einem guten Dutzend Seemeilen vor dem nicht lockerlassenden Sam Goodchild (”Vulnerable”).

Boris Herrmann sieht neue Aufholchance

“Biotherm”-Skipper Paul Meilhat konnte Platz sechs trotz J2- und Stagungemach bei 45 Seemeilen Rückstand auf Goodchild verteidigen. Rund 85 Seemeilen hinter ihm lag gegen Ende von Renntag 66 “Holcim - PRB”-Skipper Nico Lunven. Weitere gut 100 Seemeilen hinter ihm blieb Justine Mettraux (”TeamWork - Team Snef”) ebenso im Angriffsmodus wie ihre Verfolger Thomas Ruyant (”Vulnerable”) und Boris Herrmann.

Der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper hatte am Vortag bei seiner Gratulation an Charlie Dalin gesagt, dass er in einigen Tagen neue Chancen für eine Aufholjagd sieht. Sein Wiedervorrücken hat der 43-Jährige aus Hamburg als aktuell Zehnter der Vendée-Globe-Flotte noch lange nicht aufgegeben.

REPLAY! Hier geht es zum Live-Stream von der Ankunft von Yoann Richomme:

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