Tatjana Pokorny
· 25.12.2024
Dieser erste Weihnachtstag steht bei der 10. Vendée Globe im Zeichen von Sébastien Simon. Der Solosegler aus Les Sables-d’Olonne hat Kap Hoorn als Flotten-Dritter passiert. In grauer Waschküche rauschte “Groupe Dubreuil” mit 17, 18 Knoten Speed knapp 30 Seemeilen südlich am Kap vorbei. Platz drei zu diesem Zeitpunkt hat er sich mit furioser Entschlossenheit und viel Kampfgeist verdient.
Bei der Vendée Globe segelt Seb Simon das Gewinner-Boot aus dem letzten Ocean Race. Mit “Mālama” war Charlie Enrights US-Team 11th Hour Racing zum Sieg im wichtigsten Mannschaftsrennen um die Welt gesegelt. Jetzt kämpft Seb Simon auf dem Entwurf von Guillaume Verdier von 2021 um einen Podiumsplatz bei der Vendée Globe. Sein Boot heißt jetzt “Groupe Dubreuil”. Mit ihr bestand Seb Simon nach vielen Rückschlägen an diesem 25. Dezember seine erste Kap-Hoorn-Passage.
Für den Abschnitt vom Starthafen Les Sables-D’Olonne bis zum wichtigsten Meilenstein des Solorennens um die Welt benötigte Seb Simon 44 Tage, 21 Stunden, 19 Minuten und 38 Sekunden. Das dritte und wichtigste Kap seines Solos um die Welt erreichte er um 10.21 Uhr morgens deutscher Zeit am ersten Weihnachtstag.
Es lebe der Atlantik!” Sébastien Simon
Über sein schönstes Weihnachtsgeschenk freute sich Simon, sagte: “Wir haben Kap Hoorn mit der Imoca ‘Groupe Dubreuil’ passiert. Merci Pazifik, ciao Süden. Es geht geradeaus nach Les Sables-d’Olonne. Das ist unglaublich! Es ist genial! Danke an alle. Danke an die Groupe Dubreuil. Danke an die Familie Dubreuil, die es möglich gemacht hat, diesen Moment zu erleben. Das letzte Kap! Das ist ein schönes Weihnachtsgeschenk. Das ist cool!”
Auf dem Weg zu “Bronze” bei Kap Hoorn hatte Seb Simon bereits mehrere Stürme zu meistern. In den vergangenen Tag hatte er es phasenweise mit Winden von über 50 Knoten zu tun! Auch vor Kap Hoorn waren seine Bedingungen mehr als lebhaft. Nun darf Seb Simon links in den Atlantik abbiegen und den Schlussspurt in seinen Heimathafen einläuten. Dabei ist der Mann aus Les Sables-d’Olonne die bisherige Überraschung der Vendée Globe. Vor Rennstart hatte er nicht auf den Favoritenlisten gestanden. Nun haben ihn längst alle auf dem Schirm.
Das ist vor allem für Seb Simon selbst nach vielen Rückschlägen in den vergangenen Jahren Balsam auf die Wunden. Seine Teilnahme an der letzten Vendée Globe hatte er bei Kapstadt aufgeben müssen. Bei der Retour à La Base hatte er vor einem Jahr wenige Meilen vor dem Ziel seinen Mast verlor, nachdem er sich einen Knochenbruch im Rückenbereich zugezogen hatte.
Auch das Ocean Race mit Team Guyot an der Seite der Co-Skipper Benjamin Dutreux und Robert Stanjek war alles andere als rund gelaufen. Nach mehreren schweren technischen Tiefschlägen und der wiederholten Wiederauferstehung war es in Den Haag zur Schock-Kollision mit eben jenem Boot von 11th Hour Racing gekommen, das Simon jetzt als “Groupe Dubreuil” segelt. Am 15. Juni 2023 hatte die “Guyot”-Crew das Boot unter US-Flagge übersehen. “Guyots” Bugspriet hatte sich damals ins Heck von “Mālama” gebohrt, die das Ocean Race aber nach enormem Kraftakt noch gewinnen konnte.
Das Boot, das Seb Simon nun solo um die Welt trägt, hat also schon eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Nun wird entscheidend sein, wie Simon ohne sein abgebrochenes Steuerbord-Foil den Atlantik hinaufkommt. Die Herausforderung bleibt groß.
Die beiden Führenden Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) und Charlie Dalin (”Macif Santé Prévoyance”) schrammen indessen bereits im Alantik an der teilweise bis zum 44. Breitengrad Süd hochgezogenen Eisgrenze entlang. Yoann Richomme geht so nah ran, dass man fast Sorge haben muss, dass er die Grenze überfährt. Der aktuelle Spitzenreiter will es offenbar wissen. Der extreme Kurs unterstreicht seinen Willen, das Duell mit Charlie Dalin für sich zu entscheiden.
Nachdem der “Paprec Arkéa”-Skipper Kap Hoorn an Heiligabend mit nur neun Minuten und 30 Sekunden Vorsprung vor Charlie Dalin passiert hatte, führte er die Vendée-Globe-Flotte vormittags am 25. Dezember inzwischen mit imposanten 116 Seemeilen Vorsprung vor Dalin an.
Nur einfache Bedingungen herrschen für die beiden Frontmänner nordöstlich der bereits im Eiltempo passierten Falkland Inseln aber auch nicht. Sie haben einem Hochdruckgebiet auszuweichen und müssen schauen, wie sie sich im weiteren Verlauf den Atlantik hinaufhangeln.
Ihre Verfolger auf den Plätzen vier bis elf von “Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant über Boris Herrmann auf Platz sieben bis zur Schweizerin Justine Mettraux (”TeamWork - Team Snef”, 11.) beschäftigt bei der Kap-Hoorn-Annäherung indessen die Frage, wie sie ihren Rückstand von rund drei Fastnet-Rennen und mehr verringern können. Boris Herrmann vermeldete mittags am 25. Dezember: “Joyeux Noël, Merry Christmas, frohe Weihnachten an alle. Ich denke an Euch. Das Boot und ich sind in großartiger Form. Santa Claus schickt uns momentan gute Winde.”
Thomas Ruyant, der bei der letzten Vendée-Globe-Edition selbst ein Foil verloren hatte, drückte zuletzt das Gaspedal auf seiner “Vulnerable” bei fast 100 Prozent Leistung voll durch. Er sagte: “Die Winde sind nicht mehr ganz so unbeständig. Ich hatte ein paar Sturmböen, aber die sind selten. Ich habe vor allem einen Wind, der sich langsam etabliert, ich bin ein wenig vor diesem Windband, das sich mit mir bewegt, und ich werde bis Kap Hoorn einen West-Nordwestwind haben, der sich verstärkt, wenn ich das Kap passiere.”
Ruyant erwartet, dass die Winde “vielleicht auf 35 bis 40 Knoten zunehmen”. Die seien aber voraussichtlich nicht mit einer zu rauen See verbunden, so Ruyant. Er erwartet für seine Kap-Hoorn-Passage etwa drei bis vier Meter Wellengang und sagte: “Das sind keine allzu schlechten Bedingungen, um das Kap im Laufe des 27. zu passieren, denke ich!” Sein Blick auf die drei weit vor ihm liegenden führenden Boote fiel realistisch aus.
Thomas Ruyant sagte: “Seb Simon ist sehr weit weg, er ist 1000 Meilen voraus. Ich weiß, dass ich mir vor vier Jahren den Backbord-Flügel gebrochen. Und das war nicht die richtige Seite! Es ist sicher, dass Seb mit seinem Backbord-Foil viel besser sein wird. Er wird im Süd-Ost-Passat, um den Äquator zu erreichen, die Doldrums, so denke ich, nicht so bestraft werden! Vielleicht bei ein paar Wenden im Südatlantik, aber die ersten drei hatten immer noch ziemlich unglaubliche Bedingungen im zweiten Teil des Pazifiks. Wir wenden immer noch bei Winden, die nicht sehr stabil sind.”
Weiter sagte Ruyant: “Es ist ein hartes Rennen, und ich werde versuchen, meinen Platz vor dieser Gruppe zu halten, das ist der Sinn und alles, was ich in den nächsten Wochen tun will! Wenn sich eine Gelegenheit bietet, werde ich sie natürlich nutzen, aber ich bin nicht derjenige, der die Wetterprognosen macht. Ein Comeback wäre nur bei einem wetterbedingter Stopp (für die Spitzenreiter, Anm. d. Red.) möglich, aber das erscheint mir immer noch kompliziert. Wir werden versuchen, es gut zu machen!”
Dritter vor Kap Hoorn! Das Weihnachtsvideo von “Groupe Dubreuil”-Skipper Seb Simon: