Vendée GlobeThomson heizt an die Spitze

Andreas Fritsch

 · 13.11.2016

Vendée Globe: Thomson heizt an die SpitzeFoto: HugoBoss/Th.Martinez/Sea&Co

Mir Urgewalt ist der Brite am Wochenende an die Spitze geprescht, führte mit fast 40 Meilen Vorsprung. Doch jetzt kommen die Doldrums

Es war fast schon ein bisschen unheimlich, wie "Hugo Boss" scheinbar spielerisch die Konkurrenz geradezu stehen ließ und in knapp zwei Tagen aus einem 65-Seemeilen-Rückstand eine Führung von zeitweise über 40 Meilen machte – Fans des bis dahin an der Spitze liegenden Armel Le Cléac'h mögen sich schon gefragt haben, ob der Franzose ein technisches Problem hat. Doch heute morgen kam die Entwarnung: "Ich bin seit den Kapverden nicht gut gesegelt, fand keinen guten Trimm. Aber jetzt ist wieder alles im Rhythmus", meldete er.

  Stand des Rennens heute Morgen um 9 UhrFoto: Vendee Globe
Stand des Rennens heute Morgen um 9 Uhr

Das ist wichtig, denn nun fährt das Feld ins nächste große Hindernis: die Doldrums. Der Schwachwindgürtel etwas nördlich des Äquators bremst das Feld schon heute ein, Alex Thomson war zeitweise am frühen Morgen mit nur noch zehn Speed unterwegs. Etwa 150 Seemeilen breit ist der Gürtel der schwachen Winde, er wird die Teilnehmer bis Dienstag beschäftigen. Auf den Routing-Tools zeichnete sich eine ideale Passage zwischen 27 und 28 Grad West ab, auf diese Stelle zielt das Feld nun ziemlich einheitlich. Nur Alex Thomson steht deutlich weiter östlich. Schon einmal hat es ihm wenig Gutes beschert, weitab vom Hauptfeld seine eigenen zu Wege. Bleibt zu hoffen, dass der Engländer mehr Glück hat.

Mittlerweile kostet der hohe Speed der ersten Tage – geht es so weiter, könnte der Rekord für die schnellste Äquator-Passage deutlich unterboten werden – die ersten technischen Opfer. Tanguy de Lamotte brach auf seiner "Initiatives Coeur" gestern der Masttopp ab. Im folgenden Chaos wickelte sich auch noch ein Vorsegel um seinen Kiel. Nun versucht er, die Kapverden anzulaufen, um eine Reparatur vor Anker durchzuführen – es sind "nur" die obersten 30 Zentimeter abgebrochen, Lamotte überlegt, ob er die Bruchstelle so reparieren kann, dass er ein neues Großfall anschlagen kann und unter 1. Reff und mit drei Vorsegeln (die tiefer angeschlagen sind) weiter segelt (Zum Video vom Bruch geht es hier)

  Das abgebrochene MasttopFoto: Tanguy de Lamotte
Das abgebrochene Masttop
  Stand des Rennens heute Morgen um 9 UhrFoto: Vendee Globe
Stand des Rennens heute Morgen um 9 Uhr

Eine harte Zeit hatte auch Kojiro Shiraishi mit seiner "Spirit of Yujo". Bei einem Sonnenschuss geriet sein Gennaker ins Wasser – und ist nun nicht mehr einsatzbereit.

Jean-Pierre Dick ("St. Michel-Virbac") musste seinen großen Gennaker an Deck bändigen, als der untere Teil der Rollvorrichtung brach. Das scheint viel Zeit gekostet zu haben, sein Rückstand beträgt mittlerweile schon 237 Seemeilen. Selbst der führende Alex Thomson blieb nicht von technischen Problemen verschont, sein Motor hatte dem Anschein nach Wasser im Öl. Nach ein paar Stunden Arbeit und einem kompletten Ölwechsel soll die Maschine mittlerweile wieder einwandfrei laufen.

Im Feld beobachten die Franzosen-Armada den schnellen Ritt von "Hugo Boss", den sie etwas uncharmant die "Roastbeef-Rakete" nennen, mit Argusaugen. "Safran"-Skipper Morgan Lagravière gab zu Protokoll: "Ich bin vorgestern dicht hinter Alex gesegelt. Er ist entweder sehr schnell oder ein bisschen langsam. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Dann kam Wind, und er ist plötzlich losgerauscht. Ich glaube, sein Boot hat ein sehr schmales Band, in dem es richtig schnell segelt. Sie ist nicht so vielseitig wie 'PRB'. Wir werden sehen, wie sich das auszahlt."

Man wird das Gefühl nicht los, dass der Brite die scheinbar übermächtigen Franzosen-Truppe – noch nie hat ein Niicht-Franzose die Vendée gewinnen können – allmählich doch tatsächlich nervös macht.

Video-Zusammenfassung von Tag 8

Im Feld hat sich am Wochenende einiges getan. Sébastien Josse konnte mit seiner "Edmond de Rothschild" wieder zu den Sptzenreitern aufschließen, da sein westlicher Kurs ihm weniger Halsen bescherte als der Konkurrenz. Er liegt nun gleichauf mit Armel Le Cléac'h. Etwas zurückgefallen ist Vincent Riou mit seiner "PRB", sein Rückstand auf die beiden beträgt aber gerade einmal sieben Meilen. Möglicherweise kann er die Leichtwind-Stärke seines Bootes in den Doldrums ausspielen. Dahinter segelt das Trio Jérémie Beyou ("Maitre Coq"), Morgan Lagarière ("Safran") und Paul Meilhat ("SMA") sehr konstant mit, es konnte aber am ganzen Wochenende dem Speed Thomsons nicht folgen.

Dahinter schließt das Feld der älteren Boote an, angeführt von einem nahezu fehlerfrei segelnden Yann Eliès ("Quéguiner Leucémie"), Vendée-Globe-Legende Jean Le Cam ("Finistere mer Vent") und dem Newcomer Thomas Ruyant ("Le Souffle du Nord"). Ab etwa dieser Position könnten die nächsten Tage bitter werden: Laut Vorhersage der Meteorologen soll sich das Band der Doldrums deutlich nach Norden ausdehnen, was das Gros des Feldes dann mächtig einbremsen würde.