Sébastian Simon ist der erste Solist der 10. Vendée Globe, der seit dem Abend des 7. Dezembers gegen 17 Uhr mit gebrochenem Steuerbord-Foil segeln muss. Sein Boot war in Winden um 25 Knoten außer Kontrolle geraten. Erst von den wilden Schiffsbwegungen war der Franzose aus dem Schlaf geschreckt. Nachdem er die auf die Seite geschlagene “Groupe Dubreuil” wieder unter Kontrolle gebracht hatte, stellte der 34-Jährige fest, dass sein Steuerbord-Foil am “Ellenbogen” gebrochen war und seinen wichtigsten Part verloren hatte.
Erste Nachtbilder von Sébastien Simon hatten den zerfetzten Foil-Rest am Sonntag gezeigt. Simon hatte danach aber bald vermeldet, dass sein Boot – davon abgesehen – weiter in gutem Zustand sei. Dazu hatte der Franzose angekündigt, dass er das Rennen mit der gleichen Entschlossenheit fortsetzen wolle, mit der er es begonnen hatte. Das war die der vergangenen Nacht direkt zu beobachten.
Während Spitzenreiter Charlie Dalin unter dem Einfluss eines Hochdruckgebietes deutlich langsamer wurde, konnte Seb Simon binnen etwa acht Stunden bis zum Montagmorgen mehr als 50 Seemeilen auf Dalin gutmachen. Das gelang Seb Simon, weil er seine hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten auch mit gebrochenem Flügel beibehalten konnte. Dazu hatte er deutlich mehr Wind als Charlie Dalin, der am frühen Morgen zum hundertsten Mal als Spitzenreiter einer der alle vier Stunden aktualisierten Positionsmeldungen ausgewiesen wurde.
Charlie Dalin war zuletzt in den Einflussbereich eines großen Hochdruckgebietes geraten, das von Nordwesten her voranzieht. Das wiederum wird von einem ostwärts ziehenden Tiefdruckgebiet bedrängt, das Dalins Jäger beeinflusst. So konnte der unglücklich “gestutzte” Seb Simon erheblich auf Charlie Dalin aufholen und neue Motivation tanken.
Zu den jüngsten Gewinnern zählen auch Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) und Thomas Ruyant (”Vulnerable”) auf den Plätzen drei und vier. Sie hatten ihre Rückstände auf Dalin zuletzt auf rund 370 und 490 Seemeilen stark reduzieren können. Sie haben mehr als 100 Seemeilen auf Dalin gutmachen können, dessen Führung von knapp 180 Seemeilen aber vorerst noch komfortabel war.
Besonders hart waren die Bedingungen für die weiteren Jäger nördlich und westlich von ihnen. Nico Lunven (”Holcim-PRB”) und Jérémie Beyou (”Charal”), die erst vor wenigen Tagen kurzzeitig Windarmut zu beklagen hatten, ist es inzwischen eher zu viel: Sie bewegen sich bei mehr als 800 Seemeilen Rückstand auf den Frontmann mit dem Tiefdruckgebiet in unruhiger See und in Böen bis zu 40 Knoten. Beide – Beyou und Lunven – haben auf den Plätzen fünf und sechs schwer zu kämpfen.
Beyou, der nicht nur das gute Vorankommen von Dalin und Simon sorgenvoll beobachtet, für die das Wetter seiner Meinung nach besser ist, war am Montagmorgen in der gleichen Stimmung wie der Himmel über ihm: grau! Der “Charal”-Antreiber bereute offensichtlich seine Entscheidung, wegen des letzten Tiefs die Fluchtroute nach Norden gewählt zu haben.
„Der erste Monat vergeht immer sehr schnell, wir schaffen zwei Ozeane im ersten Monat“, fasste der “Charal”-Skipper gegen Ende des 29. Renntages der 10. Vendée Globe kurz zusammen. Und weiter: “Die Bedingungen waren seit etwa zehn Tagen nicht einfach, die Umschiffung dieses großen Tiefs hat mein Rennen komplett verändert, es hat mich komplett aus dem Kampf an der Spitze herausgeworfen, in dem ich mich befand.”
Beyous Kurzbeschreibung der vergangenen Tage: “Die vorderen Fahrer sind direkt vor dem Tiefdruckgebiet abgerauscht, die Gruppe der Jäger musste den Umweg in den Norden wählen, und die Gruppe hinter ihnen konnte geradeaus weiterfahren, so dass sie eine Art Autobahn hatten.”
Gemeint war mit der “Autobahn-Gruppe” auch das Quartett um Boris Herrmann, das nach der Buckelpiste im Agulhasstrom ohne Flucht vor einem Riesentief und die für Lunven, Beyou und andere so kostspielige Nordschleife ihren Kurs stramm nach Osten hatten fortsetzen können. “Wir aber saßen wirklich in der Falle”, brachte Jérémie Beyou das selbst gewählte Rückschlag-Szenario für sich und auch Nico Lunven auf den Punkt. “Nun diktiert das Wetterphänomen mein ganzes Rennen, das ist wirklich ärgerlich”, beschrieb Beyou seine missliche Lage.
Dass er dafür in der vergangenen Nacht auch noch mit 45-Knoten-Prügel bedacht wurde, empfand sogar der hartgesottene Beyou als extrahart. “Dann denke ich, dass wir wirklich auf dem falschen Weg sind. Letzte Nacht hat das kleine Tiefdruckgebiet genau auf mich eingeschlagen, so dass ich eine Nacht mit 45 Knoten im Durchschnitt hatte!”
Beyou sagte: “Die See ist dort (Red.: etwa beim 45. Breitengrd Süd und rund 800 Seemeilen westlich von Charlie Dalin) sehr rau. Es herrschen seit etwa zehn Tagen bootsgefährdende Bedingungen – nicht einfach.”
Ich glaube, ich bin der Einzige, der das mit Nico so durchgestanden hat.” Jérémie Beyou
Beyous Ausblick fällt kaum versöhnlicher aus: “Die Herausforderung für die nächsten Tage besteht darin, das Boot unter diesen Bedingungen nicht kaputt zu machen. Die See ist sehr unruhig. Wir haben Seegang aus Südwest und dazu eine kabbelige Welle aus dem Norden. Sobald wir versuchen, das Boot mit mehr als 20 Knoten zu fahren, wird es natürlich sehr schwer für das Boot. Und auch für den Mann ist es sehr anstrengend!”
Jérémie Beyous Zwischenbilanz: “Zu Beginn des Rennens war ich nicht im richtigen Muster. Das Rennen hat sich für mich nicht geöffnet. Ich habe den Eindruck, dass es für die ersten beiden vorwärts geht. Und auch für die Gruppe hinter uns. Wir hingegen befinden uns in einem schwierigen Muster. Das Ziel für die nächsten Tage wäre, dass sich die Dinge ein wenig ändern. Dass die Muster ein wenig natürlicher werden, auch die Route, und dass die Bedingungen zwischen den führenden Booten ein wenig gerechter werden.”
Körperlich, so Beyou, gehe es ihm gut. Das Gleiche gelte für seine Moral. Er wisse, dass “das Rennen lang ist” und sagte: „Ich glaube daran, dass sich die Dinge irgendwann wenden werden, dass es eine Gelegenheit geben wird, zurückzukommen. Die muss ich ergreifen!” Ganz ähnliche Denkweise beflügeln auch die anderen Jäger. Zu ihnen zählte zum Auftakt der fünften Rennwoche auch Boris Herrmann, der seinen Rückstand nach ganz vorne zuletzt auf 1235 Seemeilen verkürzen konnte. 24 Stunden zuvor waren es noch rund 115 Seemeilen mehr.
Hier geht es zum jüngsten Video-Clip von Boris Herrmann – inklusive Pfannkuchen-Spaßfaktor:
Hier der Clip zu Sébastien Simons Foil-Bruch: