Tatjana Pokorny
· 24.12.2024
Es ist eine herausragende Vendée-Globe-Premierenleistung von Yoann Richomme! Der 41-Jährige hat das Weihnachtsduell im Kap-Hoorn-Gipfelsturm gewonnen. In der Nacht von Montag auf Dienstag passierte der französische “Paprec Arkéa”-Skipper nach fesselndem Bug-an-Bug-Duell mit seinem Landsmann Charlie Dalin das dritte und wichtigste Kap der Vendée Globe als Erster von 36 noch segelnden Booten. Richommes Triumph war in der ersten Stunde von Heiligabend perfekt.
Damit ist ein 41-jähriger Vendée-Globe-Rookie Yoann Richomme der neue König von Kap Hoorn. Der angriffslustige französische Yachtkonstrukteur und sein Antoine Koch/Finot-Conq-Design "Paprec Arkéa" passierten den Meilenstein vor dem atlantischen Schlussabschnitt um 00:27:20 Uhr deutscher Zeit. Seine Leistung ist vielfach bemerkenswert: Es ist Yoann Richommes erste Vendée Globe. Es ist seine erste Kap-Hoorn-Passage. Und es ist das erste Mal ist, dass er überhaupt so lange auf See ist.
Yoann Richomme meisterte den Kurs bis Kap-Hoorn in 43 Tagen, 11 Stunden, 25 Minuten und 20 Sekunden. Damit blieb er imposante 3 Tage, 13 Stunden, 9 Minuten und 26 Sekunden unter dem acht Jahre alten Vendée-Globe-Rekord für diese Strecke. Der damalige Vendée-Globe-Sieger Armel Le Cléac'h hatte den Rennabschnitt vom Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne bis zu legendären Landmarke in 47 Tagen, 0 Stunden, 34 Minuten, 46 Sekunden absolviert.
Charlie Dalin kreuzte den Längengrad von Kap Hoorn mit "Macif Santé Prévoyance" nur neun Minuten und 30 Sekunden nach Yoann Richomme um 00:36:50 Uhr deutscher Zeit. Er brauchte von Les Sables bis Kap Horn 43 Tage, 11 Stunden, 34 Minuten und 50 Sekunden. Mit ihrem packenden Duell sorgten Yoann Richomme und Charlie Dalin für das historisch engste Spitzenduell vor Kap Hoorn. 2012 hatte den späteren Sieger François Gabart und Armel Le Cléac’h bei ihrem Weihnachtsduell vor Kap Hoorn 1 Stunde und 20 Minuten getrennt.
Mit ihrem Zweikampf haben sich die beiden führenden Skipper der Vendée Globe eine Kap-Hoorn-Passage bei Tageslicht und bestem Blick auf den berühmten Felsen verdient, der nicht jedem Solisten vergönnt ist. Yoann Richomme demonstrierte sein Glück mit einem Selfie, auf dem er mit ausgestreckter Zunge zu sehen ist. Überglücklich sagte er beim sichtlichen Genuss seines Erfolges bei Kap Hoorn: “Das ist genial!”
Die Antwort vom hier knapp geschlagenen Charlie Dalin kam prompt. Auf der kleinen Tafel, auf der die Skipper regelmäßig ihre Meilenstein-Resultate zeigen, hatte Charlie Dalin eine Botschaft an seinen “besten Feind” notiert: “„Slt Yoann, der Atlantik wird nicht friedlich sein“. Dabei steht “Slt” als Kurzform für Salut, eine französische Begrüßung. Dalins Grußkarte ist also verschickt. Man darf sicher sein, dass es zwischen den beiden Skippern, die sich schätzen und mögen, auch an den Weihnachtstagen keine Geschenke geben wird!
Die Dalin-Ansage verspricht einen deftigen Atlantik-Thriller. Ob dabei Charlie Dalin mit seinem 2022er-Design “Macif Santé Prévoyance” von Guillaume Verdier einen kleinen Vorteil haben wird? Yoann Richomme hatte es lange vor seiner erfolgreichen Kap-Hoorn-Passage so formuliert: "Ich schätze mich glücklich, ein so starkes Boot in Downwind-Bedingungen zu haben. Charlie weiß das ganz genau. Er wird seine Zeit im Atlantik haben, aber das hier ist meine. Jeder von uns ist mal dran.”
Damit dürfte es spannend bleiben auf dem letzten großen Atlantik-Abschnitt. Richomme und Dalin hatten ab Kap Hoorn weniger als 7000 Seemeilen bis in den Start- und Zielhafen vor sich. Während die Kap-Hoorn-Entscheidung an der Spitze gefallen ist, wird es für den auf Platz drei liegenden Sébastien Simon ein langer Heiligabend. Der “Groupe Dubreuil”-Skipper segelt Kap Hoorn zwar alleine und damit von der Konkurrenz vorerst ungefährdet entgegen, hatte aber am frühen Morgen des 24. Dezember noch gut 400 Seemeilen bis zum Kap vor sich und sein Boot zuletzt in stürmischen Winden zu bändigen.
Die ihm folgenden acht Teilnehmer feiern die Festtage deutlich näher beeinander: Die Solisten auf den Plätzen vier (Thomas Ruyant) bis elf (Justine Mettraux) trennten morgens am 24. Dezember insgesamt nur rund 340 Seemeilen. “Malizia – Seaexplorer”-Skipper Boris Herrmann lag dabei mit 1746 Seemeilen Rückstand auf die Spitze weiter auf Platz sieben. Auf seinen vor ihm segelnden ehemaligen Ocean-Race-Navigator Nico Lunven (”Holcim - PRB”) hatte Herrmann 30 Seemeilen Rückstand.
Boris Herrmann berichtete über Nacht bei seiner zweiten Vendée Globe von der Annäherung an Kap Hoorn: “Es ist grau, aber ein bisschen weniger grau als die letzten Tage. Wir erleben alle Facetten des Graus im Süden. Es ist ein intensiver Rhythmus. Jeder hat seine technischen Probleme: Ich denke, die anderen haben etwas mehr davon als ich. Ich habe sehr wenige!”
Beim Blick auf die Rennsituation hielt der Familienvater aus Hamburg realistisch fest: “Es gibt kaum Möglichkeiten, wieder nach vorne zu kommen. Es ist eine gerade Linie, man geht keine Megawetten auf die eine oder andere Seite ein. Also wird sich bis zum Horn nicht viel bewegen. Danach werden wir sehen. Die Boote vor uns werden bessere Bedingungen haben. Ich glaube, für uns sieht es langsam aus, am Wind, aber wir werden sehen. Besorgt oder verärgert über die Situation bin ich nicht!”
“Wir haben Kap Hoorn geschafft! An der Spitze! Mit ein paar Minuten Vorsprung… Das ist genial!” So kommentierte Yoann Richomme seine Kap-Hoorn-Passage in der ersten Morgenstunde am 24. Dezember: