Vendée GlobePazifik-Duell bis Kap Hoorn – “Das ist magisch”

Tatjana Pokorny

 · 21.12.2024

Diese magische Stimmung hielt im Südpazifik "Biotherm"-Skipper Paul Meilhat fest. Der Franzose verfolgte an Renntag 41 Boris Herrmann bei 50 Seemeilen Rückstand.
Foto: Paul Meilhat/VG2024
Für die Spitzenreiter sind Bedingungen auf der südpazifischen Autobahn wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk: Charlie Dalin und Yoann Richomme rauschen Kap Hoorn entgegen. Zwar wurde zuletzt auch Dalin kurz etwas langsamer, doch das macht das Duell der Vendée-Globe-Giganten nur noch spannender. Keine Vorab-Weihnachtsgeschenke dagegen hält der Pazifik für die Verfolger bereit.

Fortune und Segelbedingungen bleiben in den Top Ten der Vendée Globe auch am Ende der sechsten Segelwoche ungleich verteilt. Fast optimale Winde erleben die Spitzenreiter Charlie Dalin (”Macif Santé Prévoyance”), Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) und auch Sébastien Simon bei ihrer raschen Annäherung ans dritte und schon letzte große Kap der Vendée Globe. Eher quälige Bedingungen dagegen herrschen für ihre Jäger auf Kurs Point Nemo und Kap Hoorn.

Vendée-Globe-Spitzenreiter: Zwei Halsen bis Kap Hoorn

Der Pazifik bleibt für das führende Trio sehr zugänglich, auch wenn Vendée-Globe-Frontmann Charlie Dalin zuletzt etwas leichtere Winde erlebte und sein hartnäckiger Herausforderer Yoann Richomme am frühen Samstagmorgen wieder an ihn herangerückt war. Nach fast 15.500 Seemeilen trennen die beiden französischen Rivalen in den Breitengraden der “Schreienden Fünfziger” nur zwei Seemeilen!

Angreifer Richomme berichtete berichtete früh morgens am 21. Dezember: „Bei den derzeitigen Bedingungen haben wir 20 bis 25 Knoten Wind. Und das wird bis Kap Hoorn auch so bleiben. Wenn das Boot einmal eingestellt und getrimmt ist, segelt es sich fast von selbst. Abgesehen davon, dass man alles im Auge behalten und den Kurs und die verschiedenen Manöver steuern muss, ist es ganz einfach! Es gibt nicht viel, worüber man nachdenken muss. Es ist sehr simpel: Wir haben noch zwei Halsen bis Kap Hoorn.”

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Dass es so danach nicht weitergehen wird, ist auch dem “Paprec Arkéa”-Skipper klar: “Danach wird es kompliziert auf dem Kurs über den Atlantik. Und das wird interessant! Aber vor dem Hoorn ist kein Segelwechsel geplant. Es geht nur geradeaus. Das ist magisch.” Der Traum von Kap Hoorn in Sichtweite allerdings könnte für Dalin und Richomme platzen, wie Richomme erklärte: “Ich hoffe, dass wir nicht zu weit von dem Felsen entfernt sein werden und ihn vielleicht sehen können, aber für den Moment heißt es, dass wir nachts vorbeifahren!“

Ruppige Bedingungen für die Top-Ten-Verfolger

Angesichts der aktuell nicht so arg fordernden Bedingungen nahm sich Yoann Richomme die Zeit, die Stärken und Schwächen seines Koch/Finot Conq-Designs und Charlie Dalins Verdier-Entwurf zu vergleichen: „Charlie und ich haben nicht das gleiche Boot. Sein Rumpfdesign erlaubt es ihm, bei Raumschotsbedingungen und auf spitzeren Kursen schneller zu sein als ich. Aber auf der anderen Seite knallt sein Bug eher in die Wellen als meiner! Normalerweise fühle ich mich also auf Downwind-Kursen wohler. Es handelt sich um zwei Boote, die in zwei verschiedenen Möglichkeitsbereichen optimiert wurden.”

Den Unterschied zwischen den für das Führungstrio angenehmeren Bedingungen und den ruppige wie instabilen Herausforderungen, die ihre Verfolger zu bändigen haben, erklärte Nico Lunven am Samstagmorgen. Hinter dem viertplatzierten “Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant als Fünfter gut im Rennen, erläuterte “Holcim - PRB”-Skipper Lunven, warum die Jäger der führenden drei Boote mehr zu kämpfen haben als ihnen lieb ist.

Wenn du schnell segelst, brichst du alles. Wenn du versuchst zu verlangsamen, dann kommst du nicht gut voran.” Nico Lunven

Boris Herrmanns ehemaliger Ocean-Race-Navigator Nico “The Brain” Lunven sagte: “Wir befinden uns fast in der Mitte des südlichen Pazifiks. Eine Woche noch bis Kap Hoorn. Hoffentlich. Ich hatte einen langen und sanften Pazifikschwell erwartet, aber unglücklicherweise herrscht bei 30, 35 Knoten Downwind ein kurze und ruppige Welle. Das ist nicht sehr angenehm. Es ist sehr hart, die richtigen Einstellungen für das Boot zu finden.”

Boris Herrmann greift wieder den Titelverteidiger an

Dabei ginge der Wind, so Lunven, ständig rauf und runter: “Manchmal hast du 20, manchmal 32 Knoten. Das ist ziemlich fordernd. Ich denke, so wird es bis fast zum Kap Hoorn weitergehen. Wir haben einfach ziemlich komplizierte Bedingungen.” Genauso hatte es Boris Herrmann bereits am Vortag beschrieben.

Der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper verteidigte auch am zu Ende gehenden 41. Renntag der Vendée Globe bei 1253 Seemeilen Rückstand auf Charlie Dalin seinen achten Platz. Dabei war er dem vor ihm liegenden Titelverteidiger wieder bis auf 50 Seemeilen nahegekommen. Auch Boris Herrmann berichtete von “schwierigem Seegang”, “chaotischer See” und “unregelmäßigen Winden”, die eine regelmäßige Bootsgeschwindigkeit erschweren.

Ein anderes Kap, andere Herausforderungen

Während die Führenden die ersehnte Begegnung mit Kap Hoorn bereits zu Weihnachten und in den Tagen danach ins Auge fassen dürfen, blickt der Chinese Jingkun Xu (”Singchain Team Haikou”) gerade erst dem Längengrad von Kap Leeuwin entgegen. 5740 Seemeilen hinter Charlie Dalin hat Jingkun Xu aber ein für sich und seine Unterstützer noch viel wichtigeres Zwischenziel im Auge: die Überquerung des Längengrads der Stadt Haikou (110° Ost). Sie ist auf der Insel Hainan der Heimathafen seiner Sponsoren.

Jingkun Xu erzählte: „Bald kommt Kap Leeuwin! Aber vorher werde ich den 110. östlichen Längengrad passieren. Auf diesem Längengrad liegt die Stadt Haikou, wo mein Sponsor ist. Mein Landteam hat für dieses Ereignis Geschenke für mich vorbereitet, zusammen mit den Weihnachtsgeschenken, die ich mir erhoffe. Ich werde sie am Abend des 24. öffnen!”

Für seine Heerscharen an Fans hatte Jingkun Xu noch gute Kunde zum Fest: “Am kommenden Montag werde ich mit unserem Renndirektor Hubert Lemonnier in den chinesischen sozialen Netzwerken und für unsere chinesischen Internetnutzer eine Live-Übertragung auf Chinesisch machen. In der Hoffnung , dass dadurch möglichst viele Chinesen dieses Rennen kennenlernen!“

Manchmal nehme ich mir Zeit, mit den Seevögeln zu plaudern.” Jingkun Xu

Über sein Leben an Bord berichtete der erste chinesische Teilnehmer der Vendée-Globe-Geschichte: „Auf See vergeht die Zeit sehr schnell, es gibt viel zu tun: Ich führe zwei Sicherheitschecks pro Tag durch. Man muss das Wetter studieren. Es gibt viele kleine Reparaturen und manchmal nehme ich mir Zeit, um mit den Seevögeln zu plaudern! So geht ein Tag schnell vorbei!“

Manchmal sagt der Wetterbericht 30 Knoten Wind vorher. In Wirklichkeit bekomme ich Böen von 45 bis 50 Knoten. Das ist das Schlimmste.” Jingkun Xu

Über seine Passage im Indischen Ozean sagte Jingkun Xu: „Der Indische Ozean ist schwierig und kompliziert. Es gibt viel Wind und Wellen, es ist schwierig, sich an Bord zu bewegen. Überall ist Wasser. Vorgestern hatte ich lange Zeit Nordost-Wind. Ich dachte sogar, ich hätte falsches Wetter heruntergeladen, weil es so ganz anders war, als angekündigt! Morgen habe ich anscheinend eine weitere große Herausforderung mit schwerem Wetter zu bestehen. Ich werde euch etwas später berichten, was ich das erlebt habe! Derzeit habe ich 40 Knoten Wind.“

Der Link zur Nachmittagssendung Vendée Globe Live am 21. Dezember um 14.30 Uhr mit dem Schweizer Oliver Heer und Navigatorin Libby Greenhalgh:

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