Vendée GlobeNico Lunven führt, Sam Goodchild genießt “Rüherei mit der Queen”

Tatjana Pokorny

 · 14.11.2024

Mit "Holcim - PRB" raste Nico Lunven zum 24-Stunden-Solorekord
Foto: Adrien Nivet/Polaryse
Mehr als zwei Drittel der Vendée-Globe-Flotte hat Madeira passiert und setzt den Kurs nach Süden fort. Die Führung hat zu Beginn von Tag 5 am DonnerstagnachmittagNico Lunven übernommen. Sein Ocean-Race-Skipper Boris Herrmann duelliert sich mit einer Dame. Sam Goodchild hat trotz seiner Autopilotenprobleme wieder Boden gutgemacht.

Sam Goodchild ist Brite. Das erklärt, warum bei ihm an Bord eine winkende Miniatur der 2022 verstorbenen britischen Monarchin auf dem Vendée-Globe-Kurs mitreist. “Die Königin und ich haben heute gemeinsam ein Rüherei genossen”, vermeldete der “Vulnerable”-Skipper am Donnerstagmorgen lächelnd, bevor er zum ernsteren Teil seiner Botschaft überging.

Der 34-jährige hatte das Feld vor der portugiesischen Küste bereits angeführt, musste dann aber mit Autopiloten-Problemen einige Federn lassen, rutschte auf Platz fünf ab. Inzwischen ist er mit dem zweiten Autopiloten wieder auf Platz drei vorgefahren. Er jagt den neuen Spitzenreiter und 24-Stunden-Solorekordhalter Nico Lunven (”Holcim - PRB”) und den zweitplatzierten “Paprec Arkéa”-Skipper Yoann Richomme.

Vendée Globe: Goodchild gibt Gas

Hinter Sam Goodchild zurückgefallen sind sein Chef und Rennstallkollege Thomas Ruyant (”Vulnerable”) und Jérémie Beyou (”Charal”). Die Probleme mit seinem ersten Autopiloten aber sind für Goodchild noch nicht behoben. Hinter dem ehemaligen Schüler von Mike Golding, Alex Thomson und der Artemis Offshore Academy liegt eine unangenehme Nacht mit einem Sonnenschuss und harten Stunden.

“Unglücklicherweise hatte ich in der Nacht weitere Autopliotenprobleme. Das ist etwas ermüdend”, erklärte der kampfstarke Brite am Morgen danach, als wäre ihm nur ein Kaffee umgefallen. Er müsse, so Goodchild, voraussichtlich bis zum Wochenende warten, um den Autopiloten bei weniger Wind reparieren zu können. Die Lage hält den Hartgesottenen ganz offensichtlich nicht davon ab, weiter Vollgas zu geben.

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Nico Lunven hat sich selbst überrascht

Das hat Nico Lunven auch getan. Und wie! Erfrischend berichtete der ehemalige Ocean-Race-Navigator von Boris Herrmann nach seinem 24-Stunden-Solorekordlauf am Vortag von aktuell “sehr angenehmen Segel-Bedingungen”. Zu seiner Bestmarke sagte der stets bescheidene Franzose mit dem Spitznamen “The Brain”: “Es war auch ein bisschen eine Überraschung für mich. Ich habe den Rekord nicht erwartet, habe ihn nicht gesucht. Aber ich bin auch ein bisschen stolz darauf.”

Der “Holcim - PRB”-Skipper hatte am Vortag mit 546,60 Seemeilen einen Solo-Meilenrekord über 24 Stunden aufgestellt, der aber noch offiziell ratifiziert werden muss. Ob der Rekord bis zum Rennende hält? Nico Lunven tippt eher auf weitere Fabelläufe: “Ich glaube, unsere Boote heute sind sehr, sehr schnell. Ich denke, wir können noch besser sein. Ich hatte nette Bedingungen, aber sie waren nicht perfekt.” Gleichzeitig mahnte der besonnene 41-jährige Sprößling einer leidenschaftlichen Segelfamilie auch als Spitzenreiter: “Dieses Rennen ist noch sehr lang. Da kann noch so viel passieren.”

140 Seemeilen nordwestlich von den Kanaren strebten die Solisten zu Beginn des fünften Vendée-Globe-Tages weiter nach Süden. Die Windbedingungen versprachen noch keine umgehende Erleichterung für jene, die Ruhe für Reparaturen brauchen. “Es läuft das große Rennen nach Süden, zum Kap der guten Hoffnung. Alle kämpfen darum, vielleicht mit einen Vorsprung dort unten anzukommen”, erklärte Ocean-Race-Segler Alan Roberts, der das Rennen intensiv beobachtet.

Vendée-Globe-Favorit Dalin unter Druck

Auch für den Top-Favoriten Charlie Dalin läuft es bislang noch nicht so rund wie erhofft. Er habe, so der an sechster Stelle liegende “Macif Santé Prévoyance”-Skipper, in der vergangenen Nacht nicht geschlafen. Dalin gab in verschiedenen Interviews zu Protokoll, dass er einige schlechte Entscheidungen getroffen habe. Der 40-Jährige wirkte etwas weniger souverän, als man ihn sonst kennt. Diese unruhige Anfangsphase fordert offensichtlich auch dem Zweiten der vergangenen Auflage einiges ab.

Landsfrau Clarisse Crémer war nach dem Verlust ihres größten Gennakers zunächst “sehr enttäuscht”, vermeldete aber am Donnerstagmittag wieder ein “happy life” von Bord. Die “L’Occitane en Provence”-Skipperin sprach von “gemischten Gefühlen” betreffend ihrer bisherigen Leistung. Sie habe durch den Gennaker-Verlust einige Einbußen und befinde sich mit Blick auf die vorherrschenden Winde in einer “komplizierten Situation”, seit aber insgesamt wieder positiv gestimmt.

Im Klassement wurde Clarisse Crémer am Nachmittag des 14. November auf Platz 17 hinter der Britin Samantha Davies auf “Initiatives - Cœuer” geführt. Clarisse Kremers Mann, “Lazare”-Skipper Tanguy Le Turquais, lag zu dem Zeitpunkt auf Platz 21. Währenddessen kämpft der Mount-Everst-Bezwinger Maxime Sorel weiter an allen Fronten. Gehandicapt durch seine Fußverletzung, hat der “V and B - Monbana - Mayenne”-Skipper weiter Probleme mit seinem Großsegel. Der Rutscher für das Großsegelfall ist beim dritten Reff blockiert.

Pip Hare im Vendée-Globe-Rhythmus

Die Britin Pip Hare dagegen konnte vermelden, dass sie “in ihren Rhythmus” gefunden hat. Weiter im Westen positioniert, ist sie mit “Medallia” auf Platz 22 vorgerückt. Sie erklärte: “Es geht eng zu hier draußen. Wenn du Tempo für einen Segelwechsel rausnimmst, verlierst du Meilen – und schnell auch Plätze.” Im Vergleich zu ihrer Vendée-Globe-Premiere fühle sie sich jedoch gut: “Damals sind wir zu diesem Zeitpunkt gerade durch die zweite Front gegangen. Diese Tiefs waren scheußlich!”

Pip Hare erinnerte sich: “Ich war unter Deck und habe beobachtet, wie die Winde bis zu 50 Knoten anschwollen! Alles rüttelte und schüttelte sich… Damals hatten wir es an Tag vier gerade da durchgeschafft und waren einfach nur erleichtert.” Jetzt, so Pip Hare, seien sie schon an Madeira vorbei. Aber: “Wir blicken ziemlich toten Passatwinden entgegen.”

Auch eine Art, sein Frühstück zu “genießen” – an Bord bei Sam Goodchild:

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