Vendée GlobeNeujahrsgrüße und Sorge um die Boote in Buckelbedingungen

Tatjana Pokorny

 · 01.01.2025

Boris Herrmann begrüßt das neue Jahr im Südatlantik heiter.
Foto: Boris Herrmann/VG2024
Charlie Dalin hat die Vendée-Globe-Flotte vor Yoann Richomme als starker Mann ins neue Jahr geführt. Boris Herrmann blieb in ruppigen Amwind-Bedingungen – auch durch die “Happy New Year”-Brille betrachtet – vorerst Neunter. Für die Verfolger der Frontmänner ist es kein Traumauftakt zum neuen Jahr.

Charlie Dalin und Yoann Richomme blieben auch am Neujahrsmorgen die dominanten Kräfte der Vendée Globe. Die Skipper von “Macif Santé Prévoyance” und “Paprec Arkéa” nutzten auf der Höhe von Cabo Frio nördlich von Rio de Janeiro die Spitze eines noch jungen Tiefs wie eine Brücke über das St.-Helena-Hoch. So kamen sie zuletzt mit guten Geschwindigkeiten von fast 20 Knoten voran.

Vendée Globe: Dalin dominiert auch im neuen Jahr

Weil aber Charlie Dalin die frischeren Winde zuerst erreicht hatte, konnte er seinen Vorsprung vor Yoann Richomme in der Silvesternacht leicht ausbauen, bevor ihm Yoann Richomme am Neujahrsmorgen bis auf 60 Seemeilen wieder dichter ans Heck rückte. Beide rangen darum, die Passatwinde nördlich von Salvador de Bahia möglichst schnell zu erreichen.

Hinter ihren wahrte am Neujahrsvormittag bei 376 Seemeilen Rückstand auf Dalin Sébastien Simon (”Groupe Dubreuil”) seine Position etwa vier Breitengrade weiter südlich und dichter vor Brasiliens Küste. Mit seinem abgebrochenen Steuerbord-Foil blieb der Flotten-Dritte weiter von direkter Konkurrenz unbedrängt. Das konnte Thomas Ruyant auf Platz vier nur noch eingeschränkt von sich behaupten.

“Vulnerable”-Skipper Ruyant hielt am 1. Januar bei der 11-Uhr-Positionsaktualisierung zwar immer noch einen Vorsprung von rund 230 Seemeilen vor dem stark aufgekommenen “Biotherm”-Jäger Paul Meilhat, doch sein Polster ist etwas zusammengeschmolzen. Auch insgesamt hat sich Ruyants Vorsprung vor den Verfolgern auf den Plätzen fünf bis zehn etwas reduziert.

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Auf der Buckelpiste zwischen Tief, Hoch und Eisgrenze

Die Jägergruppe segelte beim 44. bis 46. Breitengrad Süd zwischen einem Tiefdruckgebiet in ihrem Westen und einem Hochdruckgebiet im Osten in einem Amwind-Korridor nach Norden. Dabei macht ihnen die letzte Ecke der Eisgrenze als Sperrgebiet auf ihrer rechten Seite das optimale Fortkommen zusätzlich schwer. Die Boote hämmerten in Winden um 25 Knoten und mehr immer wieder erbarmungslos in die See.

Zeit für eine Silvesterparty an Bord oder gar viel Muße für Neujahrsgedanken blieb den schwer geprüften Skippern beim Jahreswechsel kaum. In dieser Top-Ten-Verfolgergruppe lag Boris Herrmann am Neujahrmorgen weiter auf Platz neun, hielt dabei einen zuletzt leicht geschrumpften Vorsprung von gut 30 Seemeilen auf die Schweizer “TeamWork - Team Snef”-Skipperin Justine Mettraux.

Die Abstände zwischen den Jägern blieben insgesamt gering: Von den auf den Plätzen sechs bis acht vor ihm liegenden Nico Lunven (”Holcim - PRB”), Jérémie Beyou (”Charal”) und Sam Goodchild (”Vulnerable”) trennten Boris Herrmann am 1. Januar bei der 11-Uhr Positionsaktualisierung 13 bis 60 Seemeilen. “Es sind harte Bedingungen! Wir segeln am Wind, das Boot schlägt in die See. Und das geht noch zwei Tage so. Dann finden wir noch wieder andere Bedingungen und kämpfen uns weiter nach Norden gen Heimat”, hatte Boris Herrmann am Silvesterabend die unangenehmen Bedinungen beschrieben.

Beyou kämpft um ein besseres Vendée-Globe-Kapitel

Während sich die Top-Ten-Verfolger weiter belauern und der Stresspegel entsprechend gestiegen ist, nahm sich der auf Platz sieben zurückgefallene Jérémie Beyou etwas ausführlicher Zeit für eine Beleuchtung der Auswirkungen von fast 52 Tagen auf See und der aktuellen Rodeobedingungen beim Amwindsegeln seiner Gruppe im Südatlantik.

Der 48-jährige hatte 2008 erstmals an der Vendée Globe teilgenommen, war damals aber schnell mit Bruch ausgeschieden. Auch vier Jahre später musste er sein Solo mit Kielproblemen aufgeben. Seinen formidablen dritten Podiumsplatz holte Jérémie Beyou 2016/2017, obwohl er einen guten Teil der Vendée Globe ohne Wetterinformationen und Kommunikation hatte bestreiten müssen.

Bei der letzten Vendée-Globe-Auflage war Beyou als einer der Co-Favoriten ins Rennen gegangen, musste aber schon vier Tage nach dem Start zur Reparatur nach Les Sables-d’Olonne umkehren. Er konnte das Rennen erst 9 Tage, 2 Stunden und 50 Minuten nach dem offiziellen Start wieder aufnehmen und kam nach mental enorm fordernder Jagd um die Welt als Dreizehnter ins Ziel. Charal blieb ihm als loyaler Sponsor weiter treu.

Es schüttelt uns sehr.” Jérémie Beyou

Dieses Mal wollte Beyou wieder mehr. Doch aktuell quält er sich wie seine Konkurrenten über die südatlantische Buckelpiste. “Die Bedingungen sind schwierig. Ich habe 28 Knoten Wind und Hackwelle. Wir suchen unseren Weg zwischen diesem stürmischen Tiefdruckgebiet, das im Westen auf uns zukommt, und diesem Hochdruckgebiet im Osten.”

Der “Biotherm”-Angriff: zu gewagt oder erfolgreich?

Weiter erklärte Beyou: “Dazwischen gibt es eine Strömung aus dem Norden, zwischen 25 und 30 Knoten, aber mit einer kurzen und kabbeligen See. Ich habe zwei Reffs und J3. Wenn wir in der Strömung sind, ist der Wind mehr oder weniger im Einklang mit den Modellen, andererseits ist es in stürmischen Tiefs wie diesem etwas verrückt, es gibt große Stürme, die ich zu vermeiden versuche!”

Seine Einschätzung: “Ich glaube, ‘Malizia’, ‘Vulnerable’ und ‘Holcim’ machen es ähnlich wie ich, wir versuchen, die stürmischste Zone zu vermeiden. ‘Biotherm’ ist genau in diese Zone hineingegangen, das scheint mir ein bisschen gewagt zu sein! Und Justine ist auch am Limit! Aber einen Weg hindurch zu finden ist nicht einfach, wir kommen kaum voran, die Wetterbedingungen sind wirklich nicht günstig.“

Was das für die nach fast 52 Tagen auf See schon müden Boote bedeuten könnte, skizzierte Beyou so: “An Bord habe ich eine ganze Reihe von Pannen, die eine nach der anderen auftreten. Der Brand, den ich vor drei Tagen hatte, hat dazu geführt, dass ich sehr wachsam bin, was die kleinste elektrische Verbindung angeht. Gerade eben ist mir ein Radargerät aufs Deck gefallen – die Liste ist lang!”

In einer Gruppe zu sein, erhöht den Druck.” Jérémie Beyou

Die Situation bringt zusätzliche Herausforderungen für die ebenfalls müden Skipper, deren Gesichter auf den Bildern von See Bände sprechen. Beyou sagt: “Es ist kompliziert, unter diesen Bedingungen ein Rennen in einer Gruppe zu fahren. Das ist also nicht sehr lustig. Man kann sich nicht viele Fehler erlauben. Das sind Boote, die alle schnell sind. Ich würde es definitiv vorziehen, ein wenig isolierter vorne zu sein!”

Crémer, Dutreux und Davies: Neujahr vor Kap Hoorn

Die mentale Belastung, so Beyou, käme dazu: “Es ist nicht einfach zu sehen, wie die anderen im Klassement vorrücken. Es ist eine Sache, wenn sie dich einholen. Aber es ist moralisch immer noch ein bisschen schwierig, von Booten überholt zu werden, die du seit dem Start nicht mehr gesehen hast. Aber wir werden weiter kämpfen müssen, wenn das Boot es zulässt, um zu versuchen, sie wieder einzuholen!“

Hinter den Top Ten werden am Neujahrstag drei weitere Boote vor Kap Hoorn erwartet: Clarisse Crémer (”L'Occitaine en Provence”) und Benjamin Dutreux (”Guyot Environnement-Water Family”) nähern sich im Laufe des Tages dem dritten und wichtigsten Meilenstein ihrer Vendée Globe und werden dort voraussichtlich durch die schwächeren Winde etwas ausgebremst. Sam Davies (”Initiatives - Coeur”) könnte diese Chance als Dreizehnte zum Angriff nutzen und deutlich dichter an Crémer und Dutreux heranrücken.

Happy New Year! Boris Herrmanns Neujahrsgruß von See:

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