Tatjana Pokorny
· 13.02.2024
Der französische Seglerverband hat eine Untersuchung wegen möglichen Betrugs bei der Vendée Globe 2020/2021 eingeleitet. Drei Jahre nach der neunten Edition des Solo-Rennens um die Welt hat die Fédération Française de Voile (FFVoile) die Vendée-Globe-Renndirektion gebeten, eine Jury einzuberufen, die den Fall prüfen soll. Zu untersuchen sind Dokumente, die möglicherweise beweisen, dass ein Skipper während des vergangenen Rennens mit einer anderen Person Nachrichten ausgetauscht hat, die verbotenem Routing ähneln sollen.
Ich habe volles Vertrauen in die zuständige Behörde und werde die Ergebnisse ihrer Untersuchung abwarten” (Alain Leboeuf)
Die gut informierte französische Tageszeitung “Ouest France” schreibt dazu: “Der Fall könnte großes Aufsehen erregen.” Für die Vendée Globe äußerte sich am Abend des 13. Februar Präsident Alain Leboeuf in einem Statement: “Der Präsident des französischen Segelverbands hat mich über eine anonyme E-Mail informiert, die er gerade erhalten hat und in der ein Skipper beschuldigt wird, während der letzten Vendée Globe von Routing-Informationen profitiert zu haben.”
Weiter erklärte Alain Leboeuf: “Die Fédération Française de Voile hat sich der Sache angenommen und die Rennleitung aufgefordert, eine Jury zu benennen, die den Wahrheitsgehalt und den Inhalt der fraglichen Informationen analysieren soll. Ich habe volles Vertrauen in die zuständige Sportbehörde und werde die Ergebnisse ihrer Untersuchung abwarten.”
Wer der Beschuldigte ist, wurde bislang von keiner der beteiligten Parteien enthüllt. Mehrere französische Medien berichten darüber, dass der Präsident des französischen Segelverbands, Jean-Luc Denéchau, Anfang der Woche eine ganze Reihe von Dokumenten, in diesem Fall anonym versandte Screenshots, erhalten hat. Diese sollen den Verdacht nahelegen, dass ein Teilnehmer der letzten Vendée Globe sich während des laufenden Rennens mehrfach mit einer Person über verschiedene Routen ausgetauscht hat.
Weil so ein Austausch aber laut Vendée-Globe-Reglement ausdrücklich verboten ist und die Skipper und Skipperinnen sich dieser Regel per Ehrenerklärung verpflichten, wird der mögliche Regelbruch nun untersucht. Der Tageszeitung “Ouest France” liegen laut eigener Berichterstattung beispielsweise 15 Dokumente zu einem Instant-Messaging-Dialog vor, in dem es um das richtige Verhalten des beschuldigten Seglers in besonders fordernden Wetterszenarien geht. Die Rede ist dort von Situationen wie “dem Durchzug des ersten großen Sturmtiefs”, “der Annäherung an Kap Hoorn” oder “der turbulenten Ankunftsphase in der Biskaya”.
In diesem Austausch ließen sich laut mehrerer Medienberichte auch Screenshots der an Bord zugelassenen Routing-Software (Adrena) finden, auf denen das Boot, die Windbedingungen und die empfohlene Route verortet sein sollen. “Ouest France” berichtet aber auch, dass sich der betreffende Austausch “soweit bislang nachvollziehbar, nicht wirklich um die Leistung, sondern vor allem um die Sicherheitsbedenken des Skippers dreht, der anscheinend Trost angesichts seiner Sorgen suchte”.
Ob es sich bei dem Fall um unbedachte Hilfe und Unterstützung eines Solisten in schwieriger Lage oder bewusstes und gezieltes Täuschen handelt, wird unter anderem Gegenstand der angelaufenen Untersuchung sein. Je nach Untersuchungsergebnis kann die Jury die beschuldigte Person freisprechen oder den Fall als Betrug einstufen. Über das Ergebnis sollen der FFVoile-Präsident, der Vendée-Globe-Präsident und der Weltseglerverband World Sailing informiert werden. Auf der Grundlage des Berichts kann über mögliche Disziplinarmaßnahmen entschieden werden.