Vendée GlobeMeeresstürmerin Justine Mettraux in der Nahaufnahme

Tatjana Pokorny

 · 08.02.2025

Nicht ohne mein Team: Justine Mettraux dankte nach ihrem formidablen Solo um die Welt immer wieder dem Team hinter ihr.
Foto: Jean-Marie Liot/Alea/VG2024
Die amtierende Königin des Offhore-Segelsports kommt aus der Schweiz. Justine Mettraux hat die Welt nach zwei Ocean-Race-Siegen bei der Vendée Globe auch solo im Sturm erobert. Yacht online sprach mit der Meeresstürmerin vom Genfer See über prägende Familienbande, Solo- und Teamerfahrungen und ihre Ziele für die Zukunft. Denn sicher ist: Die Teamplayerin hat noch viel vor…

Fleißig, entschlossen, fokussiert und angriffslustig in wichtigen wie richtigen Momenten: die ebenso talentierte wie freundliche Justine Mettraux vereint alle klassischen Qualitäten erfolgreicher Sportler in sich. Sie ist weder It-Girl noch Superwoman – und doch eine Königin. Ihr Reich sind die Weltmeere.

Vendée-Globe-Bestleistungen in Serie

Die Schweizerin hat gleich bei ihrem ersten Solo um die Erde den richtigen Mix für Erfolg gefunden. Als Gesamt-Achte war „Juju“ Mettraux bei der zehnten Jubiläumsauflage der Vendée Globe die beste Frau, segelte als einzige Skipperin in der stärksten Flotte der Renngeschichte in die Top Ten.

Imposant:Justine Mettraux hat die Welt in 76 Tagen, 1 Stunde, 36 Minuten und 52 Sekunden umsegelt. Dem erst vier Jahre alten Frauen-Rekord der hinter sich gelassenen Clarisse Crémer hat die schnörkellos leistungsorientierte Schweizerin sagenhafte elf Tage abgenommen. Auch die Zeit des Siegers von vor vier Jahren (Yannick Bestaven) hat sie mit sechs Jahre altem Boot um vier Tage unterboten.

Justine Mettraux hat unter allen Männern und Frauen der 10. Vendée Globe das erste nicht-französische Boot ins Ziel gebracht. Sie ist nach Catherine Chabaud, Ellen MacArthur und Sam Davies erst die vierte Frau, die bei einer Vendée Globe in den Top Ten vordringen konnte. Das tat sie einem Boot von 2018 und warf damit die Frage auf: Zu was wäre die studierte Grundschulpädagogin, die früh Profiseglerin wurde, wohl mit einem neuen Boot imstande?

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Fünf Geschwister, ein formidables Segel-Quintett

Mehr auf dem Genfer See als an seinen Ufern großgeworden, ist Justine ein Sprössling der segelaffinen Mettraux-Familie. Einzigartig: Alle fünf Mettraux-Geschwister sind auf dem Wasser formidable Wettkämpfer. Das gilt für die ältere Schwester Elodie (40, Ocean Race), den jüngeren Bruder Bryan (34, America’s Cup, SailGP) und auch die 32 Jahre alten Zwillinge Laurane (SailGP) und Nelson (Motte, J/70).

„Juju“ ist mit 38 Jahren die Zweitälteste im französischsprachigen Water-Lover-Quintett. Gelernt hat sie ihr Handwerk erst spielerisch, dann auf ersten Abenteuertörns über den Atlantik und auch im berühmten Genfer Centre d’Entraìnement à la Régate (CER). Auf Dona Bertarellis D35 „LadyCat“ sammelte sie zwei Jahre lang Erfahrungen. Im Mini-Transat 2013 fiel sie auf Anhieb mit Platz zwei auf. Sie hat ihre Offshore-Ausbildung wie ein breit gefächertes Studium an den unterschiedlichen “Universitäten” betrieben.

Schon damals begleitete sie der bis heute treue Sponsor TeamWork. Zu ihrem ersten Ocean Race warf Justine Mettraux mit Team „SCA“ die Leinen 2014 los. Die reine Frauen-Crew segelte in Regie von Skipperin Sam Davies auf Platz sechs. Weder Davies noch Mettraux konnten ahnen, dass die Schweizerin die Britin ein Jahrzehnt später in Sam Davies Lieblingsrennen Vendée Globe mit einem vier Jahre älteren Boot überflügeln würde.

Hier geht es zum immer noch laufenden Rennen, bei dem am Sonntag die jüngste Teilnehmerin Violette Dorange im Ziel erwartet wird. Als eine von sechs Skipperinnen bei dieser Auflage hat die Französin viel Frische ins Spiel gebracht und darf mit einem ganz großen Sonntagsempfang rechnen.

Bis zur Vendée Globe: eine Seglerin, alle Disziplinen

Doch zurück zu Justine Mettraux: Mit Platz vier im Transat Jacques Vabre zeigte sie vor acht Jahren an der Seite von Bertrand Delesne in der Class40 ebenso ihre Klasse, wie sie mit Platz sieben bei der La Solitaire du Figaro 2017 Kenner des französischen Solo-Elitewettbewerbs beeindruckte.

Ins internationale Rampenlicht katapultierte sich Justine Mettraux neben Carolijn Brouwer und Marie Riou mit Charles Caudreliers Dongfeng Race Team. Die drei Frauen sind die historisch ersten Siegerinnen des wichtigsten Mannschaftsrennens um die Welt. Justine Mettraux beließ es nicht dabei und krönte sich 2023 mit einem weiteren Ocean-Race-Triumph im 11th Hour Racing Team zur einzigen Frau, die den Team-Klassiker um die Welt zweimal gewonnen hat.

Erst danach wendete sie sich der größten Solo-Herausforderung zu, die der Segelsport zu bieten hat. Justine Mettraux bestritt ihre erste Vendée Globe, als hätte sie nie etwas anderes getan. Man darf gespannt sein, welches Team auf Kurs Ocean Race Europe 2025 und Kurs Ocean Race 2027 ihr Ja-Wort erringen kann? Die Zahl der Interessenten dürfte nach der Vendée Globe weiter gestiegen sein.

Die umworbene Teamplayerin

Zur Mettraux-Güte kommt ihre hohe Teamtauglichkeit. Sie ist keine verschrobene Einzelgängerin. „Sie integriert sich leicht, ohne Lärm zu machen“, sagt der frühere Venéde-Globe-Sieger Vincent Riou über Justine Mettraux. Der Imoca-Antreiber kennt sie gut von der Arbeit im französischen Trainingszentrum Pôle Finistère. Es gibt kaum Seglerinnen weltweit, die es mit den Hunderttausenden Seemeilen in ihrem Heckwasser und ihrer Erfolgsbilanz aufnehmen können. Im Alter von Justine Mettraux: keine.

Justine Mettraux im großen Interview

Justine, du hast bei deiner Vendée-Globe-Premiere einen neuen Frauenrekord etabliert, hast das beste nicht-französische Boot ins Ziel gebracht. Du bist Achte bei deiner Premiere und erst die vierte Frau, die es unter die besten Zehn geschafft hat. Welche dieser Leistungen ist dir die wichtigste?

Ich glaube, das Rennergebnis. Das ist es, worauf wir schauen, wenn wir in so ein Rennen gehen.

Entspricht das Resultat deiner Zielsetzung vor Rennstart?

Ja, ich wollte gerne in die Top Ten, aber noch mehr war ich darauf fokussiert, wie ich das Rennen segle.

Was hast du an deinem Rennen am meisten genossen?

Gute Wetterbedingungen, schönes Downwind-Segeln und die taktischen Spiele.

Da war es ärgerlich, dass du deinen Code 0 schon im Atlantik zerrissen hast…

Im Südmeer hat er nicht so sehr gefehlt, aber auf dem Rückfahrt war es komplizierter. Ich musste mehr Segelwechsel vornehmen. Das kostet Energie. Das J0 ist ein vielseitiges Segel, das man lange fahren kann, auch wenn es nicht optimal ist. Ohne das J0 war es weniger komfortabel.

Beim Wolkenschach im Atlantik hat beispielsweise Boris Dir gegenüber Meilen verloren. Wie bist du besser durchgekommen?

In den Doldrums ist immer auch Glück mit von der Partie. Du kannst so viel analysieren, wie du willst. Aber alles kann sich dort so schnell ändern. Gerade denkst du noch, du bist in guter Position, aber vielleicht ist es schon ein paar Stunden später eine schreckliche Position.

Wie hast du den sogrannten „Kapstadt-Express“ erlebt, der die führenden Boote rasant zum Kap der Guten Hoffnung katapultiert, aber einen Verfolger nach dem anderen in leichten Winden abgeworfen hat?

Ich war da auch etwas unglücklich dran, weil ich mein J0 kaputtgemacht hatte. Das war gerade vorher, vor dieser Art ‚Zug' passiert. Ich habe ihn also auch verpasst. Aber mit der Erfahrung aus vorherigen Ocean Races kann ich sagen, dass manchmal große Abstände zwischen den Booten entstehen, es dann aber noch lange nicht vorbei ist. Du kannst wieder aufholen. Es wird neue Wetterchancen geben. Und die werden die Flotte wieder komprimieren. Hoffentlich. Das passiert natürlich nicht jedes Mal. Dieses Mal hatte ich Glück, konnte ich im Pazifik wieder aufholen.

Das richtige Timing ist wichtig.” Justine Mettraux

Der Vorstoß von Dir im Dezember war imposant! Da hast du dich im tiefen Südmeer in der Übergangsphase zum Pazifik plötzlich extrem von Sam Davies und Clarisse Crémer absetzen und mehr als Tausend Seemeilen Vorsprung raussegeln können…

Ich habe es geschafft, eine Wetterfront zu erwischen und mehrere Tage darin zu bleiben. Das hat mir die Flucht ermöglicht. Es war alles eine Frage des Timings, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ich hatte in diesen Tagen mit sehr schwierigen Bedingungen zu kämpfen, mit Winden von 40 bis 45 Knoten beim Reaching. Das hat keinen Spaß gemacht, aber diese Anstrengung war entscheidend.

Wer hat dich bei der Vendée Globe beeindruckt?

Sicher haben die beiden Führenden Yoann und Charlie ein unglaubliches Rennen bestritten. Das hat mich aber nicht überrascht. Das sind sehr leistungsstarke Jungs. Ich habe auch gerne Nicolas Lunven verfolgt, weil er ein echt scharfsinniges Rennen mit schöner Strategie bestritten hat. Auch, wenn man selber im Rennen gefordert ist, schaut man manchmal den Rennen der anderen genauer zu. Weil es einfach schönes und sauberes Segeln ist. Ich habe ihm gerne zugesehen.

Wo hast Du weitere gute Entscheidungen getroffen?

Ich glaube, dass ich in den Doldrums gute Crossings hatte. Sowohl auf dem Weg runter als auch am Ende wieder auf dem Weg nach oben. Auch im Südatlantik hatte ich beim Wiederhochkommen einen guten Move, als ich etwas mehr Risiko genommen habe, etwas mehr nach Osten gegangen bin als Boris und Thomas Ruyant.

In anderen Situationen hatte man dann aber auch einfach mehr Glück, am richtigen Ort zu sein. Dann ist es ein bisschen einfacher für dich als für die anderen. Manchmal ist es nicht das, was du tust, sondern du bist einfach ein bisschen glücklicher mit den Bedingungen. Auch, wenn du nicht weit von den anderen weg bist, kann das Wetter sehr unterschiedlich sein und mit nur etwas mehr Wind oder einem etwas anderen Winkel für große Unterschiede sorgen.

Am Ende deines Rennens musstest du nochmal kämpfen, denn Sam Goodchild kam dir nach der MacGyver-Reparatur seines explodierten Großsegels auf dem Weg ins Ziel noch einmal ziemlich nahe…

Ja, da war der Druck da. Vor allem, weil Sam direkt hinter mir war. Ich muss zugeben, dass ich zu diesem Zeitpunkt auf ein so nahes Boot hätte verzichten können, vor allem, da die Bedingungen sehr unbeständig waren: Von 20 Knoten bis zum Stillstand war alles dabei. Das war alles andere als einfach.

Der Lohn folgte mit der Kanalfahrt und dem Jubelempfang in Les Sables-d’Olonne…

Das ist unglaublich! Die Atmosphäre war fantastisch, das macht einen wirklich glücklich. Die Vendée Globe ist ein anspruchsvolles Rennen, so dass man manchmal das Ausmaß dessen vergisst, was man gerade tut.

Mit der Gesamtperformance war ich insgesamt happy.” Justine Mettraux

Warst Du mit deinem Boot „Yoroshiko“, offiziell „TeamWork – Team Snef“, der alten, 2018 für Jérémie Beyou gebauten „Charal“ zufrieden?

Ja, wirklich zufrieden. Sicher hatte ich einige Themen, aber insgesamt hat alles gut funktioniert. Ich hatte Sorge, dass ich mehr Probleme mit der Elektronik oder dem laufenden Gut haben würde, doch alles hat gut gehalten. Insgesamt war ich damit happy, so wie mit der Gesamtperformance auch.

Bei deinen vielen Rekord- und Top-Leistungen bei dieser Vendée Globe blieb diese fast unbemerkt: Du hast das erste Boot einer älteren Generation ins Ziel gebracht. Inwieweit war es für dich noch anspruchsvoller vorne zu segeln als für deine Gegner mit den neuen Booten?

Die Imocas aus der Generation meines Bootes sind weniger komfortabel und erreichen eine geringere Spitzengeschwindigkeit. Es gab Zeiten, in denen ich einfach nicht mit den neueren Booten mithalten konnte. Ein oder zwei Knoten Unterschied scheinen nicht viel zu sein, aber über einen längeren Zeitraum hinweg schafft das deutliche Unterschiede.

Du bist eher Wettkämpferin als Abenteurerin?

Ja, ich stehe sicher mehr auf der Wettbewerbsseite. Natürlich sind da immer Momente, in denen das Abenteuer dich einfängt. Weil wir in schwierigen Bedingungen und entlegenen Revieren segeln, musst du dich manchmal in den Abenteuer-Modus begeben. Aber den Rest der Zeit bin ich Wettkämpferin, versuche, mich so professionell vorzubereiten und zu agieren wie möglich.

Du warst noch nie so lange alleine auf See. Hattest du Probleme mit der Einsamkeit?

Ich bin gut zurechtgekommen, aber es gab Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, jemanden an Bord zu haben.

Du hast jetzt eine eigene Vorstellung: Wird eines Tages eine Frau dieses Rennen gewinnen können?

Ich hoffe, dass es eines Tages passiert. Es ist ganz sicher hart. Da sind 40 echt gute Boote mit wirklich guten und erfahrenen Seglern. Das Niveau ist sehr noch. Ich glaube, es wird passieren, wenn es mehr Frauen mit wirklichen Sieger-Projekten und neuen Booten gibt. Bei dieser Edition hatte nur Sam Davies ein neues Boot. Es gibt jetzt schon mit Elodie Bonnafous eine Seglerin, die ein neues Boot bekommt. Ein Schwesterschiff von „Macif“. Das sind schon mal gute Nachrichten. Da kommen hoffentlich noch mehr dazu in den kommenden Jahren.

Du sprichst die Zukunft an, kannst jetzt aus eigener Erfahrung Teamrennen um die Welt wie das Ocean Race und das Solosegeln vergleichen. Was gefällt dir besser?

Ich genieße wirklich beides. Wenn ich aber wählen müsste, dann würde ich Teamrennen wählen. Mir gefällt der Aspekt des Zusammenarbeitens. Da ist ein sehr starkes Gefühl, ein Band, wenn man zusammen ein Ziel erreicht. Und es ist schön, ein Rennen mit anderen Leuten zu teilen. Es ist auch interessant, über lange Strecken mit anderen Leuten in verschiedensten Bedingungen zusammen zu funktionieren.

Dann bist du ein klassischer Teamplayer?

Ja, ich finde es allgemein wichtig, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Wenn alles gut läuft und du das Gefühl hast, mit anderen Leuten eine Einheit zu bilden, genieße ich das sehr. Ich habe in meiner Karriere immer Einhandrennen und Rennen mit Crews gemischt. Damit werde ich, glaube ich, weitermachen. Das Projekt TeamWork - Team Snef geht 2025 mit Zweihand- und Mannschaftsrennen weiter. Ich werde mit Xavier Macaire segeln, der mir im Vorfeld dieses Rennens beim Wetter geholfen hat.

Über eine zweite Vendée Globe hast du aber noch nicht entschieden?

Nein. Ich bin in dieses Rennen mit dem Entschluss gegangen, dass ich es einmal machen muss und danach entscheide, ob ich es ein zweites Mal machen werde. Es ist noch zu kurz nach dem Rennen. Ich brauche etwas mehr Zeit, um zu reflektieren, um die Möglichkeiten auszuloten und zu entscheiden, was ich tun will. Sicher ist, dass ich am nächsten Ocean Race teilnehmen will. Das kommt eher als die nächste Vendée Globe. Danach sehen wir weiter.

Fürs Ocean Race dürftest du von mehreren Teams umworben sein, kannst wählen? Was für ein Team interessiert dich?

Ich werde sicher nach einem leistungsstarken Projekt schauen. Ich habe das Rennen bereits dreimal bestritten und zweimal gewonnen. Ich will nicht nur teilnehmen. Mir wäre ein starkes Team mit einem neuen Boot wichtig. Auch die Frage: Wer sind die Leute? Sind es Leute, mit denen ich gerne segeln will?

Mit was für Leuten segelst du gerne?

Schwer zu sagen, weil das Gefühl nicht leicht zu erklären ist. Aber es sind Leute, die eine professionelle Atmosphäre kreieren und dabei nett sind.

Das ist es, was ich an diesem Sport so liebe: Man macht ständig Fortschritte.” Justine Mettraux

Hast du dich selbst während deiner ersten Soloregatta um die Welt verändert?

Ja, sicher. So viel Zeit auf See zu verbringen, ist sehr bereichernd. Ich habe Fortschritte bei der Beherrschung des Bootes gemacht, mich selbst besser kennengelernt und an Erfahrung gewonnen, vor allem in den Bereichen Strategie und Tüftelei, die nicht unbedingt zu meinen Stärken gehören. Diese Erfahrung ist wertvoll und macht einen echten Unterschied, wie Jean Le Cam zeigt, der mit 65 Jahren immer noch wettbewerbsfähig ist.

Wenn wir die Teams in den Top Ten vergleichen, muss man dein Team beim Blick aufs Budget und die damit verbundenen Möglichkeiten da eher am Ende ansiedeln?

Schwer zu sagen. Ich weiß nicht genau, wie die einzelnen Teams aufgestellt sind.

Gehen wir mal davon aus, dass die großen Teams mit fünf oder sechs Millionen Euro jährlich arbeiten können…

Da sind wir sicher nicht. Aber ich habe trotzdem ein Team mit zwölf Leuten. Ich habe trotzdem gute Resourcen, um mich vernünftig vorzubereiten. Wir sind keines der größten Projekte, können uns aber auch nicht über die Bedingungen beklagen. Natürlich haben Teams wie Macif oder Arkéa andere Resourcen.

Wie bist du zu deiner Imoca für die Vendée Globe gekommen?

Ich hatte schon eine Weile versucht, ein Projekt aufzubauen. Ich glaube, es war in 2021, als ich dachte ‚Okay, wir haben nicht das Budget‘. Wir fanden kein Boot, es standen keine Boote mehr zum Verkauf. Dann hatten wir Glück, weil ‘Charal’ ein bisschen später kam. Beyou Racing wollte das Boot im eigenen Rennstall halten. Sie haben sich nach einem zusätzlichen Sponsor und einem Skipper umgeschaut. Sie haben mich kontaktiert. Und auch andere. Aber wir haben es mit TeamWork gemanagt.

Du hast ein paar Spitznamen, „Juju“ beispielsweise, aber auch „Justine la machine“. Gefällt dir letzterer?

Ich denke, der zeigt, dass ich bei Rennen 100 Prozent gebe. Aber, selbst wenn ich mich so verhalte, bin ich ja ein menschliches Wesen (lacht).

Weißt du, wer diesen Begriff für dich aufgebracht hat?

Ich glaube, er stammt aus meiner Mini-Transat-Zeit. Ich glaube, es war Ian Lipinski, einer meiner Konkurrenten beim Mini-Transat.

Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Bootsgefühl.” Justine Mettraux

Welche größten Stärken siehst du bei dir als Seglerin?

Normalerweise schaffe ich es, Boote ziemlich schnell zu segeln. In den letzten Jahren habe ich auch versucht, viel an der Strategie zu arbeiten. Und mit Julien Villion am Wetterrouting. Er ist eine Art Spezialist, der mit mir Zweihand-Rennen bestritten hat. Er hat auch versucht, mir zu helfen, gut strukturiert zu sein und gute Entscheidungen zu treffen.

Gut zu entscheiden, das hast du früh gelernt. Du hast einmal erzählt, dass euer Vater euch sehr vertraut, euch viel Freiheit gegeben und eure eigenen Entscheidungen hat treffen lassen. Ist das der Ursprung auch deiner Stärke?

Ja, ich glaube, das ist etwas sehr Wichtiges. Wenn du fünf Kinder hast, kannst du nicht alle und alles kontrollieren. Aber es war auch die Art, wie er die Dinge sah. Wir hatten immer die Freiheit, Dinge zu tun, Dinge auszuprobieren. Er war immer überzeugt, dass es okay sein würde. Das war schön.

War es eure älteste Schwester, die als Erste segelte – und ihr anderen seid gefolgt?

Ja, genau so. Elodie war diejenige, die mit dem Jollensegeln angefangen hat. Wir anderen haben auch immer mit meinem Vater gesegelt. Er hatte ein Fahrtenschiff am See. Darauf haben wir die Ferien und die Wochenenden verbracht. Das war auch ein wichtiger Teil unserer Geschichte.

Was für ein Boot war das?

Es begann mit einer First 24, glaube ich. Dann wurden die Boote etwas größer, während die Familie wuchs.

Dann warst du schon als Baby mit auf dem Boot?

Ja, genau. Es hat früh angefangen…

Seid Ihr später als Kinder und Jugendliche Konkurrenten auf dem Wasser gewesen?

Im Gegenteil. Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt. Es ist schön, dass wir alle diese Leidenschaft teilen. Mit Elodie habe ich das erste Ocean Race auf „SCA“ bestritten. Heute folgen wir alle gegenseitig unseren Kursen.

Wann bist du Mitglied in der Société Nautique geworden, dem Heimatverein der zweimaligen America’s-Cup-Gewinner vom Team Alinghi?

Erst später, als ich schon professionell gesegelt bin. Sie fördern Wettkampfsegler und das war für mich eine gute Unterstützung. Sie sind eine große nautische Gemeinschaft.

Das Schöne am Segeln ist, dass jeder finden kann, was er liebt.” Justine Mettraux

Du musst etwa 16 Jahre alt gewesen sein, als Alinghi 2003 mit dem historischen America’s-Cup-Sieg für ein sportliches Beben in der Schweiz gesorgt hat. Hat dich das inspiriert?

Ja, das war groß! Viele der jüngeren Segler wie mein Bruder Bryan und Arnaud Psarofaghis (Red.: beide waren Mitglieder in Alinghis ‘Driving Group’ in der Herausfordererrunde zum 37. America’s Cup) kommen aus dieser Generation junger Leute, die das verfolgt haben und heute Segler im Team von Alinghi sind. Aber für mich… Ich habe nie Jollen gesegelt, war nie eine Inshore-Regattaseglerin. Ich war immer mehr auf der Offshore-Seite unseres Sports.

Woher kommen diese unterschiedlichen Vorlieben?

Das hat mit den unterschiedlichen Typen von Menschen zu tun. Mit dem, was du magst und was dich interessiert. Wie in meiner Familie. Wie Bryan oder Laurane, die im Cup oder im SailGP segeln. Elodie und ich segeln mehr Offshore. Es hängt davon ab, wonach du suchst. Für mich ist es mehr die Ausdauerseite. Und ich mag auch den Kontakt mit der Natur. Das ist Teil meiner Wahl.

Du bist also mehr die Marathon-Frau?

Ja, genau. Während meine Schwester Laurane lieber abends an Land ist. Das Schöne am Segeln ist, dass jeder finden kann, was er liebt. Es ist aber schwer, in beiden Bereichen erfolgreich zu sein. Da gibt es nur wenige…

Du hast Pädagogik studiert, könntest als Grundschullehrerin arbeiten. Schlagen wir die Brücke: Warum ist Segeln ein guter Sport für Kinder und Jugendliche?

Weil es dich autonomes Denken und Handeln lehrt. Schon im Optimisten bist du auf dich gestellt, vielleicht auch mal zu zweit. Es ist verrückt für sie, in so jungem Alter ihr eigener Fahrer zu sein. Das ist richtig gut! Segeln ist ein schöner Sport mit guten Werten. Bei der Vendée Globe erleben wir so viele Kinder, die das Rennen verfolgen. Auch, wenn sie nicht selbst segeln. Und sie können so viel bei diesem Rennen lernen.

Juju im Vendée-Globe-Ziel – die Ankunft der erfolgreichsten Offshore-Seglerin des vergangenen Jahrzehnts im Rückblick:

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