Vendée GlobeLeichter Aufwind für Dalin, Ruyant gebeutelt – “noch nie erlebt”

Max Gasser

 · 03.01.2025

Gut gelaunt an der Spitze: Charlie Dalin konnte sich leicht absetzen
Foto: Charlie Dalin/VG2024
Eigentlich befindet sich ein Teil der Vendée-Globe-Flotte bereits auf dem zuvor lang ersehnten Heimweg. Doch auch im Südatlantik kehrt für die meisten Skipper wenig Entspannung ein. Boris Herrmann ist erschöpft, Thomas Ruyant wurde in einer starken Böe heftig erwischt.

Weder die beiden Führenden Charlie Dalin und Yoann Richomme noch ihre Verfolgergruppe vom viertplatzierten Thomas Ruyant bis zur elftplatzierten Justine Mettraux haben gerade ein leichtes Leben an Bord. Während die weit enteilte Spitze immer noch in einem ausgedehnten Hochdruckgebiet festsitzt, wird dahinter seit Tagen bei immer unbeständigerem Wind und großer, rauer Welle um jede Meile gekämpft.

Nun droht ein Sturmtief mit Winden bis zu 40 Knoten. Der Franzose Thomas Ruyant wurde bereits gestern von einer Böe mit mehr als 50 Knoten erwischt, die erhebliche Konsequenzen für den weiteren Rennverlauf haben könnte. Seine “Vulnerable” legte sich auf die Backe, seine J2 zerfetzte. Das rund 100 m² große Vorsegel war in den Tagen zuvor unverzichtbar gewesen. “Es sind noch ein paar Quadratmeter in Fetzen vorhanden. So etwas habe ich noch nie erlebt. Es waren etwa 20 Knoten, dann hat der Wind plötzlich zugenommen. Ich habe ihn nicht kommen sehen. Er wurde zu einem Tornado. Er dauerte zwei Stunden, mit 45 bis 60 Knoten!”, schrieb der 43-Jährige. Aktuell liegt er auf Position vier, etwa 160 Seemeilen vor seinem ersten Verfolger Paul Meilhat.

Charlie Dalin auf dem Weg zum Vendée-Globe-Sieg?

Vor ihm pirscht der mit Foil-Bruch gebeutelte Drittplatzierte Sebastien Simon dicht an der brasilianischen Küste entlang, während das Duell Richomme-Dalin kein Ende zu nehmen scheint. Allerdings gelang es Dalin in den vergangenen 24 Stunden, sich leicht abzusetzen. Während “Paprec Arkea” 145,6 Seemeilen kam, konnte der Führende immerhin 173,5 Meilen loggen. “Ich beschwere mich nicht, und wir sollten heute schneller werden und etwas mehr Wind bekommen. Die Passatwinde sollten im Laufe des Tages zunehmen, wenn wir nach Norden in Richtung Äquator segeln”, so Dalin.

Zuletzt waren die Winde für die beiden Top-Favoriten nicht nur recht flau, sondern insbesondere sehr unkonstant gewesen. “Macif Santé Prévoyance”-Skipper Charlie Dalin sei “noch nie bei so großen, schnellen Windschwankungen gesegelt.” Dank der leichten Bedingungen bei bis zu 33 Grad sei es dennoch leicht zu schlafen gewesen. Im Kampf um den Sieg bei der 10. Vendée Globe dürfte das den 40-Jährigen neben seiner aktuellen Position durchaus positiv stimmen.

Boris Herrmann kämpft in widrigen Bedingungen

Ganz anders Boris Herrmann, der im Verfolgerfeld mit ungemütlichem Seegang umgehen muss. “Wir haben seit den Falkland-Inseln Gegenwind, und das ist nicht sehr angenehm, vor allem jetzt, wo sich die See aufbaut, es knallt stark, manchmal haben wir ein bisschen Angst um das Boot!” Die Gruppe mit Sam Goodchild, Jeremie Béyou und Nicolas Lunven erwartet schon bald ein Sturmtief mit bis zu 40 Knoten Wind. “Ich hoffe, dass wir da rauskommen, ohne die Sturmfock setzen zu müssen! Danach sollten wir das Zentrum des Tiefs passieren, auch wenn nicht ganz klar ist, auf welcher Route, und dann arbeiten wir uns nach Norden vor, aber das ist nicht einfach”, so der “Malizia-Seaexplorer”-Skipper.

Aktuell auf dem neunten Platz liegend, erwartet der von zahlreichen Manövern ermüdete Deutsche noch einige Tage mit unklarer Wettersituation und womöglich wichtigen Entscheidungen. Paul Meilhat ist es bereits gelungen, der kleinen Verfolgergruppe zu entfliehen. Das bestätigte auch Boris Herrmann: “Paul (Meilhat) hat uns abgehängt, er hat einen tollen Job gemacht. Wir waren alle, also ich jedenfalls, skeptisch, was die Streckenführung angeht, deshalb bin ich diese Route nicht gefahren! Aber es war ein Fehler, wenn man darüber nachdenkt!”

Vendée Globe: Mehr als die Hälfte der Skipper noch hinter Kap Hoorn

Einen Platz dahinter liegt mit Justine Mettraux die erste Frau im aktuellen Klassement auf Rang zehn. Die Schweizerin scheint mit ihrer aktuell westlich des Tiefs gewählten Route eine kleine Aufholjagd mit ungewissem Ausgang starten zu wollen. Mit derzeit noch reichlich Rückstand folgen ihr auf Höhe der Falkland-Inseln Benjamin Dutreux, Clarisse Cremer und Sam Davies. Romain Attanasio auf der ehemaligen “Malizia - Seaexplorer” und Damien Seguin auf seiner “Groupe Apicil” haben Kap Hoorn derweil heute Vormittag gerundet. Damit liegt allerdings noch immer über die Hälfte der Flotte hinter der berüchtigten Landspitze. Der letztplatzierte Denis Van Weynbergh aus Belgien hat gar 7.361 Seemeilen Rückstand auf Charlie Dalin, welcher noch gute 4.000 Meilen bis zur Ziellinie zurücklegen muss.

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Video: Thomas Ruyant im Sturm:

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