Vendée GlobeJean Le Cam ausgebremst, Risse im Deck bei Burton

Tatjana Pokorny

 · 17.11.2024

Korrekt wie hübsch beleuchtet: Eric Bellions "Stand as One - Altavia".
Foto: Eric Bellion/VG2024
Am Sonntagmittag geht die erste Woche der 10. Vendée Globe zu Ende. Sie lief nicht immer und für alle schnell, aber insgesamt tubulent und fordernd. “Afrika-König” Jean Le Cam verteidigte seine Führung am frühen Sonntagmorgen – noch. Boris Herrmann verholte sich noch weiter nach Westen. Eine alarmierende Meldung kam von Louis Burton auf “Bureau Vallée”: Risse an Deck!

Eine Woche nach dem Start der Vendée Globe am 10. November um 13.02 Uhr ist “Afrika-König” Jean Le Cam auf seinem Non-Foiler “Tout commence en Finistère- Armor lux” weiter Spitzenreiter. Sein Vorsprung aber auf das westlich von ihm positionierte Hauptfeld ist entsprechend der Prognosen vom Vortag geschmolzen. Während Jean Le Cam viel näher an der afrikanischen Küste weiter auf direktem Kurs nach Süden segelte, wurde er vom erwarteten Hochdruckgebiet ausgebremst.

Goodchild wieder im Vorwärtsgang, Herrmann bleibt dran

Knapp 200 Seemeilen westlich von Jean Le Cam hatte zuletzt “Hublot”-Skipper Alan Roura einen guten Lauf. Der Schweizer rückte über Nacht bis auf rechnerische 20 Seemeilen an Jean Le Cam heran, lag am Sonntagmorgen auf Platz zwei. Doch auch er wurde langsamer auf Kurs Süd. Die Flügel angeschnallt hat indessen der knapp 550 Seemeilen westlich von Jean Le Cam mit zuletzt 22 Knoten Speed wieder losdonnernde “Vulnerable”-Skipper Sam Goodchild.

Der schon mehrfach führende Brite stieg zuletzt wieder flott im Klassement nach oben auf. Mittig des Westfeldes positioniert, hat er sich einen deutlichen Vorsprung vor den am äußersten Westflügel positionierten Co-Favoriten Charlie Dalin (”Macif Santé Prévoyance”), Nico Lunven (”Holcim - PRB”), Jérémie Beyou (”Charal”) und Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) erworben. Die großen Vier kalkulieren weiter auf den niederen Plätzen 29, 32, 35 und 37 mit dem für sie bereits stärker gewordenen Wind. Sie waren am Sonntagmorgen schon mit Geschwindigkeiten von 13 bis 17 Knoten unterwegs.

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Boris Herrmann orientierte sich als Neunzehnter zuletzt auch weiter nach Westen. Er hatte in der Nacht zum Sonntag beim Katz-und-Maus-Spiel mit den Wolken eine langsamere Durststrecke zu meistern. Das Hochdruckgebiet schnappt schwer berechenbar immer wieder nach einzelnen Gruppen in der Flotte. Boris Herrmann beschreibt die Herausforderungen in seinem Clip von Samstagabend gut – siehe Ende dieses Beitrags.

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Vendée-Globe-Alarm: Burton entdeckt Risse im Deck

Alarmierende Nachrichten kamen in der Nacht zum Sonntag von “Bureau Vallée”-Skipper Louis Burton. Der Franzose hatte sein Team und die Wettfahrtleitung bereits am Samstagabend gegen 23.00 Uhr darüber informiert, dass er ein lautes „Knacken“ gehört habe. Bei einer weiteren Inspektion habe er Risse im Deck seines Bootes (Red.: in Höhe des Gennaker-Ausbaumers) entdeckt.

Die schlechte Nachricht: Nach Burtons erster Einschätzung könnte die strukturelle Integrität der “Bureau Vallée” beeinträchtigt sein oder werden. Der Skipper aus Saint Malo, der bei der letzten Vendée Globe den dritten Podiumsplatz erkämpft hatte, segelte am Sonntagmorgen mit neun Knoten in Richtung Süden. Louis Burton setzte seine Untersuchungen zum Ende der ersten Vendée-Globe-Woche fort, blieb vorerst im Rennen.

Im Großen und Ganzen blieb die Flotte zunächst weiter dreigeteilt. Während es im Osten flauer wird, öffnen sich die Türen im Westen. Die große Herausforderung besteht in diesen Vendée-Globe-Tagen vor allem darin, nach Süden voranzukommen, ohne von der Flaute blockiert zu werden. Am Westflügel sind die mitfavorisierten Skipper weiter davon überzeugt, dass sich ihr Investment auszahlen wird.

Thomas Ruyant blickt “lustigem Spiel” entgegen

“Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant war nicht unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf des atlantischen Leichtwindspiels. Der 43-Jährige sagte: “Alles läuft gut an Bord. Wir hatten einen tollen Tag und eine tolle Nacht. Es ist schön, nach einer längeren Flaute wieder etwas Wind zu haben.” Zum Rennverlauf am Samstag erklärte Ruyant: “Der Tag war gleichmäßig verlaufen, mit einigen Windwechseln und einigen Halsen. Es ist nicht einfach, jedes Mal in die richtige Richtung zu segeln, das war ziemlich anstrengend.”

Zu seiner lange gehaltenen äußeren Westposition, die er am Sonntagmorgen insoweit korrigiert hatte, dass etwa ein halbes Dutzen Boote inklusive Lunven, Beyou und Richomme westlicher lagen als er selbst, sagte Thomas Ruyant: “Letztendlich war es nicht schlecht, im Nord-Nordwesten der Flotte zu sein. So konnten wir den Wind etwas früher einholen, um schneller aus der windstillen Zone herauszukommen. Das Spiel geht weiter, es wird lustig!“

Von den neun Skippern, die in der „mittlere Gruppe“ zwischen Ost-Außen und West-Außen bilden, haben viele ihren Bug nach Südwesten ausgerichtet. So etwa Clarisse Crémer (”L'Occitane en Provence”) und Giancarlo Pedote (”Prysmian”), die in der Nacht eine Halse gesetzt haben. Auch Alan Roura (”Hublot”) gehört zu dieser Gruppe. Der Schweizer Skipper rückte zuletzt auf Platz zwei vor, hat sich nahe an der Loxodrome positioniert, dem theoretisch direktesten Kurs.

Vendée-Globe-Mut: Weöres klettert zweimal

Alan Roura sagte: “Ich hatte in den letzten Stunden des Rennens eine ziemlich gute Erfahrung. Ich habe mir nicht zu viele Fragen gestellt. Mein vierter Platz heute Morgen, die Top-Ten, das ist gut für die Moral!” Daraus war beim 7-Uhr-Update sogar der zweite Platz geworden. Dennoch, so Roura, sei dem aktuellen Positionsgerangel nicht zu viel Bedeutung beizumessen: “Die aktuelle Schlacht, wer auch immer diese Phase gewinnt, bedeutet nicht allzu viel. Bis zu den Doldrums kann noch viel passieren.“

Derweil blieb Szabolcs Weöres in positiver Stimmung, während er sich seinen Weg Richtung Süden zu den Kanarischen Inseln bahnt. Dort plant er, sein Großsegel zu reparieren. Der Ungar berichtete am Samstagabend: „Mir geht es gut, ich bin auf dem Weg nach Las Palmas. Die erste Option war Madeira, aber dieses Tiefdruckgebiet hat sich entwickelt…” Er hatte vor Madeira nicht genügend Schutz und segelte lieber weiter. “Ich habe also beschlossen, diesen schönen Wind zu nutzen, um zu den Kanarischen Inseln weiterzufahren.”

Vor Szabi Weöres liegen schwere Aufgaben: “Wie ihr wisst, hatte ich einen heftigen Knock-down. Ich habe ein großes Loch im Großsegel und der A7-Gennaker ist ums Vorstag gewickelt. Also ein großer, großer Schaden. Aber ich hoffe, ich kann ihn jetzt reparieren. Ich bin einmal den Mast hinaufgeklettert und habe den A7 abgeschnitten. Danach bin ich am Vorstag hochgeklettert, und das war noch akrobatischer. Ich habe ein weiteres Stück des A7 herausgeschnitten, weil ich gesehen habe, wie sich dieses Tief entwickelt hat. Ich wusste, dass es sehr gefährlich ist, mit einem flatternden Segel auf dem J2-Vorstag.”

Nähen, Kleben, Hoffen

Weiter sagte Szabi Weöres: “Ich weiß nicht, wie groß der Schaden am Großsegel ist. Ich nehme an, dass er ziemlich groß ist, etwa so groß wie der Rennaufkleber.... Es ist am zweiten Reff, irgendwo in der Nähe des Achterlieks... Ich werde eine ruhige Stelle zum Reparieren brauchen, Nähen, Kleben. Ich denke, alles ist möglich, meine Moral ist sehr gut. Ich bin froh, dass ich die Situation stabilisiert habe.”

In der schwierigen Lage hat Szabi Weöres auch Selbstschutzmaßnahmen ergriffen: “Ich habe versucht, das Beste daraus zu machen. Wisst ihr, dass ich die Konkurrenten nicht sehe? Im Moment habe ich die Positionsmeldungen ausgeschaltet, um nicht zu sehen, wo sie sind. Ich versuche, mich nur auf mich selbst zu konzentrieren.”

Wo sind die Wolken, wie positioniere ich mich? Boris Herrmann beschreibt die Aufgaben in den instabilen Atlantik-Verhältnissen:

DER RÜCKBLICK AUF DIE ERSTE WOCHE der 10. Vendée Globe:

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