Tatjana Pokorny
· 30.03.2025
Sie ist 48 Jahre alt und will sehen, was die Welt ihr nach mehr als zwei Jahrzehnten Seesegelsport noch zu bieten hat. Isabelle Joschke, Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters, in München geboren und in Lorient zuhause, hat dem Imoca-Sport Adieu gesagt.
Nach zwei Vendée Globes, von denen sie eine 2021 nach dramatischen Kielproblemen außerhalb des Klassements zu Ende brachte und die zweite gerade als Neunzehnte mit betagtem Boot und großem Kämpferherz in der vorderen Hälfte abschloss, gab Isabelle Joschke das Ende ihrer aktiven Karriere als “Macsf”-Skipperin in der vergangenen Woche bekannt.
Ich habe dieses Leben geliebt, aber jetzt möchte ich neue Horizonte entdecken.” Isabelle Joschke
Zu ihren Beweggründen erklärte die Solistin: “Nach 21 kompletten Saisons (Red.: In vier verschiedenen Klassen) habe ich das Bedürfnis, im Einklang mit meinem Rhythmus und meiner Physiologie zu leben. Das Hochseesegeln ist für mich mehr ein Leben als ein Beruf. Es ist auch totales Engagement, das viel Zeit und Energie erfordert. Dieses Umfeld ist ein Kokon, was sehr angenehm ist. Aber ich möchte auch andere Welten sehen. Ich muss mich anderen Dingen öffnen.”
Während andere Skipper zeitweise oder ganz aufgeben müssen, weil ihre Sponsoren von Bord gehen, ist es bei Isabelle Joschke andersherum: Sie steigt aus, während Partner Macsf bereits angekündigt hat, sein Engagement in der Imoca-Klasse fortsetzen zu wollen. Nach sechs Jahren in einem Boot mit Isabelle Joschke plant Macsf, eine Imoca neuerer Generation zu erwerben und einen neuen Protagonisten oder eine neue Protagonistin auszuwählen.
Das Projekt wird auch in Zukunft von Alain Gautier geführt, der die Vendée Globe 1992/1993 gewonnen hatte. Stéphane Dessirier, Generaldirektor der MACSF-Gruppe, sagte: „Wir sind sehr glücklich über die sechsjährige Zusammenarbeit mit Isabelle, die die Werte der Macsf authentisch verkörpert hat. Diese Partnerschaft hat unseren Mitarbeitern und Mitgliedern ein außergewöhnliches menschliches Abenteuer ermöglicht. Dank Isabelle haben wir als Sponsor im Hochseeregattasegeln eine neue Etappe erreicht. Wir wünschen ihr viel Erfolg bei ihren neuen Projekten.“
Isabelle Joschke blickt bei ihrem Abschied in dieser Woche auf zwei Vendée Globes zurück, die sich an harten Bewährungsproben kaum nachstanden, aber mit einem entscheidenden Unterschied zu Ende gingen: Während ihre Vendée-Globe-Première 2020/2021 nach dramatischen Kielproblemen ohne Ergebnis blieb, endete die zweite mit dem ersehnten Zieldurchgang.
Zwischen den beiden Soli hatte sie sich eine lange Bedenkzeit genommen, um über die Fortsetzung der Kampagne zu entscheiden. Die Lust am Solosegeln und Anziehungskraft der zweiten Chance hatten schließlich die Oberhand gewonnen. “Beim ersten Mal habe ich während des Rennens sehr gelitten. Das hatte ich nicht erwartet. Da hatte es lange gedauert, bis ich den richtigen Sinn wiedergefunden habe”, erklärte Isa Joschke.
Die guten Resultate auf dem Weg zur zweiten Teilnahme und der innere Biss der Frau, die auch an Land gerne solo beim Wandern oder anderen Herausforderungen unterwegs ist, hatten den Ausschlag für die zweite Runde gegeben, mit der Isabelle Joschke ihre Karriere nun abschloss. Auch ihr zweites Rennen um die Welt hat die sehr gut Deutsch sprechende Skipperin mit der 2007 als “Safran” gebauten VPLP/Verdier-Imoca “Macsf” bestritten.
Ihr bestes Ergebnis auf Kurs Vendée Globe 2024/2025 war der neunte Platz bei der Retour à La Base 2023. “Das war sehr, sehr gut. Darauf war ich sehr stolz”, erzählte sie der YACHT danach im Interview. Mit zwölften Plätzen beim Transat CIC und auch bei der Défi Azimut hatte sie zeigen können, dass sie auch mit älterem Boot das Zeug zu starken Ergebnissen hat.
Doch als sie dann bei ihrer zweiten Vendée Globe am 29. Dezember plötzlich ein lautes Knacken hörte, wurde schnell klar, dass sie auch dieses zweite Solo um die Welt unter erschwerten Bedingungen würde beenden müssen. Erst dachte sie, dass sie erneut vom Kielproblemen heimgesucht worden wäre. Doch der schnelle Check ergab: Das Steuerbord-Foil war abgebrochen! Probleme mit der Energieversorgung und ein Riss im Großsegel machten das schwarze Vendée-Globe-Wochenende für Isabelle Joschke zum maximalen Stresstest auf See.
Mein Rennen wird von jetzt an nicht mehr dasselbe sein.” Isabelle Joschke
Isabelle Joschke bekam die Probleme zwar in den Griff, doch war nun das pure Ankommen zur höchsten Priorität geworden. Vor Kap Hoorn hatte sie noch einmal das Tempo drosseln müssen, um einem schweren Sturm auszuweichen. Da war sie auf Platz 18 zurückgefallen. Den Äquator hatte sie auf dem Heimweg nach Lorient nach guten strategischen Entscheidungen wieder als Fünfzehnte gekreuzt, bevor sie im flauen Azorenhoch-Poker erneut Plätze verlor.
Ihre Ankunft als Neunzehnte begriff sie nach 85 Tagen, 11 Stunden, 26 Minuten und 36 Sekunden dennoch als versöhnliches Finale, als Sieg über die Probleme ihres zweiten Solos um die Welt, als finales Ausrufezeichen einer spannenden Karriere. Mit 458 Seemeilen hat sie dabei über 24 Stunden auch eine persönliche Bestleistung aufgestellt.
Mit Isabelle Joschke verlässt eine Akteurin das Imoca-Spielfeld, die der Szene seit dem Einstieg ins Hochseesegeln 2004 mit Kampagnen im Mini 6.50, im Figaro-Circuit, in der Class40 und schließlich in der Imoca-Welt ihren ganz eigenen Stempel aufgedrückt hat. Die Frau, die bei ihrer ersten Vendée Globe an die eigenen Grenzen stieß, aber nie aufgab und zurückkehrte, hat ihre Mission mit der zweiten Vendée Globe bei der jüngsten Edition vollendet.
Ihr Engagement für den Verein Horizion Mixité, den Isabelle Joschke 2012 mitbegründet hat und der sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen einsetzt, wird sie fortsetzen. Sie wird weiterhin Projekte wie die Solidaritätsinitiative „Femmes, Mer et Emploi“ unterstützen und sich an Schulen engagieren. Sie wird der Imoca-Szene als eigenwilliger Kopf, als Kämpferin und als vielschichtige Botschafterin des Solosegelns fehlen.
Gerade 1,60 Meter groß, zierlich, aber zäh und willensstark – Soloseglerin Isabelle Joschke im NDR-Portrait, das im Anschluss an ihre zweite Vendée Globe erstmals gesendet wurde: