Vendée GlobeIn Boris Herrmanns Worten – “Müssen einfach weitermachen”

Tatjana Pokorny

 · 30.01.2025

Boris Herrmann zeigt Flagge bei der Kanalfahrt ins Herz von Port Olona.
Foto: Olivier Blanchet/Alea/VG2024
Boris Herrmann hat wieder festen Boden unter den Füßen. Er hat seine Liebsten in die Arme schließen können, die Jubelparade im Kanal nach Port Olona genossen, die ersten Interviews gegeben. Sein Rückblick auf ein hartes, aber auch bereicherndes Rennen und der Traum von einer dritten Vendée Globe standen im Mittelpunkt des Tages in Les Sables-d’Olonne.

Um 15.41 Uhr hat Boris Herrmann an diesem 30. Januar erstmals seit dem Start der Vendée Globe am 10. November wieder einen Fuß an Land gesetzt. In Port Olona wurde der "Malizia – Seaexplorer"-Skipper begeistert empfangen. Im ersten Blitzinterview mit den französischen Gastgebern sagte Boris Herrmann: "Ich bin sehr glücklich, wieder da zu sein." Er habe sich angesichts der vielen Rückschläge nie geschlagen gegeben, immer gekämpft.

Es war ein sehr, sehr intensives Abenteuer.” Boris Herrmann

Mit Blick auf das Erreichte, sagte Team Malizias Skipper: "Es gibt weniger als 100 Leute, ich glaube, ungefähr 65, die zwei Vendée Globes ins Ziel gebracht haben. Darauf bin ich stolz." In Port Olona genoss Boris Herrmann am Tag nach seiner Zielankunft die Jubelatmosphäre, sagte im Interview mit dem NDR: "Mir geht es gut. Es ist tolle Energie hier bei dem langen Kanal, durch den man einläuft. 1000 Leute, die uns wirklich begeistert zujubeln, kleine Poster schreiben, Banner, Flaggen, viele deutsche Flaggen, toll zu sehen, wie viel Begeisterung das Rennen hier auslöst."

Vendée Globe: die Leichtigkeit danach

Im Vendée-Globe-Hafen Port Olona reagierte Boris Herrmann auf den Gänsehaut-Empfang im Interview mit dem NDR: "Das ist ein schöner Moment, der einem wirklich ein bisschen die Leichtigkeit zurückgibt. Man ist nicht immer leicht während so eines intensiven Abenteuers." Sein  Rennen beschrieb der Vendée-Globe-Zwölfte als "intensive Lebenserfahrung, die ich nicht missen wollen würde".

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Auf die Frage nach einer ersten eigenen Zusammenfassung seines Rennens sagte Boris Herrmann: "Erstmal danke an alle, die das Rennen so intensiv verfolgt haben. Da kriege ich natürlich auch während des Rennens viel tolle Energie zurück. Ich war ein bisschen stockend ins Rennen gestartet. Das war nicht freiwillig. Das waren einfach die Umstände.”

Dämpfer zum Auftakt, Aufholjagd im Indischen Ozean

Im Detail erklärte Boris Herrmann den nicht ganz gelungenen Auftakt so: “Schon alleine auf der Startlinie gab es eine große Diskrepanz, die sich in die ersten zwei Tage ausgewirkt hat. Die Startlinie bei so einem Rennen ist 2,4 Kilometer lang. Und wir sind auf der ganz linken Seite zwei, drei Stunden länger hängengeblieben bei diesem stockenden Wind, der dann auf der rechten Seite eingesetzt hat, die an sich benachteiligt war. Das haben einige gut vorhergesehen. Die sind da gut weggekommen.”

Es war ein schöner Kampf bis ins Ziel.” Boris Herrmann

Herrmann dagegen bekam hier schon den ersten kleinen Dämpfer: “Schon am Start hing ich etwas hintendran. Der ganze Atlantik war zäh. Im Indischen Ozean bin ich dann gut zurückgekommen – die zweitschnellste Zeit im Indischen Ozean. Dann war der Pazifik auch ganz okay. Dann (war ich) so ein bisschen in Matchdistanz, zumindest zu Platz vier. Zeitweilig, kurz zumindest, auf Platz sechs vor Brasilien. Und dann kam eine kleine Aneinanderreihung von den einen oder anderen schwierigen Umständen: Wetter, Gewitter, Sturm, Segel, die reißen, ein Foil, das gebrochen ist und damit ein spannendes Finale. Mir ist nicht langweilig geworden.”

Bei Vendée Globe Nummer drei aufs Podium?

Noch einmal gefragt nach dem Traum von der dritten Vendée-Globe-Teilnahme, die Boris Herrmann im Boris BLog der YACHT schon während des Rennens ins Visier genommen hatte, sagte der sechsmalige Weltumsegler am Donnerstag gegenüber dem NDR: "Aller guten Dinge sind drei. Die wir geben uns Mühe, dass wir da auch wieder einige der Erfahrungen und Learnings von diesem Mal umsetzen können, dann hoffentlich in eine Podiumsplatzierung."

In der Vendée-Globe-Pressekonferenz am Donnerstagabend fügte Boris Herrmann weitere Gedanken hinzu: “Das Comeback ist ganz klar ein großer Traum, weil es so süchtig macht und faszinierend ist. Ich träume davon, weiterzumachen. Wir werden weitermachen, das ist sicher. Und wir werden versuchen, mit Team Malizia alles zu geben, um in vier Jahren wieder hier zu sein.”

Die Vorhersagen waren sehr beängstigend.” Boris Herrmann

Gefragt nach den stürmischen Bedingungen seiner letzten Vendée-Globe-Tage, erzählte Boris Herrmann: “Solche Bedingungen kommen im Leben eines Seglers sehr selten vor. Ich habe mich gefragt, ob es vernünftig ist, da reinzugehen. Oder, ob es vernünftiger ist, in den Süden zu gehen und vier Tage südlich der Azoren abzuwarten.” Es sei aber auch klargewesen, dass es bei der Entscheidung zum Warten ein langes Warten geworden wäre: “Da kam eine Serie von zwei, drei Tiefs.”

Vendée-Globe-Design: tolerantes Multitalent gesucht

Man stelle sich angesichts eines solchen Szenarios viele Fragen, erzählte Boris Herrmann, weil man nicht viele Erfahrungswerte habe. “Ich hatte auf den Wetterfiles elf Meter Wellen und 48 Knoten Wind. In der Realität hatte ich 64 Knoten Wind! Die Wellen konnte ich nicht messen, aber sie waren beeindruckend. Es ist aber gut, dass ich das gemacht habe. Es hat mir die Sicherheit gegeben, dass diese Boote mit kleineren Segeln sich wie Weinkorken verhalten, immer oben bleiben. Ich fühlte mich nach zwei Tagen sehr sicher.”

In die Zukunft des Imoca-Designs geschaut, sagte Boris Herrmann, dass der Trend zu schmaleren und noch vielseitigeren Designs gehen wird. “Es wird in die Extreme eines Bootes gehen, das tolerant ist. Vielleicht ein Boot, das fordernder, aber auch fähiger in einigen Windbereichen ist.

Ob er glaube, dass ihn bei einer dritten Vendée Globe noch etwas wird überraschen können? Boris Herrmann lächelte einen Moment und sagte: “Jeder Tag bei einer Vendée Globe ist anders. Wir sind nie sicher vor Überraschungen. Überraschungen im Klassement, in den Files, in den Details, im technischen Bereich oder auch den Gefühlen an Bord. Ich war bei dieser Vendée Globe von mir selbst positiv überrascht. Und manchmal negativ überrascht von meinen Ergebnissen. Aber das ist die Vendée Globe.”

Ich habe bei dieser Vendée Globe viel gerlernt über das Boot, über mich, über den Sport.” Boris Herrmann

Segeln sei, so Boris Herrmann, “ein Sport in dem Erfahrung zählt”. Die Folge: “Man hofft, je weiter man geht, je mehr kann man diese Erfahrung umsetzen. Also müssen wir einfach noch einmal weitermachen.” Davor steht aktuell sein Glück übers Angekommensein. “Ich freue mich, nach 80 Tagen Isolation in die Welt zurückzukehren und meinen ersten Tag an Land im neuen Jahr voll auszukosten.”

Replay! Die Übertragung von Boris Herrmanns Ankunft in Les Sables-d’Olonne:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta