Vendée GlobeHungrige Skipper, müde Boote – ”Bitte Büfett statt Feuerwerk!”

Tatjana Pokorny

 · 24.02.2025

Müde Segel an Bord von Manuel Cousins "Coup de Pouce".
Foto: Manuel Cousin/VG2024
Heute vor einem Monat hat Charlie Dalin die Ziellinie der 10. Vendée Globe in neuer Fabelzeit passiert. Der Sieger hatte seine “Macif Santé Prevoyance” in weniger als 65 Tagen um die Welt getrieben. Jetzt streben die letzten drei Skipper des Rennens Les Sables-d’Olonne entgegen. Ihr Marathon wird am Ende an die 110 oder mehr Tage verschlungen haben.

842 Seemeilen hatte Manuel Cousin zu Wochenbeginn noch vor sich. Seit dem 10. November 2024 solo bei der Vendée Globe im Einsatz, kämpfte sich der Franzose der Ziellinie entgegen. Hinter dem “Coup de Pouce”-Skipper verfolgten vormittags am 24. Februar Fabrice Amedeo (”Nexans - Wewise”, 1162 Seemeilen ”to go”) und Denis Van Weynberg (”D’Ieteren Group”, 1469 Seemeilen “to go”) das gleiche Ziel.

Zeiten wie die Vendée-Globe-Sieger von einst

Alle drei waren am Montagmittag seit 106 Tagen im Nonstop-Einsatz bei der Vendée Globe. Sie werden am Ende ihres Rennens an die 110 oder mehr Tage durchgehend gesegelt haben. Das entspricht etwa den Zeiten der frühen Vendée-Globe-Sieger: Premierenstar Titouan Lamazou hatte des Rennen 1989/1990 in 109 Tagen, 8 Stunden, 48 Minuten und 50 Sekunden gewonnen. Nachfolger Alain Gautier hatte bei der zweiten Edition 1992/1993 mit 110 Tagen, 2 Stunden, 22 Minuten und 35 Sekunden sogar noch etwas länger gebraucht.

Auch bei der dritten Vendée Globe ging es für den Sieger Christophe Augin mit 105 Tagen, 20 Stunden und 31 Minuten noch einmal über die 100-Tage-Grenze, bevor die Folgerennen immer deutlicher darunter blieben. Charlie Dalin hat den Vendée-Globe-Rekord bei dieser Auflage mit 64 Tagen, 19 Stunden, 22 Minuten und 49 Sekunden in eine neue Dimension katapultiert.

Die ihm nun als letzte drei Skipper folgenden Herausforderer werden 45 und mehr Tage länger gebraucht haben, wenn sie die Ziellinie in den kommenden Tagen erreichen. Für sie hat die sechzehnte Rennwoche der Vendée Globe begonnen. Im Gegensatz zu den sieben ausgeschiedenen der insgesamt 40 Starter aber werden sie ihre Rennen voraussichtlich beenden können.

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Letztes Trio der 10. Vendée Globe in Sicht

Manuel Cousin wird am 27. oder 28. Februar als 31. Finisher in Les Sables-d’Olonne erwartet. Ihm folgen Fabrice Amedeo zwischen dem 28. Februar und 1. März und Schlusslicht Denis Van Weynbergh etwa am 2. März. Hier geht es zum Race Tracker und den Zwischenständen. Keiner der drei hatte mit einer so langen Renndauer gerechnet. Amedeos Team beispielsweise hatte für bis zu rund 100 Tage geplant. Die Folge: Alle haben längst mit der Rationierung ihres Proviants zu kämpfen.

Ich habe Hunger!” Fabrice Amedeo

“Bereitet kein Feuerwerk für mich, bereitet mir bitte ein großes Büfett”, wünschte sich Segler und Journalist Febrice Amedeo lächelnd. Sein Owen-Clarke-Design von 2007, einst als “Ecover III” gebaut und mit Mike Golding im Einsatz, hatte zwar nie zu den Favoriten gezählt. Dass er aber mit Denis Van Weynbergh um den vorletzten und den letzten Platz würde ringen müssen, hatte sich Amedeo als Elfter der Vendée Globe 2016/2017 trotz einiger Rückschlage vor Rennbeginn so nicht vorgestellt.

Nach windarmen Tagen und quälend langsamer Fahrt hatte Fabrice Amedeo am Sonntag gesagt: “Ich habe noch ungefähr sechs Tage auf See vor mir. Und wenn ich anfange, nur daran zu denken, kommt mir die Zeit endlos vor. Also kümmere ich mich weiter um das Boot und tue so, als ob ich noch einen Monat auf See vor mir hätte. Das ist die beste Strategie, um mental auf Kurs zu bleiben.”

Große Prüfung, kleine Glücksmomente

Es sind die kleinen Glücksmomente, die alle drei Nachzügler in ihren letzten Tagen auf See beflügeln. Zufallsfunde wie ein Stückchen Schokolade wirkt Wunder an Bord der hungrigen Skipper und müden Boote. Denis Van Weynbergh sagt:”Die kleinen Details machen den Unterschied. Kleine, einfache Dinge, die Trost spenden.” Die Proviantlage ist bei allen noch segelnden Vendée-Globe-Skippern angespannt.

„Ich habe alles, was ich für die Hauptmalzeiten brauche, aber ich habe nur noch gefriergetrocknete Lebensmittel übrig“, sagt Fabrice. Die Zeiten der kleinen Snacks und Kekse, die als süßer Trost dienten, sind längst vorbei. Die Lage, so Amedeo, sei „nicht dramatisch”, aber bei 2500 Kalorien pro Tag in Abgleich zu den “3500, die ich für meine Statur bräuchte”, ein bisschen wenig.

Die Tatsache, dass man ganz alleine ist, belastet nach einer Weile.” Denis Van Weynbergh

Auch der extralange Mangel an der Nähe zu anderen macht den Skippern zu schaffen. Denis Van Weynbergh hat es ausgesprochen: “Was mir langsam wirklich fehlt, ist der menschliche Kontakt.” Die Wünsche des Belgiers erscheinen bescheiden, bedeuten ihm aber eine Welt: “Ich möchte die Menschen sehen, mit denen ich rede, echte soziale Interaktion haben. Glücklicherweise kann man mit dem Netzwerk und WhatsApp die Verbindungen aufrecht erhalten, aber das ist kein Ersatz für die echte Anwesenheit von anderen.”

Um jeden Preis: Rituale helfen mental

Manuel Cousin wirkt mit Routine gegen sein Einsamkeitsgefühl: “Ich persönlich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, meine Freundin einmal am Tag anzurufen. Das ist ein wichtiger Moment, an dem man um jeden Preis festhält, egal, was man sich erzählt. Dieses kleine Ritual zu haben, tut wirklich gut. Nach so langer Zeit auf See muss man sich auch an die Dinge klammern, die wirklich wichtig sind.”

Im Endspurt herrscht für das letzte Vendée-Globe-Trio noch einmal Hochspannung. Manuel Cousin hatte am Sonntag gesagt: “Normalerweise müsste ich Wind haben, da das Tiefdruckgebiet nachzieht. Wir werden aufpassen müssen, denn jetzt ist nicht die Zeit, um Fehler zu machen.” Auch der Schiffsverkehr wird bei der Annäherung ans Ziel wieder zu einer zusätzlichen Stressquelle, vergleichbar mit dem Überqueren einer überfüllten Verkehrshauptader einer Großstadt zur Rushhour, aber mit 300 Meter langen Lastwagen, die keine Bremsabsicht haben.

Rückblick! Wie es bei der Premiere der Vendée Globe mit 13 Sekippern zuging, als Sieger Tituan Lamazou etwa so lange brauchte wie die jetzigen Nachzügler. Imposante Bilder erzählen:

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