Andreas Fritsch
· 10.12.2012
Mit 22 Knoten Speed segelte Alex Thomson über Treibgut und beschädigte sich schon zum zweiten Mal im Rennen Ruder und Hydrogenerator
Es klingt wie ein lupenreines Déjà vu: Wieder die Querstange zwischen Ruderquadrant und Ruderkopf gebrochen, wieder ein Hydrogenerator beschädigt – nur diesmal hat auch das Ruder etwas abgekriegt. Fast genau denselben Schaden hatte Thomson schon auf den Weg zum Äquator und meisterte die Herausforderung der Reparatur auf See souverän mit Bordmitteln.
Den Verlauf des zweiten Crashes, der schon Sonntagabend stattfand, schilderte Thomson erst gestern Nachmittag der Rennleitung wie folgt:
"Um 22.20 Uhr rammte ich ein Stück Treibgut mit gut 22 Knoten Bootsspeed. Ich war unten am Navitisch, als es passierte. Es war ein lauter Knall im Vorschiffsbereich zu hören, ich denke, weil der Kiel oder das Schwert etwas getroffen hatte. Danach waren einige leisere, weichere Einschläge zu hören, weil das Treibgut offensichtlich den Rumpf entlangpolterte, und dann zum Schluss nochmal ein lauter Knall, als es schließlich das Ruder und den Hydrogenerator traf.
Als ich zum Niedergang gestürzt war, ist das Ruder schon hochgeklappt, und der Hydrogenerator wurde im Wasser hinterhergeschleift. Das Boot schoss ohne Ruder in den Wind, und ich habe das Vorsegel schnell weggerollt. Bei näherer Betrachtung wurde klar, dass die Sicherung des Ruders beim Aufschlag ausgelöst hatte und das Blatt hochgeklappt ist, genau, wie es soll. Deshalb ist es auch nur leicht beschädigt. Aber der Propeller des Hydrogenerators ist kaputt und die Halterung zerschlagen und über Bord gegangen. Außerdem ist die Ruder-Verbindungs-Stange in drei Teile gebrochen – und zwar die noch nicht reparierte!
Ich habe dann die Stangen ausgetauscht, damit ich weitersegeln konnte. Die Wellen waren ziemlich hoch, überspülten das Cockpit und trafen immer wieder das hochgeklappte Ruder. Beide Ruderkassetten wurden dabei leicht beschädigt, und es war ein ziemlich schwieriger Job, da hinten am Heck zu hängen und das zu reparieren, während man dauernd von den Wellen überspült wurde! Danach habe ich sofort Kontakt zum Team aufgenommen und eine Reparatur der Ruderstange besprochen. Ich habe sie schließlich so ähnlich gefixt wie die alte Stange, alles war ein bisschen schwieriger als letztes Mal, weil der Bruch nicht so glatt war und die Bedingungen rau. Den Schaden an den Ruderkassetten kann ich nicht jetzt beheben, dafür muss es trocken sein. Meine Team-Techniker glauben, er ist noch nicht kritisch. Beim Hydrogenerator ist aber wohl nichts mehr zu retten.
Anschließend habe ich das Schwert so weit rausgezogen, wie es ging, konnte aber keinen Schaden sehen. Auch der Bootsrumpf um den Kiel und Schwertbereich sieht von innen intakt aus. Natürlich bin ich total genervt, dass das schon wieder passiert ist und ich so viele Meilen verloren habe, aber ich bin froh, dass die Schäden nicht so schlimm sind und ich weiterfahren kann. Der Verlust des Generators bedeutet für mich, dass ich so viel Strom sparen muss wie irgend möglich. Computer, Satelliten-Telefon, GPS – alles muss ich so oft wie möglich abschalten, wenn ich es bis zur Ziellinie schaffen will.
Und es klingt unglaublich, aber Montagnacht ging plötzlich der Autopilot-Alarm los. Als ich an Deck kam, war das Ruderblatt schon wieder hochgeklappt, wieder die Sicherung gebrochen! Schon wieder ist etwas mit dem Ruderblatt kollidiert, zweimal in knapp einem Tag! Aber alles ist okay. Ich hoffe nur, dass ich wegen dieser Rückschläge nicht den Anschluss an die Spitzengruppe verliere."
Danach sah es heute Morgen nicht aus, Thomson liegt mit seiner "Hugo Boss" weiterhin auf Platz 5 und ist mit 19,5 derzeit Schnellster im Feld. Zwar beträgt sein Rückstand auf den führenden François Gabart 136 Seemeilen, aber sein nächster Rivale, der Schweizer Bernard Stamm ("Cheminées Poujoulat") segelt nur knapp 40 Meilen vor ihm, und Thomsons VMG ist zurzeit fast drei Knoten höher.