Vendée GlobeHerrmann mit nackter Segelfreude vor der Copacabana

Tatjana Pokorny

 · 06.01.2025

Boris Herrmann in guter Kampflaune vor Brasiliens Atlantikküste.
Foto: Boris Herrmann/VG2024
Achtung, Hochspannung! Bei der Vendée Globe hat die neunte Rennwoche mit packenden Positionskämpfen vor Brasiliens Atlantikküste begonnen. Boris Herrmann ist über Nacht auf Platz sieben vorgerückt. Der Kampf um die Plätze vier bis zehn ist wenige hundert Seemeilen vor der Copacabana voll entbrannt. Dazu schickte Boris Herrmann einen Videoclip, der ihn so heiter zeigt wie lange nicht…

Abgerechnet wird erst im Ziel. Die alte Sportweisheit ist im Hinterkopf zu behalten bei den aktuell hochspannenden Positionskämpfen im Atlantik. Dabei gibt es mehrere Spannungsherde: Vorne und bereits auf der Nordhalbkugel führt “Macif Santé Prévoyance”-Skipper Charlie Dalin das Feld weiter an. Aber: Sein hartnäckiger Verfolger Yoann Richomme ist ihm zum Ende des 57. Renntages wieder näher gerückt. Der “Paprec Arkéa”-Skipper konnte seinen Rückstand zuletzt auf unter 80 Seemeilen verringern, war schneller unterwegs als Dalin.

Während Sébastien Simon ("Groupe Dubreuil") bei der 11-Uhr-Positionsaktualisierung mit 750 Seemeilen zur Spitze und sehr komfortablen rund 1250 Seemeilen Vorsprung auf den inzwischen wieder viertplatzierten Thomas Ruyant (”Vulnerable”) am Montagmorgen weiter souverän Rang drei verteidigte, herrscht weit hinter ihm Gedrängel und Hochspannung.

Welche Gruppe liegt auf Kurs Äquator richtig?

Einige hundert Seemeilen vor Rio de Janeiros Coapacabana ist Boris Herrmann dabei auf Platz sieben vorgerückt. Hier haben sich die Solisten auf den Plätzen vier bis zehn wie ein Fächer von West nach Ost verteilt. Während die Gruppe um Beyou, Sam Goodchild auf Platz sechs, Herrmann und die auf Platz acht vorgerückte Justine Mettraux ("TeamWork - Team Snef") ihr Glück näher vor der Küste sucht, hofften die zunächst auf die Plätze neun und zehn zurückgefallenen Paul Meilhat ("Biotherm") und Nico Lunven ("Holcim - PRB") bis zu fast 500 Seemeilen weiter östlich auf den Durchbruch.

Mittig positioniert zwischen diesen beiden Gruppen blieb “Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant. Aktuell ist angesichts des Gerangels in sehr schwer berechenbaren unbeständigen Winden vor Brasilien bei jeder neuen Positionsaktualisierung mit weiteren Verschiebungen zu rechnen. “Wir werden beim Äquator wissen, wie es ausgeht”, prophezeite Boris Herrmann.

Nur rund 170 Seemeilen trennten die Boote von Platz vier bis Platz zehn am Montagvormittag. Der Blick auf die schwer berechenbaren Windentwicklungen in ihrer brasilianischen Ecke des Südatlantikreviers und die Prognosen zeigten zuletzt, dass bei einer möglichen Ausbreitung des Hochs in Küstennähe Nico Lunven und Paul Meilhat auf der Ostflanke eine Brücke finden und wieder vorrücken könnten. Ob sich ihr längerer Weg wirklich gelohnt haben wird, müssen die kommenden Tage zeigen.

Navigator-Trophäe: Herrmanns Vendée-Globe-Wette

Bis zum Äquator hatte die Gruppe zu Beginn von Rennwoche neun morgens am 6. Januar noch etwa 1600 bis 1900 Seemeilen und vor sich. Derweil kamen von hinten drei Verfolger schnell auf: Mit Geschwindigkeiten von 14 bis 16 Knoten rückten Benjamin Dutreux (”Guyot Environnement – Water Family”), Clarisse Crémer (”L’Occitane en Provence”) und Smantha Davies (”Inititatives - Cœur”) den Top Ten näher. Rund 420 Seemeilen trennten Ben Dutreux noch von Nico Lunven.

Boris Herrmann schickte am Montag sein erstes längeres Video im neuen Jahr. Seine Prognose nach den jüngsten Routings: “Die Wettermodelle sehen mich in 15, 16 Tagen bei den Azoren. Von da – das könnte ihr euch vorstellen – sind es immer noch ein paar Tage, um nach Hause zu kommen. Mein bester Tipp: Von hier sind es jetzt noch 20, 21 Tage bis ins Ziel. Wie immer kann es auch länger dauern. Also wäre meine Vermutung der 24. Januar. Das wären 76 Tage.”

Dann rief Boris Herrmann zu einer Wette auf: “Ich wüsste gerne euren Tipp. Wir nennen es die Navigator-Trophäe. Wir werden uns einen tollen Preis überlegen und ich lasse unser Team das arrangieren. Mein Tipp ist der 24. Januar um 18 Uhr UTC (Red.: 19 Uhr deutscher Zeit). Und jetzt seid ihr am Zug.” Mit der Spaßwette überraschte Boris Herrmann auch sein Team Malizia, das nun an vermutlich an einem kleinen Tippspiel arbeitet.

Ein dickes Auge und die nackte Segelfreude

Sein sichtbar mitgenommenes rechtes Auge erklärte Boris Herrmann auch: “Letzte Nacht ist das Boot ziemlich durch die Wellen gesprungen. Wir hatten hier über eine lange Zeit starken Seegang mit diesem großen Tief. Auch jetzt ist die See noch nicht sehr ruhig. Ich habe die Ausrüstung hin- und hergestaut. Das machen wir immer so, wenn der Wind sich ändert, um den Längstrimm und den Schwerpunkt des Bootes anzupassen. Ich habe Taschen nach vorne gebracht. Als ich gerade eine Tasche hochgehoben habe, hat das Boot einen Satz gemacht und ich habe mir die Tasche direkt ins Auge gehauen. Zum Glück ist nichts außer einem kleinen Kratzer passiert.”

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Mit Augenzwinkern verriet Boris Herrmann danach, dass er an diesem Morgen nackt an Deck gegangen ist. Warum? Boris Herrmann erklärte: “Weil wir uns hier in einer Zone mit idealen Temperaturen befinden. Es ist weder zu heiß noch zu kalt. Die See hatte gerade die richtige Temperatur, um mich aufzuwecken, als ich aus der Koje kam und nach vorne musste, um das J0 zu setzen. Anstelle dieser etwas feuchten Sachen (Red.: Herrmann zeigt im Video auf sein Ölzeug) anzuziehen, bin ich einfach so gegangen wie ich bin.”

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Heiter erzählte Boris Herrmann weiter: “Das war wirklich gutes Aufwachen. Die Laune ist bestens, die Stimmung ist gut. Dem Boot und mir geht es gut. Ich habe in den letzten Tagen nicht viel geschlafen. Es waren diese sich ewig verändernden Bedingungen, die Böen, der Seegang, die aufgewühlte See… Sie haben es schwer gemacht, sich gut zu bewegen und an Sam Goodchild dranzubleiben, der einen großartigen Job macht und echt schnell ist.”

Vendée-Globe-Herausforderung bei Höhenangst

Eine weitere Herausforderung hat Boris Herrmann in den kommenden Tagen zu meistern. Es gilt für ihn, der unter Höhenangst leidet, die durchgescheuerte Kontrollleine, die das Backstag in Position hält, zu reparieren. Dazu muss er in den Mast steigen. Obwohl ihm sein Team dafür bereits eine Anleitung gegeben hat, erkundigte sich Herrmann in seinem jüngsten Video nach weiteren Tipps, wie er hier am besten vorgehen könne.

“Die Geheimnisse eines nackten Seglers!” –  In seinem jüngsten Video zeigt sich Boris Herrmann nach längerer Zurückhaltung und Konzentration auf den Wettkampf so ausgeruht und heiter wie lange nicht:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta