Mit neuer Kletterausrüstung, guten Tipps seines Teams und maximaler Entschlossenheit hat Boris Herrmann bereits am Montag in leichten Winden seine angekündigte und ihm stark bevorstehende Reparatur im Mast geschafft. Das vermeldete sein Team Malizia in der Nacht zum Dienstag. Dabei überwand der "Malizia – Seaexplorer" seine bekannte Höhenangst, arbeitete erfolgreich im 29 Meter hohen Mast.
Dazu war der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper bei seinem Solo gezwungen, weil ein wichtiges Teil der Takelage beschädigt war: die sogenannte Arbalète. Dabei handelt es sich um eine Kontrolleine, die – wenn gefiert – das Backstag zu einem Toppmast-Backstag macht, und wenn angezogen, das Backstag auf Höhe des Vorstags an den Mast zieht und arretiert.
Ich habe Höhenangst.” Boris Herrmann
Damit überträgt sie die Kräfte des Vorstages über das Backstag auf das Boot. Im gelösten Zustand nimmt die Arbalète die Kräfte der Masttoppsegel wie die eines Code Zero auf. Im angezogenen Zustand greift sie dann auf Höhe des Vorstages an der Achterkante des Mastes an und gibt dem Vorstag der J2 Spannung. Am späten Montagabend war Boris Herrmann nach getaner Arbeit sehr erleichtert als Siebter in die Nacht gesegelt. “Das war eine sichere Operation, die erfolgreich verlaufen ist”, sagte er mit strahlendem Lächeln.
An diesem Dienstagmorgen kämpfte Boris Herrmann bei seiner zweiten Vendée Globe früh morgens mit “Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant um den sechsten Platz, den er über Nacht schon einmal erobert hatte. In heftigen Gewittern vor der brasilianischen Küste dauerten die Positionsgefechte rund 1500 Seemeilen südlich vom Äquator in der Gruppe der Boote auf den Plätzen vier bis zehn an. Bei der 7-Uhr-Aktualisierung der Zwischenstände fehlten Boris Herrmann nur rund fünf Seemeilen zu "Vulnerable"-Skipper Thomas Ruyant.
Es bleibt aber eng vom viertplatzierten Jérémie Beyou ("Charal") über den auf Platz fünf vorgerückten "Vulnerable"-Skipper Sam Goodchild, seinen mittig positionierten und inzwischen überholten Rennstallkollegen Thomas Ruyant, Herrmann, Justine Mettraux ("TeamWork – Team Snef"), Paul Meilhat ("Biotherm") und Nico Lunven ("Holcim - PRB").
Keine 100 Seemeilen trennten die sieben Skipper morgens am 7. Januar. Noch ist die hochspannende Frage unbeantwortet, ob Lunven und Mailhat auf der östlichen Außenflanke für ihre Investitionen kassieren können, weil sie eher stabilere Winde erreichen? Oder die West-Boote mit Beyou, Goodchild, Herrmann und Mettraux besser durchkommen? Oder hält am Ende der zwischen beiden Gruppen positionierte Thomas Ruyant ein gutes Blatt in Händen?
Zusätzlich sah sich die Herrmann-Gruppe am frühen Dienstagmorgen mit heftigen Gewittern konfrontiert, die Boris Herrmann als "beängstigend und gleichzeitig faszinierend" beschrieb. Sein Clip – zu sehen im LIVE-Ticker der YACHT – zeigt, wie es draußen vor der Küste von Rio de Janeiro für die Solisten zur Sache geht. Ganz anders dagegen die Lage an der Spitze der Flotte. Dort hat Charlie Dalin seinen Vorsprung vor Yoann Richomme wieder leicht ausbauen können.
Bei nur noch rund 2600 Seemeilen bis in den Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne hat sich “Macif Santé Prévoyance”-Skipper Charlie Dalin gegen Ende von Renntag 58 über Nacht wieder ein etwas komfortableres Polster von 126 Seemeilen vor dem “Paprec Arkéa”-Rivalen geschaffen. Beide kamen am Dienstmorgen mit Geschwindigkeiten von mehr als 21 Knoten in den Passatwinden zwischen dem zehnten (Dalin) und dem siebten (Richommen) Breitengrad Nord flott voran.
Der drittplatzierte Sébastien Simon wahrte seine Position weiter souverän: Bei etwa 1450 Seemeilen Vorsprung vor Jérémie Beyou und rund 500 Seemeilen Rückstand auf Yoann Richomme segelte der “Groupe Dubreuil”-Skipper mit abgebrochenem Foil weiter ein einsames, aber podiumsplatzreifes Rennen. Um 7.08 Uhr deutscher Zeit hatte der 34-Jährige Lokalmatador aus Les Sables-d’OLonne als dritter Skipper den Äquator nach 57 Tagen, 18 Stunden, 6 Minuten und 19 Sekunden nur gut eineinhalb Tage nach Dominator Dalin passiert.