Mit Beginn des 33. Renntags der Vendée Globe erlebte Boris Herrmann bei Bootsgeschwindigkeiten bis um 30 Knoten “einen meiner schnellsten Tage” seit Rennstart. Zugeschaltet zur Mittagssendung Vendée Globe Live, berichtete der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper von einem “schönen Tag und flacher See”. “Wir erleben hier gerade sehr schnelles Reaching. Justine und ich surfen auf dem Buckel der australischen Eisgrenze”, berichtete Boris Herrmann Vendée-Globe-Moderator Andi Robertson und dem ebenfalls zur Nachmittagssendung Vendée Globe Live zugeschalteten Loïck Peyron.
Der 65-jährige Loïck Peyron zählt zu Frankreichs bekanntesten Offshore-Helden. Der jüngere Bruder von Bruno Peyron und Stéphane Peyron hatte in den 1990er-Jahren mit dem Trimaran “Fujicolor” viele Erfolge errungen. 1999 und 2005 hatte er das Transat Jacques Vabre gewonnen, 2006 die Leitung des Gitana-Teams vom Schweizer Bankier Benjamin de Rothschild übernommen.
Mit Team Alinghi und “Alinghi 5” bestritt Loïck Peyron als Co-Skipper den 33. America’s Cup. Die Jules Verne Trophy gewann Tausendsassa Peyron am 6. Januar 20212. Mit “Banque Populaire” war er damals in 45 Tagen und 13 Stunden um die Welt gesegelt. Nur die Vendée Globe hat er nie gewinnen können. Trotzdem hat ihn Platz zwei mit “Lada Poch” bei der Premiere der wichtigsten Solo-Regatta um die Welt 1989/1990 berühmt gemacht. Weitere Teilnahmen hatte Peyron 1992/1993 mit “Fujicolor III” und mit “Gitana Eighty” 2008/2009 nach Mastbruch aufgeben müssen.
Bekannt ist Loïck Peyron nicht nur für seine Segelleistungen in sehr unterschiedlichen Disziplinen, sondern auch für seinen verschmitzten Humor. Der vor elf Jahren vom Delius Klasing Verlag zum Seamaster 2013 gekürte Peyron hätte mit seiner breiten Klaviatur an Gestik und Mimik auch Entertainer oder Schauspieler werden können. Er ist ein Generalist und Ideengeber wie Asterix. Von seiner Energie hat er auch in einem Alter nichts verloren, in dem andere in Rente gehen.
Dazu sagte Loïck Peyron einmal selbst: “Ich glaube, ich bin als Kind in einen Topf gefallen. Wie Obelix. Dabei bin ich Asterix eigentlich viel ähnlicher…” Von diesem Charme versprühte Peyron auch in der Sendung Vendée Globe Live wieder reichlich. Dieses Mal im Gespräch mit Boris Herrmann, der aus dem Indischen Ozean zugeschaltet war. Die beiden Segler bewegten sich auf natürliche Weise auf einer Wellenlänge.
So hatte Loïck Peyron selbst einmal eine seiner Imocas unter Deck mit Backsteinen und Kühen bemalt, um eine für sich angenehmere Wohlfühlathmosphäre zu kreieren. Erinnern sollte ihn das ungewöhnliche Design auch an den Traum von einer eigenen Farm, die er heute hat und von wo aus er das Gespräch mit Vendée-Globe-Moderator Andi Robertson und Boris Herrmann führte.
Heiter unterhielt sich der Franzose mit Herrmann über dessen hölzerne Anmutung im hinteren Raum von “Malizia – Seaexplorer”. Die sei ihm aufgefallen. Boris Herrman antwortete lächelnd, dass bei dieser Idee Peyrons einstiges Farm-Design tatsächlich das Vorbild gewesen sei und er sich unter Deck von “Malizia – Seaexplorer” am liebsten dort hinten im Boot aufhalte. Es sei dort “etwas weniger ungemütlich als bei den anderen”. Zusätzlich hat sich der deutsche Solist für die Weihnachtszeit noch Leuchtsterne unter die Decke geklebt.
Im unterhaltsamen Gespräch warf Boris Herrmann auch einen Blick auf die kommenden Tage und die verschiedenen Wetterszenarien. Den augenblicklich racigen Bedingungen könnte bald schon die Begegnung mit einem Hochdruckgebiet folgen. Darüber hinaus aber hatte Boris Herrmann bereits einen möglichen Sturm südwestlich von Neuseeland im Visier. “Der könnte uns sehr starke Winde mit 45 oder auch 50 Knoten bringen. Wir haben ein Auge darauf”, so der Skipper aus Hamburg.
Genaue Prognosen seien aktuell nicht leicht zu treffen. “Wir müssen sehen, was in der Dynamik der Gruppen passiert. Und, ob es mir diese Dynamik erlaubt, den Jungs vor mir etwas näher zu kommen”, sagte Boris Herrmann. Er habe an diesem Tag bei der Annäherung an den Längengrad von Kap Leeuwin das gute Gefühl, sich der Rennhalbzeit zu nähern.
Die Kap-Leeuwin-Passage bedeutet allen Teilnehmenden einer Vendée Globe in der Regel viel, wie auch Loïck Peyron sehr gut wusste: “Du entfernst dich dann nicht mehr länger vom Starthafen, sondern kommst ihm wieder näher. Das ist psychologisch sehr viel angenehmer.” Ein wenig bedauerte der Franzose die ihm nachfolgende Vendée-Globe-Generation auch, sagte: “Diese Boote sind so schnell, aber auch so laut und so unbequem!”
Die aktuelle Vendée-Globe-Flotte wurde mit Beginn von Renntag 33 weiter von Spitzenreiter Charlie Dalin angeführt, dessen Vorsprung auf den auch mit abgebrochenem Foil nicht lockerlassenden Sébastien Simon am Donnerstagnachmittag 265 Seemeilen betrug. Dabei war Simon mit mehr als 19 Knoten Speed schneller unterwegs als Charlie Dalin mit etwa 17 Knoten.
Boris Herrmann hat immer noch 1200 Seemeilen auf die Spitze aufzuholen, hatte den Meilenberg aber wieder etwas reduzieren können. Seinen Vorsprung auf die hinter ihm auf Platz elf liegende “Juju” Mettraux hatte er dabei auf knapp 40 Seemeilen ausgebaut.