Tatjana Pokorny
· 27.01.2013
Sieger François Gabart verbeugt sich vor seinem Kontrahenten, während Alex Thomson seine "Hugo Boss" dem Ziel und Platz drei entgegentreibt
Wie ein hell leuchtender Komet ist François Gabart bei seiner Vendée-Globe-Premiere an die Spitze der besten Solosegler gestürmt. Nun wird der "Golden Boy" von allen Seiten bestürmt. Rund 350.000 Menschen jubelten dem mit 29 Jahren jüngsten Vendée-Gewinner der Geschichte und neuen Rekordhalter im Zielhafen Les Sables d'Olonne zu, als er am Sonntagmorgen die Parade abnahm. Der stille Star genoss den Trubel, die erste Umarmung seiner schwedischen Ehefrau Henriette, lobte immer wieder sein Team, gab vor allem die gute Vorbereitung auf den Meeres-Marathon als Grund für seinen Erfolg an und vergaß auch den Mann nicht, der ihm fast 80 Tage lang ein ebenbürtiger Gegner war: Armel Le Cléac'h kam nach 78 Tagen, fünf Stunden und 33 Minuten auf See nur drei Stunden, 17 Minuten und zwölf Sekunden nach François Gabart ins Ziel.
Gabart schickte sofort Glückwünsche an den Bezwungenen, der zum zweiten Mal in Folge Platz zwei bei der Vendée Globe belegte: "Danke, Armel Le Cléac'h! Was wir zusammen erlebt haben, war außergewöhnlich! Für zwei Segler wie uns war es ein Privileg, ein solches Duell als direkt Beteiligte erleben zu dürfen. Armel ist einer der Gründe, warum diese Vendée Globe so besonders war. Und ja, danke, Armel, dass du mich nicht wieder eingeholt hast!" Seine Entscheidung über eine erneute Teilnahme an der Vendée Globe ließ Gabart zunächst offen: "Ich muss erst einmal ein paar Nächte schlafen und intensiv darüber nachdenken. Man muss ein sehr tiefes Verlangen danach verspüren. Momentan habe ich das nicht. Aber es könnte ja in ein paar Tagen oder Wochen zurückkommen. Wenn ich es noch einmal mache, dann nur, weil ich es wirklich will. Sonst ist es gefährlich und ungesund."
Armel Le Cléac'h sagte nach seinem Zieldurchgang am Sonntagabend: "Zu 99 Prozent bin ich mit meinem Rennen zufrieden." Das verbliebene Prozent hat den sympathischen Franzosen vor Uruguay die Siegchance gekostet. Dort hatte er sich zur Wende mit Kurs Nordwest entschieden, um als Erster die vorhergesagten nordwestlichen Winde zu erreichen. Doch die setzten nicht ein. Stattdessen segelte Le Cléac'h, der das Rennen über ein Drittel der Strecke angeführt hatte, in die Flautenfalle und musste seinen Gegner Gabart davonziehen lassen. Den dabei entstandenen 200-Seemeilen-Rückstand konnte er im Schlussspurt nicht mehr egalisieren. Lob gab es dennoch von allen Seiten. Jean Le Cam sagte: "Es gibt keinen großartigen Sieger ohne einen großartigen Zweitplatzierten."
Gabart selbst blieb auch im Angesicht des Triumphs bescheiden: "Als ich mit den Vorbereitungen auf die Vendée begonnen habe, wollten Macif und ich unser Bestes geben. Über den Sieg haben wir nicht nachgedacht. So ambitioniert waren wir nicht. Wir wollten ein großes Rennen liefern. Das war alles. Doch als ich Armel im Indischen Ozean passiert habe, wusste ich, dass Jean-Pierre hinter mir lag und Vincent ausgeschieden war. Da habe ich angefangen zu glauben, dass dieser Sieg möglich ist."
Nun wird der neue König der Einhandsegler von der internationalen Presse gebührend gefeiert. Die "Neue Zürcher Zeitung" nennt Gabart den "neuen Herrn der Weltmeere", die französische "L'Équipe" berichtet über "Die Thronbesteigung von François I.", die britische Tageszeitung "The Independent" schwelgt: "Gabart zerschmettert den Vendée-Rekord". "Le Figaro" konstatiert: "François Gabart, das Wunderkind der Vendée Globe". Und die bretonische Zeitung "Ouest France" schwärmt: "Gabart – der heiße Typ ist ein Seemann in Eile."
Die Liste der Gratulanten nahm nach dem Zieleinlauf kein Ende. Eine persönliche Glückwunsch-Mail schickte auch der Brite Mike Golding von See. Darin schrieb er: "François, was können wir sagen außer unseren herzlichen Glückwunsch? Doch das klingt total unangemessen für das, was du heute erreicht hast. Dein unglaubliches Rennen, und – man muss es sagen – das der gesamten Führungsgruppe hat uns Jägern auf den hinteren Plätzen 2012/2013 etwas Fantastisches geboten (auch wenn es zeitweise frustrierend war). Es ist ein Traum, den du genießen musst. Es scheint, als hätte dich Mer Agitée mit der Hochleistungs-DNA deines Mentors Mitch (Michel Desjoyeaux, d. Red.) infiziert. Dennoch hast du deinen eigenen Charakter und deinen eigenen Stil bewahrt. Was für eine Formel! Genieße den Moment in Les Sables d'Olonne. Ich bin sicher, das ist nur der Anfang für jemanden, der so jung und so talentiert ist wie du."
Während am Tag nach dem Triumph Hunderte Journalisten und Fernsehteams mit den Siegern sprachen, trieb Alex Thomson seine "Hugo Boss" in Richtung Zielhafen. Rund 900 Seemeilen hatte der Brite am Montagmittag noch zu absolvieren. Der Traum vom Podiumsplatz ist zum Greifen nah. Gleichzeitig kündigte Thomson an, seinen ohne Kiel über den Atlantik "humpelnden" Konkurrenten Jean-Pierre Dick nicht aus den Augen zu lassen und ihm im Notfall beizustehen.