Andreas Fritsch
· 04.12.2016
Conrad Coleman erlebt sein persönliches Waterloo bei 30-40 Knoten Wind: Ein Feuer an Bord löste eine ganze Kaskade von Katastrophen aus
Von Bord berichtet der Neuseeländer, wie das Drama seinen Lauf nahm:
"Ich wollte gerade in 30 Knoten Wind halsen. Dann roch ich unter Deck einen Geruch nach Plastik. Ich dachte erst, die Batterien hätten ein Problem, liess das Diagnose-Programm über den Rechner laufen, aber alles war gut. Ich ging raus, um ein Reff einzubinden und als ich zurück unter Deck kam, sah ich schwarzen Rauch und Flammen hinter dem Kartentisch! Eins der Ladegeräte der Solarzellen brannte und war kurz davor, dass gesamte elektronische System zu zerstören, da an ihm viele wichtige Kabel entlang führen. Ich schnappte mir die Feuerlöschdecke und versuchte in einem verzeifelten Versuch die Flammen zu löschen, die Stromschläge von den Geräten und die Hitze ignorierend. Als das Feuer gerade aus war, hörte ich ein "Biep" vom Autopilot und dann drehte sich meine Welt auf den Kopf".
"Die verbrannten Kabel neben dem Ladegerät hatten zu einem Kurzschluss im Autopilot geführt. Das Boot ist radikal abgefallen und eine Patenthalse gefahren, während ich noch unter Deck war und die Hände voll mit geschmolzenen Plastik hatte. Die Ballasttanks und der Schwenk-Kiel, die Open 60 zu den schnellsten Yachten der Welt macht, sorgen leider auch dafür, dass sie sehr unstabil sind, wenn die Dinge falsch laufen. Mit dem Kiel und allem Gewicht auf der falschen Seite versuchte das Boot sich selbst zu kentern, hatte 80 Grad Lage und der Mast-Top war nur wenige Meter über Wasser. "
In dem Chaos läuft die ganze Zeit Colemann Kamera und so zeichnet sie auf, wie der Neuseeländer auf den Seitendecks stehend beginnt seinen Gennaker einzurollen, das Groß zu öffnen, um seine "Foresight Natural Energy" wieder aufzurichten. Als ihm das endlich gelingt, ist das Drama noch lange nicht vorbei.
"Als sich das Boot wieder aufgerichtet hatte, war die Lage trotzdem prekär: Der Wind nahm zu, ich hatte einen schlecht gewickelten Gennaker oben, der drohte im Wind in Fetzen zu zerreißen und keine elektronischen Anzeigen oder einen Autopilot, der das Boot steuern konnte. Ich musste also erst den Gennaker runterholen, um dann die Elektronik wieder in Gang zu bekommen. Unglücklicherweise war der Gennaker aber so schlecht aufgewickelt, dass er sich selbst halb wieder ausrollte und so schlimm schlug, dass ich Angst hatte, dass Rigg würde runterkommen. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich ihn wieder aufgewickelt hatte, die Pinne zwischen den Knien. Es gelang mir, dass Segel ums Vorstag zu wickeln, und langsam herunter zu bekommen. Als es endlich unten war, brauchte ich noch einmal zwei Stunden, um das ganze Chaos zu beseitigen, während der Wind in Böen mit 40 Knoten wehte und die Spray über Deck peitschte!"
Doch als er dachte, die Situation im Griff zu haben, kam der nächste Schlag: "Als ich unter Deck kam, schwamm dort alles. Weil das Boot so lange auf der Seite gelgen hatte, waren über die Kiel-Box hunderte Liter Wasser ins Schiff geströmt. Meine Lebensmittel-Rationen, die sorgsam verpackte Ersatzkleidung, alles war klatschnass oder schwamm durchs Boot. Vieles war zum Glück eingeschweißt, aber meine Ersatzkleidung, die Stiefel und der Schlafsack waren total durchnässt. Aber schließlich konnte ich die wichtigen Kabel verbinden und der Autopilot war wieder online! Ich habe vor Glück geschrien, als die kleinen Lichter wieder anfingen zu leuchten, weil die Alternative wäre gewesen nach Kapstadt zu segeln und aufzugeben. Doch während ich dies schreibe, sind wir wieder "back in action", das Boot donnert mit 25 Knoten die Wellen herunter."
Neue Rekordzeit zum Kap
Derweil geht das Rennen in einem enormen Tempo weiter. Nachdem das Feld am Wochenende durch Sturm und diverse technische Ausfälle gebeutelt wurde, stellte Armel Le Cléac'h, der sich 100 Seemeilen von seinem hartnäckigem Verfolger Alex Thomson absetzen konnte, einen neuen Rekord für die Strecke bis zum Kap Leeuwin auf. Der Franzose war unglaubliche 5 Tage schneller als sein Landsmann Francois Gabart 2012 ("Macif"). Nach 28 Tagen, 20 Stunden und 12 Minuten überquerte "Banque Populaire V" heute die Linie am westlichen Kap Australiens. Sollten das Feld weiter ein so inferanlisches Tempo halten, scheint sogar erstmals in der Geschichte der Einhand-Weltumsegelung ein Sprung unter die Grenze der 70 Tage machbar – Das schien vor dem Rennen illusorisch, da die Bestmarke von Francois Gabart bei derzeit 78 Tagen liegt.
Wieder im Rennen ist auch der Franzose Jeremie Beyou mit seiner "Maitre Coq", der gestern wegen eines defekten Großsegel-Rutschers und Fall-Schlosses sein Boot stoppen musste und knapp 250 Meilen zurück fiel.
Ebenfalls wieder im Rennen ist der Franzose Jean-Pierre Dick ("St. Michel Virbac"), der scheinbar mit reichlich Wut im Bauch segelt. Er hatte versehentlich die upgedateten Positionen der Eis-Sperrzone der Rennleitung verschlafen und war in die Sperrrzone gesegelt. Die Regel sieht vor, dass er zum Eintrittspunkt in dieselbe zurück segeln musste. Fast 8 Stunden hat ihn das gekostet. Doch trotzdem nähert er sich nun dem sechstplatzierten Yann Elies mit großen Schritten, der wegen des Starken Sturms am Wochenende sein Boot extrem vorsichtig und langsam durch über 40 Knoten Wind und enormen Seegang steuern musste.